Marktübersicht TK-Anlagen 10.11.2009, 10:39 Uhr

Kleine Boxen für gute Geschäfte

Ein Großauftrag ist die neue Telefonanlage für daheim oder im Kleinbüro für den Fachhändler nicht – Mit Beratung und etwas Verkaufstalent kann aus dem Angebot der kleinen Box aber ein durchaus respektables Geschäft werden.
von Folker Lück
Man solle „die einzige Telefonanlage mit Zukunft“ kaufen, warb der Voice-over-IP-Spezialist Swyx jahrelang recht forsch für seine softwarebasierte Lösung. Die Telefonie via Software und PC ist zwar unbestreitbar auf dem Vormarsch, doch gerade für den Einsatz vor allem im Privatbereich oder in sehr kleinen Gewerbebetrieben mit einem oder zwei Mitarbeitern sieht die Realität noch ganz anders aus: Hier dominieren weiterhin Hardware-Boxen, die meist echte Alleskönner sind. Sie managen nicht nur Telefonate, sondern auch die Internetverbindung und die interne Vernetzung.
Ein verschenktes Geschäft
Für den qualifizierten Fachhandel ist dieses Marktsegment (zugegeben) nicht ganz einfach zu bearbeiten, denn der Wettbewerb durch den Internetvertrieb der Netzbetreiber und deren Shops – oft in horrend teuren Citylagen – ist groß. Auch Flächenmärkte stellen eine mächtige Konkurrenz dar, vor allem dann, wenn es dem Kunden ausschließlich um die Beschaffung billiger Hardware geht.
„Verirrt“ sich dennoch ein Kunde zum Fachhändler, ist dessen Engagement manchmal ganz bewusst begrenzt: „Meist überrede ich den Kunden gezielt zum Betreiberwechsel, und dann erhalte ich relativ unkompliziert eine Provision für den neuen Vertrag “, berichtet beispielsweise ein Händler aus dem Ruhrgebiet. Umfangreiche Beratung lohne sich für ihn hier nicht, denn Router respektive Telefonanlage kommen fast immer direkt vom Netzbetreiber. „Nur um vielleicht noch ein DECT-Telefon oder ein kleines Faxgerät zusätzlich zu verkaufen, investiere ich nicht eine halbe Stunde Beratungszeit“, meint der Ladenbesitzer lapidar.
Erfahrene Fachhändler hören beim Verkaufsgespräch mit dem Kunden jedoch sehr schnell heraus, ob nicht vielleicht doch ein etwas größerer Auftrag herausspringen kann: Will der Interessent wirklich nur den Provider wechseln, weil ihm die letzte Telefonrechnung zu hoch war? Oder geht es vielleicht auch darum, einen Internetanschluss im Hobbyraum unter dem Dach einzurichten, den der WLAN-Router nicht erreicht?
Und: Recht häufig ist der vermeintliche Privatkunde im Laden tatsächlich ein Steuerberater, Anwalt oder ein anderer Freiberufler, der gerade eine Lösung für sein neues Büro sucht. In solchen Fällen wäre es töricht vom Verkäufer, allein an die vermeintlich margenschwache Telefonanlage zu denken. Denn oft geht es auch um die Vernetzung mehrerer PCs, um eine vernünftige Backup-Lösung, um eine neue Türsprechanlage oder ein Alarmsystem.

Marktübersicht TK-Anlagen: Kleine Boxen für gute Geschäfte

Noch immer eine Domäne der Händler
Generell gilt: Dass der Fachhandel auch im Bereich der ganz kleinen Systeme von Bedeutung sein kann, ist auch den Herstellern und Netzbetreibern sehr bewusst: „Hier kann der Fachhändler sein Know-how und seine Kundennähe als Stärke ausspielen“, meint etwa Volker Schiecke, Leiter Channel Marketing bei Vodafone Deutschland. Der Fachhandel sei auf lokaler Ebene bestens vernetzt und kenne den Bedarf seiner Kunden genau. „Hat der Händler die richtige Lösung zur Hand, kann er schnell überzeugen – und verkaufen“, ist Schiecke überzeugt.
Bei der Deutschen Telekom sieht man das ganz ähnlich, grenzt das Geschäft für den stationären Handel jedoch klar ab: „Die Vermarktung kleiner TK Anlagen erfordert einen hohen Beratungsbedarf. Dafür haben die Fachhändler gute Voraussetzungen“, sagt Patrick Molck-Ude, Leiter Vertrieb Geschäftskunden, Deutsche Telekom AG. Für größere Lösungen sieht der Telekom-Mann den Handel allerdings nicht in vorderster Front: „Bei professionellen TK-Systemen für kleine Unternehmen bis 30 Büroarbeitsplätze intern ist der Direktvertrieb des Bereichs Deutsche Telekom Geschäftskunden sicherlich für die Kunden als Ansprechpartner erste Wahl“, glaubt Molck-Ude.
Dem widerspricht allerdings Lutz Hirschmann, Marketingleiter des Bielefelder Herstellers Agfeo, vehement: „Der Fachhandel ist bei sehr kleinen TK-Anlagen unter fünf Teilnehmern aus dem Rennen. Bei über fünf Teilnehmern spricht die gezielte Auswahl von System-Endgeräten, Telefoniesoftware und professioneller Konfiguration und Installation für den Fachhandel“, ist Hirschmann überzeugt. Neben dem Direkt-Angebot der Netzbetreiber und Provider sieht man bei Agfeo im Bereich der ganz kleinen Telefonsysteme aber auch die Flächenmärkte und den Online-Handel als Konkurrenz für den Handel vor Ort an.
Verdienstchancen im höherpreisigen Segment
Indes: Manche aktuellen Lösungen für Privathaushalte und den SoHo-Bereich kosten den Endkunden kaum mehr als hundert Euro – entsprechend dünn ist dann der Verdienst für den Handel. Die Anbieter Agfeo, Auerswald, Funkwerk (Elmeg) und auch die Deutsche Telekom haben allerdings auch größere Systeme im Angebot (siehe Tabelle), die teilweise mit 600 Euro und mehr zu Buche schlagen und gute Verdienstmöglichkeiten bieten. Die Zielgruppe dafür sind dann jedoch in erster Linie Kleinbetriebe wie Arztpraxen oder Anwaltskanzleien mit mehreren Mitarbeitern.
Doch es gibt auch Ausnahmen: Der technisch interessierte Häuslebauer kann ebenfalls potenzieller Käufer eines solchen Systems sein. Etwa dann, wenn aufgrund der EIB-Schnittstelle (Europäischer Installationsbus) auch die Haustechnik mittels der Telekommunikations-Anlage gesteuert werden kann. Eine solche Lösung bietet beispielsweise der Bielefelder Hersteller Agfeo mit seiner aktuellen Anlage „AS 181 plus EIB“ an.

Marktübersicht TK-Anlagen: Kleine Boxen für gute Geschäfte

Universal- oder doch eine Modul-Lösung
Grundsätzlich aber entwickeln sich die kleinen TK-Anlagen immer mehr zu Alleskönnern, die sich einfach über den Webbrowser einrichten lassen und neben den Analog-/ISDN- oder IP-Telefonanschlüssen auch den Internetzugang und/oder die interne Vernetzung managen. Das beste Beispiel für „Vollausstattung“ ist die „Fritz Box Fon WLAN 7270“ des Marktführers AVM, die serienmäßig über WLAN- und DECT-Konnektivität verfügt.
Ein Novum in der Einsteiger-Preisklasse der Telefonanlagen: Der Düsseldorfer Netzbetreiber Vodafone bietet bei seiner „Surf Sofort“-Lösung auch eine GSM/UMTS-Anbindung, die beispielsweise beim Ausfall der Festnetzleitung zum Einsatz kommen kann und so als Backup-Anbindung fungiert. Aber auch die traditionellen TK-Anlagen-Hersteller Agfeo, Auerswald, Funkwerk und Tiptel warten mit großer Funktionalität auf. Sie setzen dabei allerdings stark auf Modularität der Modelle: Nicht jedes der Systeme wird von den Herstellern serienmäßig mit WLAN-Antenne oder DECT-Modul geliefert – kann aber optional so ausgerüstet werden.
Unified Communications auch für den SoHo-Bereich
Welche technischen Features in den nächsten Jahren bei den kleinen TK-Systemen hinzukommen werden, beurteilen die Hersteller unterdessen insgesamt recht ähnlich: Die Voice-over-IP-Nutzung wird bei Bürogemeinschaften und größeren Privathaushalten deutlich zulegen. Und selbst für ganz kleine Businessanwender wird zudem Unified Communications ein immer wichtigeres Thema. Außerdem sollen die TK-Anlagen trotz ihres größeren Leistungsumfangs einfach konfigurierbar und bedienbar bleiben. Und: Was der Endkunde nicht selbst einrichten kann, sollte der Handel problemlos bewältigen.

Checkliste: Effizient verkaufen

Diese Punkte sollten Händler beim Verkauf von Telefonanlagen für Privatkunden/SoHo im Kundengespräch abklären:
  • Benötigt der Kunde nur neue Hardware (etwa wegen Defekt), oder will er auch den Netzbetreiber/Provider wechseln?
  • Wird das neue System rein privat verwendet, oder handelt es sich bei dem Kunden um einen Kleinbetrieb/Freiberufler etc.?
  • Wenn Privatkunde: Werden noch DECT-Telefone oder Tischtelefone benötigt? Sollen der/die PCs per WLAN oder Kabel angeschlossen werden? Wie groß ist die Räumlichkeit (Fläche, Anzahl/Etagen, Beschaffenheit der Wände)? Soll auch Unterhaltungselektronik (MP3-Player, Internetradio etc.) eingebunden werden? Ist eine Gegensprechanlage vorhanden? Besteht Interesse an der Einbindung von Haustechnik (z.B. Alarmanlage, Thermostate etc.)?
  • Wenn SoHo-Kunde: Wie viele Nebenstellen werden benötigt? Wie viele Tischtelefone/ DECT-Telefone sind notwendig? Wie sieht es mit weiteren Endgeräten aus (z.B. Fax)? Soll jeder Mitarbeiter einen persönlichen Anrufbeantworter nutzen können? Sollen auch Mobiltelefone eingebunden werden? Wie viele PC-Arbeitsplätze gibt es? Werden ein Ethernet-Netzwerk und/oder ein WLAN benötigt? Ist eine sichere Verbindung zu einem (anderen) Firmennetzwerk (VPN) vorhanden oder wird sie benötigt? Wie groß ist der Büroraum bzw. das Firmengelände (Abdeckung DECT/WLAN)? Sollen einzelne/ alle Mitarbeiter durchgängig erreichbar sein (Unified Communications)?



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