Interview
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Channel-Chef Ralf Hohaus 04.07.2023, 13:19 Uhr

Avaya: „In manchen Bereichen war Chapter 11 auch wie ein Katalysator“

Der Hersteller Avaya setzt auf eine Neustart – auch und vor allem im indirekten Vertrieb. So werde beispielsweise die IP-Office, das Mittelstandsprodukt von Avaya, nur mehr indirect vermarktet, erklärt Ralf Hohaus, Head of Channel Avaya Germany, im Interview.
Es waren turbulente Monate für den UCC-Spezialisten Avaya: Erst musste der Hersteller zum zweiten Mal Konkurs- und Gläubigerschutz nach dem US-Gesetz beantragen, dieses wurde im Mai abgeschlossen. In der Zeit hat der Hersteller aber auch die Weichen im indirekten Vertrieb neu gestellt – und einige Änderungen für seine Partner eingeführt. Die künftige Strategie und auch die Hintergründe erklärt Ralf Hohaus, Head of Channel Germany, im Interview.



Telecom Handel: Avaya hat im Mai Chapter 11 beendet, zum zweiten Mal schon. Haben Sie viele Projekte verloren?

Ralf Hohaus: Wir konnten uns natürlich in dieser Zeit nicht an Ausschreibungen beteiligen, und das schmerzt. Aber insgesamt sind wir gestärkt aus der Zeit hervorgegangen. Und in manchen Bereichen war Chapter 11 auch wie ein Katalysator und hat einige Entwicklungen vorangetrieben.



Können Sie ein Beispiel nennen?

Hohaus: Wir haben im indirekten Vertrieb an unserer Strategie gefeilt. Die IP-Office, unsere Lösung für den Mittelstand, wird ausschließlich über Partner vermarktet und nicht mehr über den Direktvertrieb. Das ist für uns eine gravierende Veränderung, denn es gab ja immer den Vorwurf, der Direktvertrieb würde den Partnern Konkurrenz machen.



Und dieser Schritt wurde auch schon früher angekündigt, aber am Ende nicht gelebt …

Hohaus: Wir haben unsere Prozesse und Tools so verändert, dass der Direktvertrieb die IP-Office gar nicht mehr verkaufen kann. Wenn der Direktvertrieb eine Anfrage von einem Kunden hat, wird diese über einen Partner beantwortet. Die ersten Projekte sind im November gestartet und im Mai war dann die offizielle Ankündigung.



Und was ist mit Bestandskunden, werden diese Partnern übergeben?

Hohaus: Ja, auch Bestandskunden werden in Zukunft von Partnern betreut, hierzu empfehlen wir unseren Kunden die committeten Avaya Business Partner.



Wie ist die Strategie im Aura-Umfeld, also im Enterprise-Bereich? Werden Sie da auch den Direktvertrieb zurückziehen?

Hohaus: Das ist vorerst nicht geplant, doch wir setzen auch hier zunehmend auf das Kooperationsmodell. Ob wir perspektivisch den Direktvertrieb komplett aufgeben, kann ich nicht beantworten.



Wird es denn von Avaya noch eine eigene Public Cloud-Lösung geben oder überlassen Sie diesen Bereich Ihrem Kooperationspartner RingCentral?

Hohaus: Es wird von Avaya kein eigenes Public Cloud-Angebot geben.



Sie vermarkten auch die Netzwerkprodukte von Alcatel-Lucent Enterprise, und ALE die Contact Center-Lösung (Avaya Experience Platform, AXP) von Avaya. Diese Kooperation läuft schon länger, wird sie auch in Deutschland gelebt? Hier sind Sie historisch ja starke Wettbewerber im CC-Umfeld …

Hohaus: Die Networking-Produkte werden über den Direktvertrieb angeboten, im Partnerumfeld weniger. Die meisten haben entweder einen direkten Vertrag mit ALE oder arbeiten hier mit einem anderen Hersteller zusammen. Die Vermarktung unserer AXP-Lösung über ALE-Partner ist schwieriger. Wie Sie ja schon sagten waren wir früher Wettbewerber. Wir sind aber in der Abstimmung mit den ALE-Partnern. In anderen Ländern wird diese Kooperation aber stärker gelebt.



Die AXP-Plattform steht zudem, so scheint es zumindest, im Zentrum Ihrer Entwicklung …

Hohaus: Sie ist sozusagen unser Nordstern, wir stecken in der Tat sehr viel Energie in die AXP. Da sehen wir auch die Zukunft, vor allem in der Verbindung zwischen Kommunikation und Künstlicher Intelligenz.



Dem Schlagwort der Zeit. Doch es scheint, als ob die Vorbehalte bei manchen noch sehr groß wären. Gilt das auch für Ihre Partner?

Hohaus: Zum Teil ja, wir sind aber ganz am Anfang dieser Entwicklung. Wir haben einige Partner, mit denen wir Einsatzszenarien austesten. Kommt es zu konkreten Kundenprojekten, versuchen wir auch, Partner miteinander zu verbinden, um den Entwicklungsaufwand zu reduzieren – und natürlich auch, damit sie von ihren jeweiligen Erfahrungen profitieren. Wir haben in Deutschland auch ein eigenes,

wenn auch kleines Entwicklungsteam. Mit Claudius sorgen wir zudem dafür, dass sich unsere Partner mit KI beschäftigen.



Und was ist das?

Hohaus: Claudius ist unser KI-Chatbot im Partnerbereich, der einfache Fragen beantwortet. Er wird gerade sukzessive ausgerollt. Technisch ist das vergleichsweise einfach gelöst: Wir haben unsere AXP-Lösung mit Salesforce verbunden. Wir entlasten damit unseren Support - der Vorteil ist aber auch, dass unsere Partner KI damit ausprobieren und erste Erfahrungen sammeln können.



Sie verantworten seit einem Jahr den Channel bei Avaya Deutschland. Was haben Sie seither noch angestoßen?

Hohaus: Wir haben an vielen Stellschrauben gedreht, vor allem haben wir aber unsere Fokussierung geändert. Früher war die Devise, möglichst viele neue Partner zu gewinnen – häufig war das aber nicht fruchtbar. Heute konzentrieren wir uns stärker auf die Partner, die mit uns gemeinsam wachsen wollen und arbeiten enger mit ihnen zusammen.



Sie lehnen aber wohl keine Partner ab …

Hohaus: Im Gegenteil, vor allem im Bereich Avaya Cloud Office (ACO), unserem gemeinsamen Angebot mit Ring Central, bekommen wir neue Partner.



Wie viele Partner haben Sie denn aktuell?

Hohaus: In der Resellersparte haben wir rund 150 Partner, im Agentenmodell haben wir um die 100 Partner. Im klassischen Bereich würden mir aber auch 80 Partner reichen, da sind viele dabei, die uns einmal im Jahr anbieten. Den Agentenbereich betreue verantworte ich erst seit einem Monat, aber auch da ist mir wichtig, dass wir ein starkes Commitment von unseren Partnern haben.



Werden Sie sich auch von Partnern trennen?

Hohaus: Ja, auch das wird geschehen. Hier schauen wir uns genau an, wie die Partnerbeziehung gelebt wird. Wenn wir erkennen, dass es keine Partnerschaft mehr ist, muss man sich auch mit allen Konsequenzen trennen.



Für die Vermarktung der ACO kooperieren Sie ja mit der Municall, deren Partner kennen das Agentenmodell und sind deshalb aufgeschlossener. Wie läuft dieser Bereich und soll er noch ausgebaut werden?

Hohaus: Das Geschäft mit Municall läuft gut, wir haben zudem einen neuen Vertrag mit 7Werk, das ist ein gerade erst gegründeter Distributor für Cloud-Produkte. Unsere klassischen Distributoren - Westcon, Komsa und Avad – vermarkten aber auch die ACO.



Bei denen läuft die Vermarktung aber nicht so gut, hört man zumindest. Deren Partner wollen unbedingt den Vertrag mit den Endkunden halten und haben kein Interesse am Agentenmodell …

Hohaus: Da leisten wir gerade Überzeugungsarbeit, auch mit dem Argument, dass das Agentenmodell auch in anderen Branchen immer mehr Verbreitung findet. Zudem können Partner mit Dienstleistungen noch immer ihre Verträge mit den Kunden abschließen. Einige Partner wollen dieses Modell jetzt zumindest ausprobieren.



Immer mehr Hersteller bieten alle ihre Lösungen im Subscription-Modell an, Partner können diese dann monatlich mit ihren Kunden abrechnen und müssen im MSP-Umfeld finanziell nicht mehr in Vorleistung gehen. Machen Sie das auch?

Hohaus: Wir bieten mittlerweile für alle Produkte ein Subscription-Modell an, das ist vor allem jetzt wichtig, da die Zinsen wieder gestiegen sind und Partner Probleme haben, Projekte vorzufinanzieren. Anfangs hatten wir dieses Modell nur für die Aura, mittlerweile gilt das auch für die IP-Office.

Telecom Handel

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