Marktreport Distribution 30.04.2013, 17:50 Uhr

Große Haie, kleine Fische

Mobile Devices, Smart Home und Cloud-Lösungen sind die aktuellen Trendthemen bei den Distributoren und Kooperationen.  
Die Preisschere geht immer weiter ausein­ander. Aus dem Wettbewerb der besten Produkte ist ein Kampf der besten Kanäle geworden." Aetka-Vorstand Uwe Bauer­ bringt auf den Punkt, was in den letzten Monaten so manchem Fachhändler – und auch Distributor – schlaflose Nächte bereitet haben dürfte: Die Frage, wie sich der indirekte Vertrieb aufstellen muss, um gegenüber der immer stärkeren Konkurrenz aus dem Internet bestehen zu können. Denn nicht nur E-Tailer wie Amazon und Co. machen den Resellern das Leben schwer, sondern auch die Direktvertriebs-Aktivitäten der Netzbetreiber, die nach wie vor Online-­Kunden gewisse Vorteile einräumen und diese so dem Handel entziehen.
Um zudem den anhaltenden Preis- und Margenverfall langfristig ausgleichen zu können, sind viele der von Telecom Handel befragten ITK-Großhändler nun bemüht, neue Betätigungsfelder für sich und ihre Reseller zu erschließen. „Händler müssen ihren Vermarktungshorizont erweitern, neue Produkte und Dienstleistungen sowie neue Absatzwege erschließen, um am schwieriger werdenden TK-Markt bestehen zu können", sagt beispielsweise Hakan Erdem, Marketingleiter von EinsAmobile.
Das Internet kann nicht beraten
Ein Segment im Privatkundenbereich, das in diesem Zusammenhang immer wichtiger wird, ist die Heimvernetzung. Ein Großteil der Distributoren sieht hier viel Wachstums­potenzial und gute Vermarktungschancen. „Gerade für den stationären Fachhandel ist es das ideale Produkt, um auch in Zukunft Geld zu verdienen", argumentiert ­Sabine Frisch, Marketing­chefin bei Herweck.­ Denn: Um den Kunden für Smart-Home-Lösungen zu begeistern, braucht es fundiertes Produktwissen, eine lebensnahe Präsentation der einzelnen Produkte und eine kompetente Beratung – alles das kann der Fachhandel im Gegensatz zu den Konkurrenten aus dem Internet leisten.
Doch auch im Geschäftskundenbereich liegt ein großes Potenzial, das nur darauf wartet, erschlossen zu werden. Der Toptrend sind hier zweifelsfrei Mobile Devices wie Smartphones oder Tablets – und die Nachfrage nach passenden Tarifen und Bring-your-own-Device-Lösungen steigt entsprechend. Weitere Trends im B2B-Geschäft sind Unified Communications and Collaboration (UCC) und Cloud-Services. Auch hier ist aufgrund des hohen Erklärungsbedarfs die Vermarktungskompetenz des Fachhandels gefragt, der mit Beratung und zusätzlichen Dienstleistungen punkten kann. Auch Distributoren wie Ingram Micro oder Also tragen dieser Entwicklung durch die Schaffung eigener Geschäftsbereiche und der Eröffnung spezieller Showrooms Rechnung.

Vermarktung von Services immer wichtiger

Generell gewinnt die Vermarktung von Services zunehmend an Bedeutung. „Der Fachhandel muss dem Kunden seine Beratungskompetenz darstellen – und sie in Bares­ verwandeln können", sagt Katrin Wilke­ von Eno Telecom. Distributoren wie Eno, Herweck und Aetka unterstützen ihre Händler dabei zum Beispiel durch Marketingaktionen, die die Beratung am PoS in den Vordergrund rücken.
Dass es für den stationären Handel trotz großer Online-Konkurrenz nicht ohne das Internet geht, haben die meisten Distributoren mittlerweile erkannt und geben ihren Resellern eigene Waffen an die Hand. Brodos setzt dabei zum Beispiel seit dem vergangenen Sommer auf die Zusammenarbeit mit dem E-Com­merce-Dienstleister StoreShip – Stichwort: online suchen, offline kaufen. Im Gegensatz dazu hat Eno mit seiner White-Label-Lösung einen Online-Shop für Fachhändler auf den Markt gebracht, der nach dem Baukastenprinzip funktioniert. Und auch die CE-Verbundgruppen Expert und ElectronicPartner haben das Thema Multichannel-Vertrieb in Angriff genommen.
Branche in Bewegung
Doch es sind nicht nur neue Themen, denen sich die Großhändler stellen müssen; auch strukturelle Veränderungen sorgen für Bewegung in der Distributionslandschaft. Besonders davon betroffen ist Itancia. Das Unternehmen beschäftigt heute nur mehr 20 Angestellte – im Frühjahr 2012 waren es noch 30 – und rund die Hälfte von ihnen ist neu dabei. „Das letzte Jahr war schwer", räumte Johann Roger, General Manager von Itancia Deutschland, im Gespräch mit Telecom Handel ein.
Hintergrund: Die ehemalige Partners in Europe wurde nach der Übernahme durch die französische Itancia-Gruppe im Jahr 2011 wegen unpopulärer Maßnahmen wie der Schließung des Lagers in Deutschland von vielen Händlern massiv kritisiert. „Was passiert ist, ist passiert. Jetzt muss die Zeit Wunden heilen", so Roger dazu. Nun will er gemeinsam mit seinem Team dar­an arbeiten, das Vertrauen in sein Unternehmen wiederherzustellen. Dazu sollen unter anderem diverse Fachhandelsaktionen und neue Herstellerpartnerschaften beitragen.
Herweck setzt indes auf Wachstum: Durch den Neubau eines Logistikzentrums will sich der Kirkeler Distributor räumlich vergrößern; zudem wurden im vergangenen Jahr weitere 20 Mitarbeiter eingestellt – vier davon sitzen im Ende 2012 gegründeten Vertriebsbüro in Fulda. Eno Telecom wiederum hat letzten Sommer seinen Vertrieb umstrukturiert. Dieser Maßnahme fiel der bisher klassisch organisierte Außendienst zum Opfer; nun setzen die Nordhorner auf Spezialistenteams, die die Handelspartner vor Ort und im Innendienst betreuen.
Auch Aetka-Chef Bauer ließ durchblicken, dass er die Verantwortlichkeiten innerhalb seiner Vertriebsmannschaft neu organisiert und konsolidiert habe. Insgesamt konnte die Komsa-Gruppe ihren Umsatz im laufenden Geschäftsjahr auf bislang über 800 Millionen Euro steigern.
Doch nicht für alle Player am Markt liefen die vergangenen Monate gut: So gingen die Berliner ITK-Group, die sich bei der Entwicklung einer eigenen Cloud-Lösung finanziell verhoben hatte, und jüngst der Großhändler B.Com in die Insolvenz.

Fressen und gefressen werden

Erst kürzlich sorgten zwei Übernahmen für neue Bewegung auf dem Distributionsmarkt. So hat Mobilcom-Debitel angekündigt, eine Mehrheitsbeteiligung an Motion TM übernehmen zu wollen. Eine weitere Akquisition wurde Anfang März 2013 bekannt: Die E-Commerce-Alliance hat sich Wap-Telecom samt der Tochtergesellschaften geschnappt, um sich im Smartphone- und Tablet-Geschäft zu positionieren.
Insbesondere machten jedoch die ITK-Broadliner Ingram Micro und Tech Data im letzten Juli mit spektakulären Übernahmen Schlagzeilen: So hat sich Ingram Micro mit Brightpoint – jetzt „IM.Mobility" – ein internationales Schwergewicht in der Mobility-Distribution gesichert. Für die nächsten Monate plant Gerhard Schulz, Vorstandsvorsitzender von Ingram Micro, eine „weitere Zusammenführung der Geschäftsmodelle", was bedeuten dürfte, dass der Broadliner sein Angebot im TK-Bereich deutlich erweitern wird.
Tech Data hat sich wiederum die Anteile von Brightstar am gemeinsamen Joint-Venture „Brightstar Europe" gesichert, das nun unter dem Namen „Tech Data Mobile" firmiert und schwerpunktmäßig in der Vermarktung von TK-Produkten über den IT-Channel aktiv ist. Mittlerweile soll der US-amerikanische TK-Großhändler Brightstar wieder Kurs auf Europa nehmen: Branchengerüchten zufolge verhandelt das Unternehmen mit der britischen 20:20-Mobile-Gruppe über eine mögliche Akquisition.
Während Tech Data und Ingram Micro mit ihrer Expanison im TK-Bereich von sich reden machten, sorgte bei Also Actebis ein radikaler Umbau des Managements für Aufsehen: Im ­Juni 2012 nahm CEO Klaus Hellmich überraschend seinen Hut. Auf ihn folgte Gustavo Möller-­Hergt, der wenig später im Handstreich das mittlere Management zugunsten einer neuen, vierköpfigen Geschäftsleitung strich. Im Zuge dessen verließ ­NT-plus-Chef Volker Flemming das Unternehmen. Auch sein Nachfolger Steffen Ebner hat Also – man trennte sich Anfang des Jahres vom Tradi­tionsnamen „Actebis" – zwischenzeitlich den Rücken gekehrt.
Worum es den Distributoren bei all ihren Umstrukturierungen jedoch wirklich geht, fasst Komsa-Vorstand Jürgen Unger zusammen: „Am Ende des Tages wird nur derjenige erfolgreich sein, der es am besten versteht, die Produkte und Lösungen von der Quelle mit größtmöglicher Durchschlagskraft an den Verbraucher zu bringen."
Eine Übersicht der Leistungen der Distributoren und Kooperationen finden Sie im Download-Bereich dieser Meldung!




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