Diskussionsrunde 04.03.2016, 09:20 Uhr

"Wer nicht im Netz sichtbar ist, hat schon verloren"

Auf der E-Commerce-Messe „Internet World“ war auch die Wahl der richtigen Online-Strategie für stationäre Fachhändler ein heiß diskutiertes Thema.
Zwei Tage lang, am 1. und 2. März 2016, war München einmal mehr das Mekka der E-Commerce-Branche: Zum 20. Mal öffnete die Internet World Messe ihre Pforten, und rund 16.000 Besucher waren dabei. Besonders gut kamen dabei die vielfältigen Fachvorträge und Diskussionsrunden an, die sich zum Teil auch an stationäre Händler richteten.
Klare Worte fand etwa Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern (HBE), bei einem Expertengespräch zur Stärkung des Einzelhandels durch Online-Strategien. Nach seiner Ansicht ist das Thema Online die „dramatischste Entwicklung für den Einzelhandel seit der Einführung der Selbstbedienung in den 60er-Jahren“.
Die Händler wüssten, dass sie jetzt etwas unternehmen müssten, aber nicht genau, was. „Die haben zum Teil Schweißperlen auf der Stirn“, berichtete Ohlmann. Er ist sich sicher: „Wer nicht im Netz sichtbar ist, hat schon verloren. Denn die ‚Customer Journey‘ beginnt heute im Internet.“ Viele Kunden würden gerne in der Region einkaufen, fänden aber den passenden Händler bei der Suche im Web nicht.
Hier knüpfte Ben Rodrian, CEO von Yatego, an: „Der stationäre Handel macht es sich damit selbst schwer. Dabei ist die Trennung von Online und Offline aus Konsumentensicht ja Quatsch.“ Die Lösung seien aus seiner Sicht lokale Marktplätze, die die verschiedenen Angebote aggregieren – und wie sie sein Unternehmen beispielsweise mit rund 1.400 Händlern für die Stadt Regensburg umgesetzt hat.
Viktor Ronkin, Leiter E-Commerce beim Schuhhändler Bartu, blieb hier unverbindlicher: „Jeder Einzelhändler muss hinsichtlich der Multichannel-Strategie seine eigene Nische finden.“ Wichtig sei indes, dass man aus Angst vor Zalando und Co. nicht den Kopf in den Sand ­stecke. „Wir setzen bei unserem Web-Auftritt beispielsweise sehr auf Regionalität und die Verknüpfung mit unseren Filialen. Aber online gar nicht präsent zu sein, das ist schon einmal eine Negativ-Story“, sagte Ronkin.

Tablets als Erweiterung der Verkaufsfläche

Der E-Commerce-Leiter befürwortet auch, die Verkäufer am PoS mit Touchpads auszustatten: „Damit ist der Shop-Mitarbeiter auf Augenhöhe mit dem Kunden, der heute ja oft besser informiert ist als der Verkäufer.“ Ohlmann sieht in dieser Technologie noch einen weiteren Vorteil: „Die Tablets sind auch eine digitale Verkaufsflächenerweiterung. Ich kenne Händler mit kleinen Läden, die durch deren Einsatz zum Big Player geworden sind.“
Als eher untergeordnetes Problem sahen die Diskutanten den Beratungsklau am PoS. „Wenn einzelne Händler Service-Pauschalen einführen, scheint die Verzweiflung groß zu sein. Doch in Wirklichkeit ist der umgekehrte Effekt, nämlich dass sich die Käufer im Web informieren und offline kaufen, inzwischen viel größer“, so Ohlmann.
Auch Rodrian ist sich sicher: „Das ist heute kein Preis-Spiel mehr. Die Verbraucher sind bereits darüber informiert, was ein Produkt kosten wird, wenn sie in den Laden kommen.“ Und Bartu-Manager Ronkin sagt: „Dass der Kunde im Netz vielleicht 20 Euro spart, ist dann eine Randgröße.“ Michaela Pichlbauer, Vorständin der Rid-Stiftung, ergänzt: „Die Leute kaufen ja auch bei Dallmayr oder auf dem Münchner Viktualienmarkt ein, obwohl die Waren dort ganz bestimmt nicht am günstigsten sind.“ Diesen Identitätsvorteil müsse auch der stationäre Einzelhandel für sich nutzen.




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