Degen 07.08.2009, 15:39 Uhr

?Das Rennen ist noch offen?

Trotz Nokias Neuordnung von Distribution und Repair bleibt der Heilbronner TK-Distributor zuversichtlich – Kein Vollsortimenter, kein Nischenanbieter: Degen sieht sich mit seinem Portfolio gut aufgestellt – Ein neues Warenwirtschaftssystem soll die Händler unterstützen
Bühne frei: Ingo Degen ist neuer geschäftsführender Gesellschafter des TK-Distributors Degen. Die Firma feiert ihr 60-jähriges Jubiläum und stellt ein neues Warenwirtschaftssystem vor. Grund genug für Telecom Handel, sich bei dem neuen Mann an der Spitze über die derzeitige Lage des Unternehmens zu erkundigen – insbesondere vor dem Hintergrund der Umstrukturierungen bei Nokia.
Telecom Handel: Sie haben drei Jahre lang Fachhandelsluft geschnuppert und sind erst kürzlich wieder „nach Hause“, zu Degen, zurückgekehrt. Lief der eigene TK-Shop nicht mehr?
Ingo Degen: Ganz und gar nicht. Mein eigener Mobilfunk-Shop, IDE.Vision, in der Heilbronner Innenstadt besteht weiterhin. Ich bin nach wie vor Inhaber, habe zwei Mitarbeiter und bin regelmäßig vor Ort. Den Laden habe ich damals aufgebaut, mein ganzes Geld und Herzblut hineingesteckt. Daher ist mir der Laden immer noch sehr wichtig. Außerdem läuft der Laden so gut, dass ich ihn nicht aufgeben will.
Telecom Handel: Und Ihre Ware haben Sie dann immer bei Ihrem Vater Peter Degen bezogen?
Degen (schmunzelt): Unter anderem – aber auch überall dort, wo sie ansonsten verfügbar war und der Preis passte, beispielsweise war ich auch Aetka-Partner. Drei Jahre lang Konkurrenzbeobachtung – sozusagen.
Telecom Handel: Warum denn das?
Degen: Die alte Geschichte: eine typische Vater-Sohn-Beziehung, in der man auch mal die Ellenbogen ausfährt und eigene Wege gehen muss. Oder anders ausgedrückt: Um meinem Vater die Entscheidungsfindung zu erleichtern, habe ich mich einfach drei Jahre lang selbstständig gemacht – um dann auch wieder heimzukehren.
Telecom Handel: Wie kam denn der Schritt zurück ins Familienunternehmen zustande?
Degen: Der Schritt zurück war immer klar. Es ging nur um den richtigen Zeitpunkt. Die Firma gibt es ja bereits seit 60 Jahren, und schon als kleines Kind habe ich meinem Opa hier geholfen. Von daher war ich mir schon seit frühester Kindheit sicher, dass ich später hier arbeiten will und werde.
Telecom Handel: Ihr Vater ist aber noch aktiv im Unternehmen?
Degen: Jein. Mein Vater hat sich vor vier, fünf Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Mittlerweile ist er noch zweimal die Woche im Büro und steht mir beratend zur Seite. Im September geht er dann in seine wohlverdiente Rente.
Telecom Handel: Gibt es noch manchmal Meinungsverschiedenheiten – vor allem jetzt, wo der Sohn der Chef im Hause ist?
Degen: Natürlich ist man nicht immer der gleichen Meinung, aber er lässt mich meine eigenen Entscheidungen treffen. Immerhin hatte er selbst 30 Jahre lang als Geschäftsführer das Zepter in der Hand und aus dem Unternehmen das gemacht, was es heute ist. Er hatte den richtigen Riecher und ist gleich zu Beginn in das Mobilfunkgeschäft eingestiegen. Und jetzt ist es eben die richtige Zeit, loszulassen und dem Sohn das Ruder zu übergeben.
Telecom Handel: Was kennzeichnet denn die neue Ära?
Degen: Ich bin anders als mein Papa, da laufen die Dinge automatisch anders. Was ich aber bereits getan habe: Ich habe einen Teil unserer CSC-Shopkette geschlossen. Von ehemals zwölf Shops bestehen jetzt nur noch zwei. Dieser Expansionskurs war Ende der 1990er richtig, ist aber nicht unser Kerngeschäft – das ist und bleibt die Distribution.
Telecom Handel: Hatten Sie eigentlich einen schweren Start als „Sohn von“?
Degen: Alles in allem hatte ich einen guten Einstand. Aber es gab natürlich auch Mitarbeiter, mit denen funktionierte die Zusammenarbeit unter den neuen Vorzeichen nicht, und man musste sich trennen. Die Schlüsselpositionen im Unternehmen habe ich neu besetzt und mit Rüdiger Kriete als Vertriebsleiter und Christian Strube als Einkaufsleiter ein glückliches Händchen gehabt. Mittlerweile haben wir übrigens 99 Mitarbeiter und damit mehr als zu meinem Start. Das gesamte Team arbeitet jetzt außerordentlich gut zusammen.

?Das Rennen ist noch offen? (Teil 2)

Telecom Handel: Und Ihr Führungsstil – ist der auch anders als der Ihres Vaters?
Degen: Das kann ich selbst nicht beurteilen. Ich kann nur sagen, worum es mir vor allem geht: um Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Loyalität. Das ist aber auch meine Erwartungshaltung an den Handel. Apropos Glaubwürdigkeit: Dadurch, dass ich selbst jahrelang im Shop stand und ein klassischer Handyverkäufer war, habe ich eine gewisse Glaubwürdigkeit. Außerdem weiß ich dadurch, worum es draußen am Markt geht.
Telecom Handel: Worum geht es denn Ihrer Meinung nach derzeit draußen am Markt?
Degen: Der Markt ist definitiv härter geworden, der Markt ist ja auch satt. Man muss neue Ideen haben, sich etwas einfallen lassen, dann kann man aber nach wie vor Geld verdienen. Auf Kreativität und Flexibilität kommt es an. Bestandskundenpflege ist natürlich auch wichtig.
Telecom Handel: Stichwort Bestandskunden-Management: Das wird den Händlern ja derzeit durch den einen oder anderen Netzbetreiber erschwert, siehe die Datenlöschung bei T-Mobile.
Degen: Ja, da haben Sie recht. Die Situation ist für viele Fachhändler existenzbedrohend.
Telecom Handel: Wie wollen Sie als Distributor Ihre Händler unterstützen?
Degen: Ein Beispiel ist unser neues Warenwirtschaftssystem, das unsere Händler ab Ende des Jahres nutzen können. Dabei handelt es sich um ein offenes System, das für jeden unserer rund 500 Fachhandelspartner frei zugänglich ist. Die Finanzierung erfolgt über einen Leasing-Vertrag. Die Nutzung wird teilweise durch die Verrechnung mit dem WKZ-Konto auch kostenfrei möglich sein. Auf die Lösung hat auch Nokia sehr großen Wert gelegt, um die Dienstevermarktung weiter zu pushen.
Telecom Handel: Inwiefern?
Degen: Bei einem Warenwirtschaftssystem kann man beispielsweise eine Funktion einbauen, die den Fachhändler am Ende des Kassiervorgangs daran erinnert, dem Endkunden zusätzliche Dienste anzubieten.
Telecom Handel: Wenn wir schon beim Thema „Nokia“ sind: Einen guten Teil Ihres Umsatzes haben Sie in der Vergangenheit mit Ihrem Repair-Center gemacht. Wie hart trifft Sie die Neustrukturierung des Nokia-Service-Netzwerkes?
Degen: Der Service-/Repair-Vertrag mit Nokia wurde gerade wieder um ein Jahr verlängert. Die Planungssicherheit ist damit natürlich trotzdem schwierig – für mich und für weitere Investitionen. Denn ich habe 35 Service-Techniker im Repair-Center sitzen, die Arbeit haben und bezahlt werden wollen. Vor diesem Hintergrund gibt es kein anderes Wort als „schwierig“. Hinzu kommt, dass Banken heutzutage Liquiditäts- und Rentabilitätspläne bis ins Jahr 2500 sehen wollen (schmunzelt). Bislang wurde der Vertrag zwar immer wieder um ein Jahr verlängert, aber man kann nicht von vorneherein davon ausgehen, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.

?Das Rennen ist noch offen? (Teil 3)

Telecom Handel: Und die Überprüfung der deutschen Distributionspartner durch Nokia – haben Sie Angst vor der Bekanntgabe?
Degen: Da haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Wir waren die ersten mit Nokia-Distributionsvertrag, wir sind sehr Nokia-lastig. Die Entscheidung müssen wir jetzt einfach abwarten. Unter den Distributoren waren wir vor kurzem auf den vorderen Plätzen beim Nokia-Umsatz. Wir brauchen uns nicht hinter den Großen zu verstecken. Trotzdem ist das Rennen noch offen, wir wissen nicht, welche Kriterien letztendlich ausschlaggebend sein werden. Wenn man 15 Jahre lang mit einer Firma zusammenarbeitet, damals noch als Nokia-Systemcenter, und eine Marke zusammen mit den Fachhändlern im deutschen Markt etabliert, dann ist man in der jetzigen Situation schon sehr gespannt, was passieren wird.
Telecom Handel: Ist da die neu geschlossene Kooperation mit Kabel Deutschland der Versuch, sich breiter aufzustellen und die Abhängigkeit vom ohnehin schwierigen Mobilfunk-Geschäft zu verringern?
Degen: Grundsätzlich sind wir offen für alles – aber es muss zu unserer Firmenphilosophie passen. Ich habe nicht das Ziel, zum Vollsortimenter zu werden. Nur damit nachher 70 Logos auf meiner Homepage stehen, die zeigen sollen, was ich alles kann und mache. Das ist nicht der richtige Ansatz, auch wenn das der Ansatz vieler anderer Distributoren ist. Wir setzen lieber auf Klasse statt Masse, auf Qualität statt Quantität. Trotzdem sehe ich mich nicht als Nischenanbieter. Denn neben Mobilfunk-Hard- und Cardware haben wir auch Festnetzverträge oder Navigationsgeräte im Portfolio. Wir bieten das Gleiche an wie andere, nur nicht in dem Umfang.
Telecom Handel: Man hört, dass auch eine Kooperation mit Siga Telecom, ihrem Nachbar-Distributor in Heilbronn, geplant war …
Degen: Das ist richtig. Es war vor rund einem Jahr angedacht, eine Einkaufskooperation zu bilden und Siga Telecom unseren Reparaturservice anzubieten. Erste Gespräche mit dem Siga-Telecom-Chef Ayhan Sentürk hatten damals bereits stattgefunden.
Ähnliche Gespräche gab es im Übrigen auch mit The Phone House oder NT plus. Letztendlich haben wir dann aber doch nicht den Weg zueinander gefunden – zumal ich damals gerade erst Geschäftsführer geworden bin und eine Menge andere Dinge zu tun hatte.
Telecom Handel: 60 Jahre Degen: Gibt es in fünf Jahren, beim 65-jährigen Jubiläum, immer noch einen Grund zum Feiern?
Degen: Natürlich. Für uns als Distributor sehe ich im Markt nach wie vor Potenzial, sodass wir auch in fünf Jahren noch gut dastehen werden. Der eine Händler schaltet bei Komsa, der andere bei Herweck und wieder ein anderer bei uns.
Wie in jeder Branche wird das Geschäft zwischen Menschen gemacht. Deshalb wähle ich mein Team sehr gut aus und höre dabei auf mein Bauchgefühl. Ich bin ein Bauch-Mensch. So habe ich auch Rüdiger Kriete und Christian Strube ausgewählt und ein branchenerfahrenes, schlagkräftiges Team zusammengestellt – und wir haben alle dicke Bäuche.



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