Also/NT plus 24.10.2013, 11:20 Uhr

"Unsere Rolle ist die des Angreifers"

Umstrukturierungen und prominente Abgänge sorgten bei NT plus, der TK-Marke von Also, in den vergangenenen Monaten für Unruhe. Im Interview erläutern Matthias Lorz, Geschäftsführer Services bei Also und Chef von NT plus, sowie Lars Öhlschläger, Leiter der Business Unit Netzvermarktung, wie sich der Distributor neu aufgestellt hat.
Telecom Handel: Herr Lorz, Sie haben den Posten als Chef von NT plus vor einem halben Jahr übernommen, weil Ihr Vorgänger und weitere Mitarbeiter zur Konkurrenz gewechselt sind …
Matthias Lorz: Es stimmt, es gab im letzten halben Jahr viel Wirbel im Bereich der Netzvermarktung und es ist kein Geheimnis, dass uns drei Mitarbeiter aus zum Teil zentralen Positionen zu Komsa verlassen haben. Es hat eine Zeit gedauert, bis wir das mit unserer Organisation aufgefangen haben.
Lars Öhlschläger: Wir haben nun jedoch eine komplett neue Struktur geschaffen, die wir für deutlich näher am Kunden und am Markt halten. Dadurch sind die Entscheidungswege deutlich kürzer geworden…
Lorz: … und mit mir als Geschäftsführer sitzt die Entscheidung gleich im Haus (lacht).
Sie sind sowohl Geschäftsführer von Also als auch NT-plus-Chef. Hat NT plus damit einen neuen Stellenwert innerhalb des Also-Konzerns bekommen?
Lorz: NT plus und der Standort Osnabrück waren eine thematische Insel. Das musste sich ändern. In Zukunft werden wir die Marke NT plus viel stärker in den Vordergrund stellen und zeigen, was wir können und welches Know-how wir haben. Andererseits suchen wir mit den anderen Business Units nach Themen, die wir zusammen bearbeiten können. Und wenn wir über die gemeinsame Wertschöpfung sprechen, sind meist alle Seiten positiv überrascht.
Öhlschläger: Dafür haben wir ein Projektteam gegründet, das zuletzt zum Beispiel einen Laptop-Flyer entwickelt hat. Mit Unterstützung der entsprechenden Business Units in Soest haben wir eine Auswahl an Geräten getroffen, die wir mit Mobilfunktarifen gebundelt haben. Die Aktion kommt gut an, aber so mancher Partner aus dem TK-Bereich tut sich noch schwer damit. Für die IT-Händler ist wiederum die Netzvermarktung eine Herausforderung.
Warum ist es denn so wichtig, dass TK-Händler bis zu einem gewissen Grad lernen, wie IT-Reseller zu denken – und umgekehrt?
Öhlschläger: Jeder Händler muss für sich das Thema Konvergenz ein Stück weit mit tragen.
Lorz: Sowohl IT- als auch TK-Händler haben Kunden, die die Leistungen aus der jeweils anderen Seite anfragen. Wenn beides zusammenwächst, entstehen echte Mehrwerte. Wir sehen unsere Aufgabe darin, unsere Kunden untereinander besser zu vernetzen, damit beide Seiten voneinander lernen können.
Was tun Sie, um das zu erreichen?
Öhlschläger: Wir haben ein Treffen der Partnerbeiräte von NT plus und dem Also Network organisiert. Im Gespräch hat sich gezeigt, dass unsere TK-Vermarkter in der Konkurrenz durch die Etailer die größte Herausforderung sehen. Die IT-Händler sind wiederum schon seit Jahren mit dieser Situation konfrontiert und haben es mittlerweile gelernt, einen Nutzen daraus zu ziehen.

Von der Online-Konkurrenz profitieren

Das müssen Sie genauer erklären. Wie sollen sich stationäre Händler die Online-Konkurrenz zunutze machen können?
Lorz: Früher hat der stationäre Handel viele Bundles aus Soft- und Hardware verkauft.
Öhlschläger: ...heute ist nicht jeder, der sein Gerät im Internet gekauft hat, dazu in der Lage, es auch zu konfigurieren. Der Fachhandel kann also attraktive Servicepauschalen kassieren, ohne sich mit geringen Margen und hohem After-Sales-Aufwand ärgern zu müssen. Und so hilft Online dem stationären Handel. Das handhaben heute schon viele IT-Händler so, die TK-Branche hinkt, was das betrifft, noch etwas hinterher.
Lorz: Letztlich wird es in Zukunft für uns als Distribution und für den Handel kein Geschäft geben, wenn wir dem Kunden nur ein Produkt zum vermeintlich günstigsten Preis hinstellen. Die Zeiten sind vorbei, und mit dem iPhone haben wir das vermutlich letzte Killerprodukt gesehen. Beratungs- und Integrationsleistungen werden dagegen immer wichtiger. Wo wir heute Ware schnell zur Verfügung stellen, müssen wir künftig Lösungen schnell verfügbar machen.
Inwiefern kann der stationäre TK-Handel vom Geschäft mit Lösungen profitieren?
Lorz: Ich bin überzeugt davon, dass Beratung, Integration und Abwicklung in Zukunft für Distribution und Händler essenziell sein werden. Egal, ob wir von UCC-, Cloud- oder Mobile-Device-Management-Lösungen (MDM) sprechen. Der Fachhandel stöhnt darüber, dass die Kunden promiskuitiv sind und nur nach dem besten Preis fragen. Dafür gibt es im Lösungsbereich ganz neue Argumentationen.
Wie könnten diese denn aussehen?
Lorz: Es geht darum, dem Kunden konkrete Szenarien und Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Durch diese Beratungsleistung macht sich der Händler quasi unersetzbar. Wenn er dann noch einen Dienstleistungsvertrag abschließt, hat er vielleicht nicht den Millionen-Umsatz auf einen Schlag. Dafür aber ein sicheres Einkommen über einen längeren Zeitraum. Dazu kommt: Wir sprechen über ein vertrags- und provisionsgetriebenes Geschäftsmodell und darauf ist der TK-Handel von jeher spezialisiert.
Das klingt nach einer schönen Theorie. Wie aber sieht die Praxis aus? 
Lorz: Ich glaube, dass einige den Sprung zur Dienstleistung noch nicht geschafft haben. Der springende Punkt ist: Den Handel interessieren keine abstrakten Diskussionen über Zukunftsthemen, sondern die Frage, wie er seine laufenden Kosten decken kann. Daher müssen wir es den Händlern den Einstieg so einfach wie möglich machen und massiv in Schulungen für die Mitarbeiter investieren.

Gute Geschäfte mit Lösungen

Derzeit ist die Vermarktung von Lösungen wie beispielsweise zum Mobile Device Management (MDM) eher ein Geschäftsmodell im B2B-Bereich. Könnte daraus in Zukunft auch ein Trend für den Consumer-Bereich werden?
Lorz: Ich bin mir sicher, dass sich MDM auch im B2C-Bereich durchsetzen wird. Am Anfang sicherlich mit sehr abgespeckten Funktionalitäten. Aber solche Produkte wird der Handel mitverkaufen können wie eine Versicherung. Der große Vorteil liegt in den guten Margen, die bei solchen Services möglich sind, und die jeden Monat hereinkommen.
Der Handel ist also gut damit beraten, sich auf diese Entwicklungen einzustellen…
Lorz: Das klingt immer so nach einem erhobenen Zeigefinger. Das ist nicht so gewollt. Wir als Distributor müssen gut aufpassen, dass wir es uns mit unseren Partnern nicht dadurch verscherzen, dass wir eine Konzern-Position einnehmen. Das wäre ein großer Fehler.
Auch andere ITK-Distributoren sind im Lösungs-Bereich aktiv. Wie schätzen Sie den Wettbewerb ein?
Lorz: Natürlich schauen wir uns die Aktivitäten der Wettbewerber genau an. Aber was uns antreibt, ist nicht der Wettbewerb, sondern der Bedarf unserer Händler.
Öhlschläger: Unsere Stärke sehen wir darin, dass wir sowohl in der Netzvermarktung, als auch im IT-Bereich stark sind. Die Wettbewerber haben entweder die Netzvermarktungnicht im Fokus, oder es mangelt ihnen an starken IT-Partnern.
Wie sieht die Wettbewerbssituation ganz allgemein aus?
Öhlschläger: Es wird zwar aufs Jahresende hin schwerer werden, mit den Partnern Vereinbarungen für 2014 zu schließen. Wir sehen uns hieraber in einer Angreifer-Position nicht in der Rolle eines Verteidigers. Wir haben in der letzten Zeit für viel Ruhe gesorgt und zahlreiche Maßnahmen für unsere Händler umgesetzt. Daher können wir von einer gewissen Stärke ausgehen, die wir aktuell haben.
Was haben Sie neu eingeführt – und was steht für das kommende Jahr auf Ihrer Agenda?
Öhlschläger: Wir gehen neue Wege im Marketing und haben zum Beispiel eine Kooperation mit Kaufda geschlossen, die unsere Händler im Internet sichtbar macht. Ganz neu ist eine dreiteilige Facebook-Schulung und wir arbeiten an einem Konzept, dass den IT-Händlern den Einstieg in die Netzvermarktung ermöglicht. Außerdem wird unser Marketing-Team in Soest Pakete schnüren, die unsere Händler buchen können. Für 2014 planen wir einen Katalog mit Pauschalangeboten.




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