Marktreport Energievermarktung 19.10.2009, 12:23 Uhr

Mit oder gegen den Strom?

Die Vermarktung von Energie- beziehungsweise Stromprodukten ist zurzeit ein heißes Thema in der TK-Branche – Telecom Handel hat nachgefragt, welche Distributoren und Kooperationen auf den Zug aufgesprungen sind und welche lieber die Finger davon lassen
Vielleicht hat die Wirtschaftskrise doch etwas Gutes. Die Verbraucher müssen sparen – und denken dabei immer öfter auch über den Wechsel ihres Stromanbieters nach. Genau hier kommt – neuerdings – der TK- und Mobilfunk-Fachhandel ins Spiel. Denn: Seit einiger Zeit setzen viele Anbieter bei der Vermarktung von Energie- beziehungsweise Stromprodukten auf die Beratungs- und Servicekompetenz des qualifizierten Fachhandels, dessen Bestandskundenstamm und dessen Erfahrung mit Tarifwelten und Vertragsabwicklungen.
Und die Zahlen belegen: Das Potenzial ist – anders als beispielsweise im Mobilfunk- und DSL-Bereich – alles andere als ausgeschöpft. So hat das Beratungsunternehmen A.T. Kearney herausgefunden, dass zwar bis heute bereits rund sechs Millionen von insgesamt 40 Millionen Haushaltskunden in Deutschland von einem etablierten Versorger zu einem alternativen Anbieter gewechselt sind. Bis 2015 werde sich die Zahl der Wechsler aber noch verdoppeln – das heißt, auf eine Anzahl von etwa zwölf Millionen ansteigen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die TNS Infratest Energiemarktforschung: Laut einer aktuellen Studie der Umfrage-Experten haben in den letzten zwei Jahren 19 Prozent der deutschen Privatkunden ihren Stromversorger gewechselt, und die Wechselbereitschaft sei weiter hoch. Gründe dafür sind vor allem die Erwartung, Geld zu sparen, individualisierte Tarifangebote sowie eine geringe Bindung der Kunden an den bisherigen Anbieter.

Mit oder gegen den Strom?

Diese aussichtsreichen Geschäftschancen haben auch einige Distributoren und Kooperationen erkannt und ihr angestammtes Business um Energie- beziehungsweise Stromprodukte erweitert (siehe Tabelle oben). Einer davon ist Eno Telecom, seit Anfang des Jahres in der Stromvermarktung aktiv. Rainer Büter, Leiter BU Festnetz bei dem Nordhorner Distributor, ist überzeugt: „Der Energiemarkt wird in den nächsten zwei Jahren ein sehr hohes Wachstumspotenzial aufweisen, das der Fachhandel abgreifen kann. Der Fachhändler mit hoher Kundenbindung hat es relativ leicht, einem Kunden auch Energieprodukte zu verkaufen. In der Regel gibt es hier ein gutes Vertrauensverhältnis.“ Und weiter: „Strom ist ein ,einfaches‘ und ,schnelles‘ Produkt mit kurzer Beratung.
Es gibt keine Qualitätsunterschiede, und so ist ein Zusatzgeschäft – Stichwort Cross-Selling – schnell gemacht.“ Falk Adam, bei Faro-com für das Marketing zuständig, macht noch einen weiteren Vorteil aus: „Es gibt auch die Möglichkeit, Bundles zu schnüren, die quersubvenioniert werden – beispielsweise in Form eines Handys und eines Notebooks zusammen mit einem Mobilfunk- und einem Stromvertrag für einen Euro.“ Dennoch schätzt er aktuell den Energiemarkt noch als ein Randthema für die TK-Branche ein, weil sich viele Händler und Kunden „aus Bequemlichkeit“ keine Gedanken darüber machten. „Man scheut sich noch vor dem Thema, da der Kunde für den Wechsel die Zählernummer und den Jahresverbrauch benötigt und er diese Informationen beim Erstbesuch des PoS nicht zur Hand hat“, meint Adam.

Mit oder gegen den Strom?

Die HFO Telecom AG ist noch einen Schritt weiter gegangen: So hat das Hofer TK-Unternehmen kürzlich speziell für diesen Bereich eine eigene Tochter gegründet, die HFO Energy GmbH, die als unabhängiger Anbieter bundesweit Strom- und Gastarife vermittelt. Ebenfalls im Angebot sind hier die Bereiche Photovoltaik, Solaranlagen und die LED-Beleuchtungsoptimierung. Nach Meinung von Alexander Albert, Geschäftsführer der Tochterfirma, ist die Energievermarktung ein lukratives Geschäftsfeld – „sowohl für den klassischen Fachhändler im Consumer-Bereich als auch für den unabhängigen Telefonkostenberater, der überwiegend Businesskunden betreut“.
Und er fügt an: „Die zu erzielenden Deckungsbeiträge sind schon jetzt vergleichbar mit den derzeitigen im TK-Bereich. Allerdings ist der Beratungsaufwand deutlich niedriger.“ Er sieht daher interessante Umsatzchancen, eine erhöhte Kundenbindung und wiederkehrende Einnahmen. Einen ähnlichen Weg geht Kotel: Neben Strom- und Gasprodukten über das Mutterunternehmen selbst bietet eine Tochtergesellschaft, die Sonalis GmbH, Photovoltaik an – „ein extrem lukratives Geschäft“, wie Kotel-Vorstand Jörg Kohlbauer findet. „Bei Auftragswerten in Höhe von 20.000 Euro sind durchaus 1.200 bis 1.800 Euro Provision zu realisieren – und das ohne Wareneinsatz“, so Kohlbauer. Darüber hinaus sieht er bei klassischen Stromverträgen in etwa das gleiche Potenzial an Stückzahlen und Provisionen wie im DSL-Bereich.
Auch Krebber Communication ist seit kurzem in der Stromvermarktung aktiv. Ralf Buchwald, Prokurist bei dem Erkrather Distributor, schränkt indes ein: „Die Energievermarktung eignet sich nur für Partner, die bereit sind, in die Materie einzutauchen und sich zu qualifizieren, um dann mit Engagement das Thema im Vertrieb anzugehen. Strom ist kein Selbstläufer, man muss die Kunden aktiv ansprechen. Trotzdem sollten engagierte Fachhandelspartner jetzt bereits die Möglichkeit nutzen, sich ein lukratives Zubrot zu verdienen.“ Ganz neu ist das Thema auch bei der Kölner Händlerkooperation SuperNova: „Die Energievermarktung eignet sich prinzipiell für fast alle Fachhändler, denn zwei von drei Stromkunden, die bereits über einen Anbieterwechsel nachgedacht haben, sind sich noch völlig im Unklaren darüber, zu welchem neuen Anbieter sie wechseln wollen“, erklärt Geschäftsführer Alain Palloch. Vorteile sind seiner Meinung nach mitunter eine Verbesserung der Provisionen, keine Verpflichtungen und keine Lagerhaltungskosten. Auch Selectric beziehungsweise The Phone House haben Strom für den freien Fachhandel im Programm.
„Wir empfehlen den Stromvertrieb als Zusatzgeschäft für TK-Produkte“, so Michael Heußner, Geschäftsführer Logistik und GSM Hardwaremanagement bei Selectric. Diese Meinung teilt auch Hakan Sandalya, Key Account Manager Festnetz und Strom bei Toker Telecom: „Strom ist ein Zusatzprodukt, also ein Nebeneinkommen. Ob ein Vertriebspartner nur von der Stromvermarktung leben kann? Mit guter Werbung ist auch das möglich, gute Werbung ist die halbe Miete. Apropos: Mit aktiver Vermarktung kann ein guter Vertriebspartner beziehungsweise Verkäufer weit mehr als nur die Miete decken.“
UBM beschäftigt sich bereits seit Oktober 2007 mit dem Energie-Segment – und das, glaubt man den Zahlen, durchaus erfolgreich: Derzeit vermarkten rund 2.000 Fachhandelspartner entsprechende Produkte. Michael Ring, Business Development Energie bei UBM, schätzt das Potenzial relativ groß, den Aufwand demgegenüber relativ gering ein: „Die Umsatz- beziehungsweise Verdienstmöglichkeiten sind sehr gut. Die Provisionen an sich sind zwar meistens nicht so hoch wie beispielsweise bei einem Vodafone-DSL-Auftrag. Dafür lässt sich ein Energieprodukt immer leichter verkaufen als ein Telefonprodukt: Strom ist für uns alle absolut lebensnotwendig, und die Stromkosten des örtlichen Anbieters sind im Regelfall viel höher als bei Discountanbietern wie Eprimo oder Clevergy.“ Ein Kunde ließe sich daher leicht davon überzeugen, dass ein Wechsel für ihn nur Vorteile bringt – zumal Hemm- und Ärgernisse, wie etwa im DSL-Bereich, wegfielen: „Beim Wechsel zu einem anderen Anbieter kann es keinen Stromausfall geben, da die dauerhafte Stromversorgung gesetzlich gewährleistet ist.“

Mit oder gegen den Strom?

Unterdessen gibt es auch einige Distributoren und Kooperationen, die sich das Thema Energievermarktung (noch) nicht auf die Fahnen geschrieben haben. So bieten zum jetzigen Zeitpunkt beispielsweise weder Aetka noch Komsa die Energievermarktung an. Jedoch sei für die Hartmannsdorfer Fachhandelskooperation bereits ein Konzept in Arbeit, das den Aetka-Partnern noch im vierten Quartal 2009 den Einstieg in die Vermittlung von Strom und Gas ermöglichen soll. „Das Interesse seitens des Fachhandels ist da“, bestätigt Komsa-Sprecherin Katja Förster. Ähnliches vermeldet auch Brodos/My-extra: „Energieprodukte bieten sicherlich attraktive Zusatzvermarktungschancen für den ITK-Handel. Das wichtigste Kriterium für die volle Zufriedenheit unserer Handelspartner und deren Endkunden ist eine einfache Abwicklung. Diese sehen wir derzeit noch nicht als gegeben an“, betont Stefan Vitzithum, Vorstand Einkauf und Produkte bei Brodos. Jedoch: „Wir beobachten aktuell den Energiemarkt sehr genau und führen zu diesen Themen bereits Gespräche mit diversen Energieanbietern.“
Ein wenig zwiespältig steht Martin Stolz, Geschäftsführer von Stolzcom, dem Thema gegenüber: „Ich sehe zumindest in der Vertriebsregion der EnBW weder große Chancen noch einen Bezug zur Telekommunikation. Schließlich vermitteln wir ja auch keine Kfz-Versicherungen, nur weil Freisprecheinrichtungen auch im Auto eingebaut werden.“ Hinzu kommt: „Leider ist der Strommarkt nach wie vor kartellartig aufgebaut. Sobald es hier einmal Wettbewerb geben wird, sicherlich ein interessantes Thema.“ Für Allnet hingegen steht fest: „Das Thema mag zwar interessant sein, aber doch etwas fern von unserem sonstigen Portfolio. Eventuell macht es für die Mobilfunker Sinn, denn diese sind ja Dienstevermarktung gewöhnt“, so Johannes Haseneder, Leiter BU Telekommunikation bei Allnet. Und mit einem Augenzwinkern: „Wir konzentrieren uns jetzt weiter auf das Thema Kommunikation, wofür zwar auch etwas Strom notwendig ist, aber dank Green-TK immer weniger.“
Für den „Mobilfunker“ Telepart Discount Distribution aus Dürnau ist das Thema aktuell kein Thema: „Derzeit vermarkten wir keinen Strom. Das liegt zum einen an unserem hohen Automatisierungsgrad im Bereich der Freischaltungen und den derzeit noch nicht vorhandenen Schnittstellen der Anbieter zu unserem Abrechnungs- und Aktivierungsprogramm Inca sowie zum anderen an unserem großen Fokus auf den Bereich Mobilfunk“, begründet Telepart-Chef Frank Reimann. Die TK-Verbundgruppe Teleround hat ebenfalls keine Energieprodukte wie Strom, Gas oder Photovoltaik im Angebot. Allerdings haben die Filderstädter aktuell das LED- und EnergySaver-Energiesparleuchten-Programm von Osram ins Portfolio aufgenommen.

Mit oder gegen den Strom?

Neben den klassischen Distributoren und Kooperationen haben sich auch spezialisierte Unternehmen auf den Energiemarkt gestürzt, die auch und vor allem den TK-Fachhandel umwerben. Zwei Beispiele dafür sind das Heilbronner Energieberatungsunternehmen ICS Energie, das Caner Sentürk, ehemals Geschäftsführer des TK-Distributors Siga Telecom, 2008 gegründet hat (TH 19/09) sowie die Energie Service Deutschland AG (ESD). Zusammen mit Eprimo, der Discountvertriebsgesellschaft für Strom und Erdgas von RWE, hat der unabhängige Stromanbieter und Energie-Service-Provider ESD jetzt ein Konzept für den Stromvertrieb – speziell im TK-Handel – aufgesetzt.
Wie es von Seiten der beiden Unternehmen heißt, können die Händler dabei von zusätzlichen Deckungsbeiträgen und einem Servicepaket profitieren. ESD stellt dazu eine Online-Plattform bereit, die für eine einfache und effiziente Abwicklung sorgen soll. Hinzu kommt ein Shop-in-Shop-System. Das heißt: Neben der Abwicklung aller Neukundeneingänge, Mailings an Bestandskunden, Vor-Ort-Besuchen durch ein Außendienst-Team und der Auszahlung von Provisionen kümmert sich die Frankfurter Firma auch um die Ausstattung des PoS mit Shopmöbeln, etwa einem Eprimo-gebrandeten Counter.
Der Energiediscounter selbst stellt Werbemittel wie Poster, Straßenreiter und Thekenaufsteller zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es eine kostenlose Service-Hotline – sowohl für TK-Händler als auch deren Endkunden. „Alle Leistungen sind für unsere Vertriebspartner kostenlos. Dazu gehört unter anderem eine Shop-Grundausstattung, eine Schulung sowie gegebenenfalls eine Mietbezuschussung“, erklärt Sonja Slottke, Key Account Manager bei Eprimo, im Gespräch mit Telecom Handel. Boris Wehlauer, Direktor Marketing und Vertrieb bei ESD, ergänzt: „Für die Stromvermarktung ist der TK-Fachhandel unserer Ansicht nach ideal. Er kennt sich aus in der Tarifwelt, dem Geschäft mit Verträgen und deren Abwicklung. Außerdem kommt ihm seine Technik-Affinität zugute.“
Hilfe für den Handel
Natürlich haben auch die Distributoren und Kooperationen einiges auf Lager, um ihre Partner zu unterstützen. Zumal, so die einhellige Meinung, ohne aktive Kundenansprache nicht viel zu holen ist. Schulungen, Werbe- und Marketing-Materialien sowie auf Wunsch auch die Unterstützung vor Ort gehören bei fast allen zum guten Ton. HFO Energy hat zudem gerade Workshops zum Thema gestartet, und SuperNova bietet verkaufsfördernde Maßnahmen wie eine Tankgutschein-Aktion an.




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