Im Interview 13.07.2009, 10:04 Uhr

J. Herweck und D. Philippi reden Klartext

Trotz der Finanzkrise blicken die beiden Herweck-Chefs optimistisch in die Zukunft - Als großes Problem für den Handel sehen beide die fehlende Planungssicherheit und kritisieren plötzliche Provisionssenkungen der Netzbetreiber
Ein Jahr vor dem 25-jährigen Firmenjubiläum von Herweck sprach Telecom Handel mit den Firmenchefs Jörg Herweck und Dieter Philippi über die Zukunft des Distributors und über die Lage des Fachhandels in den jetzigen Krisenzeiten.
Telecom Handel: Die ganze Welt klagt über die Folgen der Wirtschaftskrise. Wie geht es dem Unternehmen Herweck in diesen schweren Zeiten?
Jörg Herweck: Wir erwarten bis Ende 2009 etwa 40 Prozent mehr Umsatz als im Jahr 2008, das entspräche knapp 150 Millionen Euro.
Telecom Handel: Da dürften einige Mitbewerber neidisch werden … Wie wollen Sie das erreichen?
Herweck: Wir haben zum einen 30 neue Arbeitsplätze geschaffen, die unsere Händler in Vertrieb und Beratung unterstützen, denn gute Beratung und persönlicher Kontakt sind gerade jetzt wichtiger denn je. Man rückt einfach näher zusammen, da kann und darf der Händler nicht einfach nur eine Nummer sein. Zum anderen kommt uns zugute, dass wir seit einiger Zeit unser Sortiment deutlich erweitert haben, zum Beispiel durch Flachbildfernseher und IT-Produkte, die umsatzstärker sind als die meisten Mobiltelefone. Auch die Vermarktung von T-Home Entertain sehe ich hier als großen Umsatzbringer - auch für den Handel.
Telecom Handel: Der große Erfolg lässt da aber noch auf sich warten ...
Herweck: Das stimmt, aber die Nachfrage steigt, davon bin ich fest überzeugt. Beim Start von DSL hat sich auch jeder gefragt, ob man schneller als mit ISDN ins Internet gehen muss, und mittlerweile ist es Standard. Die Kabelanbieter machen es derzeit vor, wie man mit Erfolg im angestammten Gebiet der Konkurrenz Kunden gewinnt, das kann die Telekom mit IPTV umgekehrt genauso.
Telecom Handel: Ein anderes Brennpunktthema ist das mobile Internet. Wie bewerten Sie den gegenwärtigen Hype um Netbooks, iPhone und Co?
Herweck: Wir verkaufen sehr viele iPhones, und ich halte die Idee für phantastisch, dennoch muss ich die Frage differenziert beantworten. Seien wir mal ehrlich, unbedingt braucht keiner ein mobiles Internet, dennoch ist es möglich, darum wird es gemacht. Und weil die Produkte existieren, werden künstliche Bedürfnisse geschaffen. Aber sind nicht fast alle Konsumbedürfnisse künstlich erzeugt? Oft sind die überflüssigsten Dinge die bestverkauften, siehe Coca-Cola und Videospiele.
Telecom Handel: Aber Dienste wie T-Home Entertain braucht man doch auch nicht unbedingt.
Herweck: Das würde ich so nicht sagen. Denken Sie an den Mehrwert wie zum Beispiel zeitversetztes Fernsehen oder den Wegfall der lästigen Anfahrt zur Videothek. Gerade für den Handel eröffnet sich mit der Vermarktung von Fernsehern, Festplattenrekordern und so weiter ein ganz neues Geschäftsfeld.
Telecom Handel: Besonders in Krisenzeiten taucht immer wieder die Frage nach der Zukunft des Fachhandels auf.
Dieter Philippi: Momentan ist es sicherlich für einige schwieriger, genug zu verdienen, um weiter als Selbständige arbeiten zu können. Aber das ist ja weiß Gott nicht die erste Krise, und gute Händler werden auch diese durchstehen.
Herweck: Die Auslese, die durch die Krise in gewissem Maß betrieben wird, hat aber auch etwas Positives: Die einzelnen Kuchenstücke des Marktes werden wieder größer.
Telecom Handel: Welches sind momentan die größten Probleme, die Sie von Ihren Händlern hören?
Herweck: Ein Punkt ist sicherlich die Unberechenbarkeit der Netzbetreiber. Wenn zur Halbjahresbilanz plötzlich Einsparungen gemacht werden müssen und diese sich dann auf die Händler-Provisionen auswirken, ist das ein gravierendes Problem. Oft werden Ebit-Probleme dann auf dem Rücken der Fachhändler ausgetragen, und das ist nicht in Ordnung.
Philippi: Es gibt fast nichts Schlimmeres für den Händler als fehlende Planungssicherheit. Wenn ich einen Partnershop eröffne und so von einem einzigen Netzbetreiber abhängig bin, treffen mich Veränderungen bei Provisionen und Boni natürlich umso härter. Stellen Sie sich vor, McDonalds sagt plötzlich, der Hamburger kostet 30 Cent mehr, da
gehen etliche Franchise-Nehmer innerhalb kürzester Zeit pleite.
Telecom Handel: Die Homeseller-Programme der Netzbetreiber helfen dem Handel in der derzeitigen Situation da auch nicht unbedingt weiter ...
Herweck: So ein Programm verschlingt ja auch Geld. Es müssen Hotline-Mitarbeiter abgestellt werden, die Homeseller benötigen Info-Material, das Ganze muss verwaltet werden et cetera. Um so etwas deutschlandweit zu etablieren, bedarf es eines immensen Aufwands. Wenn ich das alles nehme und dem Handel gebe, dann habe ich als Operator letztendlich mehr davon.
Telecom Handel: Die Anbieter führen als Entschuldigung an: Die anderen machen es, also müssen wir es auch tun.
Herweck: Trotzdem: Man kann ein Produkt auch überdistribuieren. Mit so einem Programm kannibalisiere ich mir am Ende die anderen Kanäle. Dasselbe Problem ergibt sich mit dem Direktmarketing im Haustürgeschäft. Das Geld sollte besser in den Handel investiert werden, das ist der zuverlässigste und billigste Kanal.
Telecom Handel: ... der aber gerade in jüngster Zeit einiges schlucken musste. Haben sich die Wogen bezüglich der Datenlöschung bei der Telekom denn mittlerweile wieder geglättet?
Philippi: Es gibt nach wie vor einige Händler, die dagegen protestieren, andere wiederum haben es akzeptiert und die Daten gelöscht.
Telecom Handel: Wurde das Image der Telekom bei den Händlern durch diese Aktion nachhaltig geschädigt?
Philippi: Kurzfristig sicherlich, aber die Telekom bietet nun einmal gute Produkte, und als Händler kommt man nicht am Marktführer vorbei. Deshalb werden vielleicht ein paar Fachhändler die Produkte der Telekom auslisten, der Großteil aber verkauft sie weiterhin. Etwas heftiger könnte sich die langsame Reklamationsbearbeitung auswirken. Denn das Problem hat die Telekom lange Zeit nicht ernst genommen und damit bestimmt etliche Händler vergrault. Aber auch an dieser Front spüren wir langsam Entspannung.
Telecom Handel: Neben den Reklamationen bei der Telekom sorgte auch der kürzlich gestartete Tarif O2o für
Unmut bei den Händlern.
Herweck: Für den Kunden ist ein solcher Tarif eine gute Idee. Mit zehn Euro Provision und einer Billsize-Beteiligung über Jahre hinweg kann der Händler aber kaum seine Miete und vielleicht sogar seine Mitarbeiter bezahlen. Deshalb bieten wir unseren Partnern eine Vorabauszahlung der Airtime an.
Telecom Handel: Für die Händler wird es auch immer schwieriger, Handys zu den Verträgen zu verkaufen, da die Netzbetreiber weniger stark subventionieren als früher.
Philippi: Wir bieten unseren Partnern deshalb demnächst einen Handykauf auf Raten an, sodass er dem Kunden ein neues Mobiltelefon für einen Euro mitgeben kann, und dieser zahlt es dann monatlich mit fünf oder zehn Euro ab. Der Partner für diese Lösung steht aber noch nicht fest.
Herweck: Man sieht auch am Beispiel Media Markt, dass bei den Kunden die Finanzierung auf zwölf oder mehr Monate momentan sehr gefragt ist. Gerade deshalb muss der Fachhandel etwas Gleichwertiges anbieten können.
Telecom Handel: Eine abschließende Frage: Wenn eine Musikband ihr 25-jähriges Jubiläum feiert, wird oft die Frage gestellt, ob sich die Bandmitglieder nach all den Jahren noch grün sind. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Herweck: Bei uns ist es zunächst einmal noch ein knappes Jahr hin bis zum Jubiläum. Wenn sich die Bandmitglieder nicht mehr grün sind, wird die Musik schlecht. Die Musik ist nicht schlechter geworden, und keiner hat eine Solokarriere eingelegt. Natürlich gibt es oft unterschiedliche Meinungen, und einige Themen werden kontrovers diskutiert, aber am Ende des Tages steht immer das Wohl des Unternehmens im Fokus.



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