Nach BVerwG-Urteil 12.09.2023, 14:30 Uhr

SPD-Fraktionsvize: Vorratsdatenspeicherung noch nicht begraben

Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Schlussstrich unter die jahrelange Auseinandersetzung um die Vorratsdatenspeicherung gezogen. Dennoch halten SPD-Politiker eine rechtskonforme Regelung nach wie vor für machbar.
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Auch nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung halten SPD-Politiker eine rechtskonforme Regelung noch für machbar. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es überrascht mich schon sehr, wie manche in Berlin die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gelesen haben und darin sogar die vollständige Absage zur gezielten IP-Adressenspeicherung sehen." Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte die Gerichtsentscheidung als Argument für das von ihm favorisierte "Quick-Freeze"-Verfahren interpretiert.
Bei dem Thema geht es um die anlasslose und flächendeckende Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten der Telekommunikation quasi auf Vorrat. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in der am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung dies als vollständig europarechtswidrig eingestuft. Wegen der rechtlichen Unsicherheiten wird die Regelung seit 2017 ohnehin nicht mehr genutzt. Beim Speicherungszweck fehle eine strikte Begrenzung auf den Schutz der nationalen Sicherheit, hielt das Gericht fest. Aber: IP-Adressen dürften zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit gespeichert werden, nur sei das im Telekommunikationsgesetz nicht eindeutig bestimmt.
Wiese argumentierte, der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe festgehalten, dass Verkehrs- und Standortdaten sehr wohl allgemein und unterschiedslos auf Vorrat gespeichert werden dürften: wenn es um nationale Sicherheit, schwere Kriminalität oder schwere Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit gehe. "Das darf ein Justizminister der Öffentlichkeit nicht verschweigen, wenn er stattdessen das unzureichende "Quick-Freeze"-Verfahren aus dem eigenen Hause anpreist", sagte Wiese. Wer nichts speichere, könne auch nichts einfrieren. Beim "Quick-Freeze"-Verfahren werden die Daten erst dann gespeichert, wenn ein Verdacht auf eine Straftat erheblicher Bedeutung - etwa Mord oder Totschlag - besteht.

"Ende mehr als überfällig"

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle warnte davor, "weiter ein totes Pferd zu reiten". "Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist mehrfach vor Gericht gescheitert." Ihr Ende sei also "nicht vorschnell, sondern mehr als überfällig", sagte er der dpa. Der Gesetzgeber solle den Ermittlern nun schnell ermöglichen, Daten anlassbezogen zu speichern.
Auch die Linke ist für das "Quick-Freeze"-Verfahren. Die anlasslose Speicherung hingegen sei ein eklatanter Angriff auf die Privatsphäre und "ein Big-Brother-System", sagte die Vorsitzende Janine Wissler am Sonntag. Und mit Blick auf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): "Umso skandalöser ist es, dass eine der höchsten Repräsentantinnen der Exekutive meint, sich nicht an die Rechtsprechung halten zu müssen, und sich weiterhin taub stellt".
Buschmann und Faeser liegen in der Frage seit Monaten über Kreuz. Faeser und andere Befürworter einer neuen, konkreteren Regelung zur Vorratsdatenspeicherung führen als Argument vor allem die Verfolgung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen an. Wenn entsprechendes Bildmaterial im Netz verbreitet wird, ist die IP-Adresse oft der einzige Anhaltspunkt, um den Täter zu ermitteln.




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