Unter der Lupe 01.10.2015, 15:50 Uhr

iPhone 6s und 6s Plus im Test: Apple macht Druck

In den beiden neuen iPhone-6s-Modellen wagt Apple mit 3D Touch eine Innovation bei der Bedienung. Der Test zeigt, dass die weiteren Neuerungen weniger spektakulär sind.
"Die einzige Sache, die sich geändert hat, ist alles“ – mit diesen unbescheidenen Worten stellte Apple-Chef Tim Cook das neue iPhone 6s vor. Eigentlich waren die S-Versionen der iPhones ja bisher eher Updates und keine gänzlich neuen Modelle, doch in diesem Fall sollte die Ankündigung auf viel neue Technik hinweisen.
Das ist auch nötig, denn rein äußerlich hat sich wenig getan: Das Metallgehäuse hat fast genau dieselben Dimensionen wie beim Vorgänger, lediglich eine Farbe ist dazugekommen: Das Rosa dürfte vor allem weibliche Käufer ansprechen, es gibt aber auch weiterhin die Varianten in Gold, Silber und Grau. Wie gewohnt wirken alle besonders hochwertig und extrem gut verarbeitet.

Bildergalerie
iPad Pro, Apple TV, die beiden iPhone-Modelle 6S und 6S Plus: Telecom Handel zeigt alle Highlights in einer Bildergalerie.

Das Plus-Modell ist allerdings sehr groß und mit seinen 192 Gramm ein Schwergewicht. Die 17 Gramm mehr als beim Vorgänger gehen offenbar auf das Konto eines neuen Aluminiums am Gehäuse, das stabiler sein soll – „Bendgate“ lässt grüßen.
Noch einmal nach oben gebogen hat Apple leider die Preise: Das 6s kostet in der günstigsten Version mit kleinem Display und 16 GB Speicher 739 Euro. Das getestete Spitzenmodell mit großem Display und 128 GB schlägt mit satten 1.069 Euro zu Buche. Je nach Version sind das gegenüber dem Vorgänger 40 bis 50 Euro mehr.

3D Touch: Magischer Finger

Dafür muss auch ein Mehrwert kommen: Die größte Innovation findet unter der Hülle beziehungsweise unter dem Display-Glas statt: Es ist eine Technologie, die bisher als Force Touch bekannt war und bei Apple nun als 3D Touch erstmals in einem Seriengerät zum Einsatz kommt. Huawei hatte zwar auf der diesjährigen IFA eine damit ausgestattete Version seines Flaggschiffs Mate S gezeigt, der Verkaufsstart lässt aber noch auf sich warten.
Grundsätzlich funktioniert 3D Touch auf zwei Ebenen: auf der Benutzeroberfläche und in Apps. Auf der Benutzeroberfläche kann der Anwender nun mit einem Halten des Fingers auf dem App-Symbol Shortcuts wie den direkten Aufruf der Selfie-Funktion der Frontcam aktivieren.
In den Apps sind die Möglichkeiten vielfältig: Bei Mails beispielsweise dient der Fingerdruck zur Vorschau, beim Loslassen verschwindet die Nachricht wieder in der Liste. Das Verstärken des Drucks öffnet die Mail dagegen komplett. Eine Bewegung zu einer Seite löscht sie entweder gleich oder markiert sie als gelesen. Bei einer Adresse in einer Nachricht öffnet der Druck dagegen die entsprechende Karte mit der Location, das funktioniert auch mit Web-Links.   
Technisch wird die neue Technologie umgesetzt, indem bei einem Fingerdruck auf den Bildschirm von Sensoren die Distanz des bewegten Deckglases zum eigentlichen Display darunter gemessen und in einen entsprechenden Befehl umgesetzt wird. 3D Touch ist tatsächlich eine Bereicherung für die Bedienung eines Smartphones, die Zukunft wird zeigen, dass hier noch viel möglich ist.
Bisher sind die Funktionen fast nur in die vorinstallierten Apple-Apps integriert; Fremdentwickler sind aber laut dem Hersteller bereits intensiv dabei, Umsetzungen für ihre eigenen Programme zu entwerfen.

Schön schnell

Was die Leistung betrifft, verspricht Ap­ple noch einmal deutlich mehr Power für die dritte Generation des verbauten Prozessors, dessen Taktung oder die Anzahl der Kerne man aber nicht verraten will. Der Arbeitsspeicher ist auf zwei GB gewachsen.
Im Antutu-Benchmark war das 6s mit rund 60.000 Punkten extrem schnell und damit auf einem Temponiveau mit dem Spitzenreiter Galaxy S6 von Samsung. Im Vergleich zum iPhone 5s ist es rund 50 Prozent schneller. Auffällig ist auch, dass sich das Apple-Smartphone selbst bei anspruchsvollen Tests kaum erwärmte – hier hatten einige Android-Modelle größere Probleme.
Ein Plus gibt es auch bei den Kameras: Der rückwärtige Knipser hat bei der Auflösung von acht auf zwölf Megapixel zugelegt, was sich vor allem beim Zoomen in Fotos bemerkbar macht, womit ganz neue Details sichtbar werden. Wie von iPhones gewohnt ist der Automatikmodus erstklas­sig, da er fast immer die beste Einstellung findet und für die meisten Smartphone-Fotografen völlig ausreichend ist. Die manuelle Veränderung von Parametern haben Konkurrenten wie Huawei oder Sony aber weiterhin besser umgesetzt.
Für Videos ist nun 4K-Auflösung (3.840 x 2.160 Pixel) möglich, dabei kann der Anwender sogar Fotos mit acht Megapixeln aus den Filmen extrahieren. Nur im Plus-Modell ist wie bisher der optische Bildstabilisator eingebaut, der nun auch für Videoaufnahmen verwendbar ist. Bei den bewegten Bildern ist das Apple-Gerät tatsächlich was Schärfe, Farben und Stabilität betrifft das derzeit beste Smartphone.
Die Frontkamera hat nun fünf Megapixel Auflösung, was einen klaren Fortschritt darstellt. Zudem nutzt sie das Display als Blitzersatz, indem dieses kurz aufleuchtet und so Selfies selbst in totaler Dunkelheit ermöglicht.

Live Photos: Die Bilder leben

Neu sind auch die Live Photos, bei denen die Kamera automatisch einige Sekunden vor und nach dem Drücken des Auslösers aktiv ist. Danach erscheinen animierte Bilder, die auf dem iPhone durch einen 3D Touch in der Galerie „lebendig“ werden.
Allerdings können bisher nur wenige Empfänger mit der passenden iOS-basierten Software diese Funktion nutzen, sie erhalten aber zumindest das „Bild in der Mitte“ als normales Foto. Ein weiteres Feature sind die Panoramabilder, die nun bis zu 63 Megapixel groß sein können.
All diese fotografische Opulenz belegt allerdings Speicher, so sind die Live Photos doppelt so groß wie normale Schnappschüsse. Leider hat Apple hier seine Politik, keine Speichererweiterung per Karte einzubauen, nicht geändert.
Auch die S-Klasse kommt stattdessen mit 16, 64 und 128 GB, wobei die kleinste Version für ein solches Multimedia-Phone – zwei Minuten 4K-Video belegen rund 1 GB – inzwischen wirklich veraltet ist. Da jede größere Variante 100 Euro Aufpreis kostet, verdient Apple gut an diesem System.
Ein kleines Manko ist der NFC-Chip, der sich nur für – das in Deutschland immer noch nicht verfügbare – Apple Pay eignet, nicht aber Geräten zum schnelleren Koppeln verhilft. Bluetooth-Verbindungen funktionierten im Test auch ohne diese Hilfe gut.
Allerdings zeigte sich manches Zubehör von Fremdherstellern wie eine JBL-Soundstation plötzlich nicht mehr per Lightning-Kabel anschlussbereit: Sie wollte zwar das neue iPhone laden, aber keine Musik mehr erklingen lassen.
Dass das iPhone das viele Geld trotzdem wert ist, zeigt die ansonsten komplette Ausstattung, die nur wenige Lücken aufweist und in Details wie dem schnelleren LTE weiter optimiert wurde. Zum Beispiel wurde der Fingerabdrucksensor in der Menütaste schneller und entsperrt das Gerät schon bei der ersten Berührung. Die Sprachassistentin Siri reagiert nun auch im Ruhezustand auf Zuruf. Dafür sorgt ein eigener Prozessor, der den Stromverbrauch nicht erhöhen soll.
Zumindest beim größeren Plus-Modell haben wir nur eine minimale Verschlechterung der Laufzeiten gegenüber dem Vorgänger feststellen können. Es ist noch immer überdurchschnittlich ausdauernd und ermöglicht mehr als einen Tag Dauerbetrieb. Das 6s dagegen macht eher schlapp – eine Konzession an die kompakte und leichtere Bauweise, die auch einen kleineren Akku bedingt.




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