25 Jahre Telecom Handel 20.05.2022, 09:49 Uhr

Geschichte des Mobilfunks: Ein Land geht auf Empfang

Von den holprigen Anfängen im A-Netz über die ersten Handys bis zum Start von 5G – unser Autor Henning Gajek blickt zurück.
(Quelle: jijomathaidesigners/Shutterstock)
von Henning Gajek
Als Kind wurde ich von einem Verwandten in einen gelben Post-Käfer gesetzt, mit den Worten: „Von unterwegs ruft ihr mich mal an.“ Damals konnte man seine Telefonate noch nicht selbst wählen, sondern musste ­einen Kanal suchen und finden und dann einen großen Kopf drücken. Dann meldete sich die „Vermittlung“ mit schneidender Stimme: „Sie wünschen?“ Als Antwort wurde die eigene Telefonnummer durchgesagt: „Hier ist Wagen 54321, mein Standort ist München-Ismaning, ich hätte gerne Garmisch 4123“, als fiktives Beispiel. Dann wurde zunächst wieder aufgelegt. Minuten später hupte es im Auto, wie bei einem Feueralarm. Man musste den Handhörer aus der Halterung „reißen“ und sich mit „Wagen 54321“ melden. Die Vermittlung war dran: „Ihr Gespräch, bitte sehr ...“
Erste Erfahrungen mit der mobilen Telefonie machte Henning Gajek im Post-Käfer
Quelle: pilot micha/flickr
Der Gesprächsverlauf in etwa: „Wo befindest du dich genau, wie gut klappt die Verbindung?“ Am Ende wurde erneut der rote Knopf gedrückt – „Vermittlung, wir sind fertig“ – und aufgelegt. Zwei Minuten später traf der nächste Anruf ein: „Hier Vermittlung, Ihr Gespräch kostete zwei Mark fünfzig“ – ja, das war Service.
Ein Autotelefon war damals nur für ­superreiche oder superwichtige Leute, Zivilpersonen konnten sich das kaum leisten. Preise von 15.000 D-Mark und mehr für ein Gerät und zackige monatliche Grundgebühren (270 D-Mark) waren für Zivilisten kaum geeignet.

Fortschritt im B-Netz

Es folgte das B-Netz. Hier konnte der mobile Teilnehmer erstmalig selbst wählen – eine gewichtige Rolle spielte dabei aber der Funkturm: Näher dran war es teurer, weiter weg war es günstiger – ­allerdings verbunden mit dem Risiko, die Verbindung zu verlieren. Ein Handover gab es beim B-Netz noch nicht. Dafür gab es Roaming in Österreich, Luxemburg und den Niederlanden.
Auch andere Teilnehmer konnten die B-Netz-Teilnehmer direkt anrufen. Sie mussten nur den ungefähren Standort wissen. Also München, Vorwahl 0811 (die 089 kam erst später) gefolgt von der 05 und der Teilnehmernummer, die 5-stellig war, 0811-05-51234 als Beispiel.
Irgendwann ging das analoge C-Netz unter 0161 an den Start, mit einer SIM-Karte, anfangs noch mit Magnetspur, später mit Chip. Zu Beginn konnte man mit seiner C-Netz-Telekarte auch an Telefonzellen der Bundespost-Telekom kommunizieren, etwa wenn man kein Netz hatte. Das C-Netz funktionierte nur in Deutschland. Roaming wurde nie realisiert.
Lange Zeit waren Lösungen wie diese von Bosch die einzige Möglichkeit, mobil zu telefonieren
Quelle: Rama, CC BY-SA 3.0 fr
Bei Transitreisen durch die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war die Nutzung von Funkgeräten und Telefonen strengstens verboten. Nach der Wende wurde in Lichtgeschwindigkeit das
C-Netz in der ehemaligen DDR ausgerollt. Dort wurde es gebraucht, bis das noch nicht vorhandene oder völlig veraltete Festnetz modernisiert oder aufgebaut worden war.

Startschuss im D-Netz

Im Juni 1991 war ich zu einer denkwürdigen Pressekonferenz nach Stuttgart auf den Killesberg eingeladen. Die Telekom schaltete ihr D1-Netz ein, nur Geräte für Kunden gab es noch nicht. Telefoniert wurde mit Testaufbauten in Kleintransportern und die Testfahrt ging nur rund um eine Station, weil man nicht wusste, ob Handover schon funktionierte.
1992 ergatterte ich einen Nokia 6050 Festeinbau, hatte aber keine SIM-Karte dafür. Die hatte ein Händler, dem wiede­rum ein passendes Telefon fehlte. „Das geht doch noch nirgends“, meinte er, fand in seinem Chaos die SIM-Karte und die PIN-Unterlagen dazu. Das Telefon machte „Piep-Piep-Piep“ und zeigte „D1“ an. Die ersten Telefonate waren abenteuerlich. „Guten Tag – Zing Zerrong – Hier ist – Kling-Klang-Schepper.“
Das war im Süden der Stadt Mannheim, wo nur vom Fernsehturm aus gesendet wurde. Doch der Sender reichte viel weiter als gedacht. Dafür brachen Verbindungen auf der nahe gelegenen Rheinbrücke in Sichtweite ab, warum auch immer. Ein „Köfferchen“ von Orbitel (wurde von Ericsson übernommen) mit scheckkartengroßer SIM-Karte im Netz von Mannesmann Mobilfunk unter dem Label D2 Privat brachte kristallklare Verbindungen. Die Sender des neuen Anbieters waren meist recht tief montiert und genau kalkuliert, um möglichst viel Fläche zu versorgen, aber es gab immer noch reichlich Funklöcher.
Auf der Berliner Funkausstellung gab es 1993 ein Angebot für Journalisten: „Kostenlos das D-Netz testen“. Bei der Ausgabe der Handys erklärte mir die Messehostess tränenüberströmt: „Alle kaputt, total überlastet.“

Erster Mobilfunkvertrag

Daraus wurde der erste Mobilfunkvertrag beim Service-Provider Dekratel im D1-Netz der Telekom. Wer sich daran nicht mehr erinnert: Dekratel vereinigte sich mit Unicom und nannte sich zunächst in Dekraphone und später wieder in Unicom um. Die wurden von Talkline übernommen, welche von Debitel geschluckt und später zu Mobilcom-Debitel fusioniert wurden, heute eine Marke der Freenet AG.
Die erste Roaming-Abrechnung von Dekratel kam sechs Monate später und stimmte wohl, war aber für Laien nicht nachvollziehbar. Die Kunden-Hotline von Roland-Mobilfunk (einem Dienstleister für Dekratel) war selten erreichbar, nach der Fusion mit Unicom stimmten Rechnungen nicht, Tarife wurden ohne Vorwarnung erhöht. Ich kündigte, zumindest das klappte dann problemlos.

Wechsel zu Telekom und D Plus

Eine Mitnahme der Rufnummer war seinerzeit noch nicht möglich. Der nächste Vertrag wurde bei T-Mobile unterschrieben. Später folgten ein Vertrag beim Service-Provider D Plus (die Marke wurde später von Cellway übernommen, gehört heute zu Mobilcom-Debitel) und natürlich ein Original-Vertrag bei Vodafone.
Das Goodie des Händlers aus Nürnberg für den Vertragsabschluss bei D2 Privat erfolgte über ein Post-Paket mit vielen CallYa-Aufladecodes, die man bei Vodafone auch auf Laufzeitverträge aufbuchen konnte. Doch natürlich musste auch noch eigenes Geld investiert werden, beispielsweise um WAP (Schmalspur-Internet) auszuprobieren.
In den 1990er-Jahren waren Netzbetreiber und Hersteller auf der Cebit stark vertreten
Quelle: CeBIT
Auf der Messe Cebit stellte sich 1993 ein neuer Anbieter vor, der später E-Plus heißen sollte. Gestartet wurde 1994 in ­einem Konferenzzimmer im Keller der Messe, wo nur E-Plus funktionierte, um den anwesenden Journalisten die Vorteile des Netzes zu demonstrieren. Erst wenige Sekunden vorher hatte die Deutsche Telekom die notwendigen Leitungen zu ­E-Plus freigeschaltet, wie der damalige E-Plus-Chef Herbert Brenke ein Jahr später verriet. Mit dem giftig grünen ­Nokia PT11 auf 1.800 MHz konnte man in bester Sprachqualität „so nah, als wär man da“ telefonieren, und wenn mal ein Funkloch auftauchte, hielt das Netz die Verbindung, weil es wusste, der Teilnehmer kommt gleich wieder.

Als Beta-Tester im E-Netz

Ich unterschrieb den ersten Vertrag im E-Plus-Netz, als Beta-Tester. Ich sollte mindestens acht Gespräche pro Tag führen und jede Störung, und sei sie noch so harmlos, der Hotline melden. Dumm nur, dass die Hotline davon nichts wusste und auch nichts an die Technik weitermelden konnte. In Bayern grummelte die Landesregierung, dass sie keinen eigenen Netzbetreiber hatte, und bald wurde die vierte Lizenz ausgeschrieben und an Viag vergeben. Ich war bei der Start-Pressekonferenz dabei, die Netztechniker von Viag telefonierten da noch mit E-Plus. Ein erstes Testnetz hatte Viag Interkom auf der ­Cebit 1998 eingeschaltet. Mit der Vorwahl 0176 und einer siebenstelligen (!) Rufnummer, die mit einer 0 anfing (zum Beispiel 0176-0123456), konnte ich erste Testverbindungen führen. Am 1. Oktober 1998 ging Viag Interkom an den Start, am 8. Oktober wurde für mich die erste SIM-Karte im Netz von Viag mit der Cityzone Ludwigshafen geschaltet, der Anschluss erhielt 2000 eine Genion-Festnetzrufnummer, beide Nummern sind bis heute aktiv.

Exkurs zu virtuellen Anbietern und Discountern

Ein Abstecher zum virtuellen Provider Vistream (im Netz von E-Plus) war relativ kurz, das Netz benannte sich später in Telogic um und ging spektakulär pleite, ich hatte das vorausgeahnt und schon vorher gekündigt.
Simyo ging im Jahr 2005 an den Start
Quelle: Simyo
Der Start von Simyo („Weil einfach einfach einfach ist“) im Netz von E-Plus läutete eine Preisimplosion ein und machte Mobiltelefonieren und Surfen erschwinglich und originell. E-Plus und damit auch Simyo landeten schließlich bei Telefónica Deutschland. Dort fand man das Konzept nicht so spannend und fusionierte Simyo zu Blau. Ich portierte meine Rufnummer kurz zuvor zu einem anderen Anbieter, wo sie heute noch ist.
2000 kam UMTS (Telecom-Handel-­Leser erinnern sich), ich war dabei. 2010 startete LTE, seit 2020 gibt es 5G und für 2030 wird 6G erwartet.
Nach vier Mobilfunknetzen gab es zwischendurch nur drei Netze und seit vergangenem Sommer wieder vier Netze, wobei alle gespannt schauen, wann 1&1 die ersten Sendestationen wirklich einschalten wird. Ich werde sicherlich auch dieses Mal mit dabei sein.




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