Marktreport ITK-Distributoren 30.03.2010, 09:45 Uhr

Die Ruhe vor dem Sturm

Nokia und E-Plus geben mit der Straffung ihrer Vertriebsstruktur die Marschrichtung für eine Konsolidierung des Distributionsmarktes vor. Derzeit sind aber noch wenig Auswirkungen auf die Großhandelslandschaft spürbar.
Sonnige Aussichten für die IT- und TK-Distribution? Geht es nach dem Branchenverband Bitkom, so hellt sich die Stimmung in der ITK-Branche deutlich auf: 59 Prozent der IT- und TK-Unternehmen in Deutschland erwarten im ersten Quartal 2010 ein Umsatzplus. Für den TK-Bereich allein erwartet die Bitkom-Prognose jedoch einen leichten Umsatzrückgang in Höhe von 1,1 Prozent auf 63 Milliarden Euro. „Den Markt für Telekommunikation bestimmen strukturelle Veränderungen“, sagt Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer dazu – und er ergänzt: „Die Umsätze mit Sprachdiensten sinken, und die Umsätze mit Datendiensten steigen rasant.“ Das mobile Internet legt zu – und mit ihm der Verkauf von Smartphones, Note- und Netbooks.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen auch die von Telecom Handel befragten IT- und TK-Distributoren. „2010 ist ganz klar das Jahr des Smartphones. Der Markt für Smartphones und Apps boomt dank der immer schneller werdenden mobilen Datennetze. Das Trio aus leistungsfähigen Smartphones, Apps und mobilen Datennetzen wird dem gesamten TK-Markt zu neuem Wachstum verhelfen“, meint beispielsweise Stefan Vitzithum, Vorstand Einkauf und Produkte bei Brodos. Apropos Apps: Das iPhone vom Design- und Lifestyle-Vorreiter Apple hat hier sicherlich neue Maßstäbe und Impulse gesetzt – auch darin sind sich viele Großhändler einig. „Mit diesem Erfolg hat Anfang letzten Jahres wohl kaum jemand gerechnet“, bestätigt Stefan Büttner, Vertriebsleiter national bei Wap Telecom.
Also im Grunde alles eitel Sonnenschein? Nicht ganz. Denn „strukturelle Veränderungen“ gibt es nicht nur bei dem Verhältnis von Sprach- zu Datendiensten, wo Bitkom-Präsident Scheer sie ausmacht. Diese zeigen sich auch in der Distribution – nicht immer zur Freude der Betroffenen. So haben die neuen Distributions- und Servicestrukturen von Nokia sowie die neuen Distributions- und Tarifstrukturen von E-Plus und – damit einhergehend – die Reduzierung ihrer direkten strategischen Partner für Aufregung gesorgt. Und das nachhaltig: Auf die Frage „Was bewegt die Branche?“ nennen – auch heute noch – rund zwei Drittel der befragten Unternehmen diese Maßnahmen. „Man wird sehen, was die Konsolidierung der Hersteller (Nokia) und Netzbetreiber (E-Plus) auf wenige Partner dem Markt beschert und welche Auswirkungen dies vor allem auf Distributoren im ,Me-too‘-Segment mit hohem Aufwand und hohen Kostenblöcken hat“, so TelePart-Chef Frank Reimann.
Download: Übersichtstabelle mit wichtigen Firmendaten der mehr als 40 ITK-Distributoren.

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Die Konsequenz der Konvergenz
Welche Folgen diese Entwicklung etwa für NT plus haben wird, steht noch in den Sternen. Klar ist: Im „Wettbewerb“ um die Nokia- und E-Plus-Partnerschaften hatte der Osnabrücker TK-Distributor das Nachsehen, Konkurrent Komsa hatte stattdessen den Zuschlag bekommen. Kein E-Plus- und kein Nokia-Direktvertrag, Personalabbau im Privat- und Geschäftskundenvertrieb, Querelen um den damaligen Eigentümer Arques Industries, nur noch ein siebter Platz bei der Telecom Handel-Leserwahl zum „Distributor des Jahres“ – die Schlagzeilen waren für NT plus im vergangenen Jahr nicht sehr positiv.
2010 könnte sich das Blatt wenden: Zum einen hat die Actebis-Gruppe, zu der neben Actebis Peacock auch NT plus gehört, seit August 2009 mit Droege Capital einen neuen Eigentümer, der in Branchenkreisen als deutlich solider gilt als der bisherige Gesellschafter, das umstrittene Starnberger Beteiligungsunternehmen Arques. Zum anderen hat sich NT plus für 2010 viel vorgenommen: So hat das Unternehmen schon jetzt einen neuen Distributor für den PMR-Systemvertrieb als Schwesterunternehmen gegründet sowie ein neues Teleprofi-Konzept für den Fachhandel aufgelegt. Die Weichen scheinen also gestellt, und vielleicht wird auch die kommende Channel Trends+Visions, die gemeinsame Handelsmesse von NT plus und Actebis Peaock, noch deutlicher zeigen, wohin die Reise gehen soll.
Unterdessen konnte Komsa seine Stellung als Branchenprimus der TK-Distribution auch 2009 weiter festigen – dank der konsequenten Fokussierung der drei Unternehmensbereiche Distribution, Dienstleistungen und Reparaturservice. Im Bereich Distribution profitiert der Großhändler sicherlich auch von dem „Hauptkunden“ und Tochterunternehmen Aetka. Die Hartmannsdorfer Fachhandelskooperation konnte 2009 120 neue Mitglieder hinzugewinnen und zählt damit aktuell 2.340 Partner. „Unser selbst gestecktes Ziel war es, dem freien Fachhandel eine Heimat zu geben. Dieses Ziel haben wir erreicht – laut GfK ist jeder dritte freie Fachhändler Mitglied bei uns“, sagt Aetka-Vorstand Uwe Bauer nicht ohne Stolz.
Darüber hinaus stand 2009 die Portfolioerweiterung auf dem Programm – sowohl bei Aetka als auch bei Komsa selbst. So haben Aetka-Partner nun aufgrund einer Kooperation mit dem IT-Hersteller und -Distributor Bluechip die Möglichkeit, PCs, PC-Komponenten und Peripherie zu ordern. Komsa wiederum bietet seinen Handelskunden sowie Aetka-Partnern über ein Streckengeschäft mit Ingram Micro mehr als 2.500 IT-Artikel aus dem Sortiment des Dornacher Distributors. Der Trend in Hartmannsdorf, um der zunehmenden Konvergenz zu begegnen: keine Zu- oder Verkäufe, sondern Kooperationen und Vertriebsvereinbarungen.

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Einen anderen Weg ist Tech Data gegangen: Bereits im Februar 2007 hatte der Münchner Broadliner zusammen mit dem US-amerikanischen Mobility-Distributor Brightstar ein Joint Venture gegründet – sein Name: Brightstar Europe. Nach einem Fehlstart in Deutschland belebte Tech Data seine Mobility-Ambitionen 2009 wieder – mit Ex-NT-plus-Vorstand Axel Grellhorst an der Spitze. Seitdem arbeitet das rund 25 Mann starke Team in Georgsmarienhütte daran, neue Partner – vor allem aus dem Tech-Data-Kundenstamm – zu gewinnen.
Dass böse Zungen behaupten, Brightstar Europe sei im Markt praktisch nicht wahrnehmbar und könne bislang nur acht Kunden vorweisen – Volumenvermarkter wie beispielsweise Amazon, Otto und Norma –, weist Alexander Wolf, Director Marketing & Specialty Trade, zurück: „Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir bei unserem Geschäftsaufbau mit den Key-Account-Kunden begonnen haben. Unsere Hauptstoßrichtung – und auch das ist kein Geheimnis – sind die IT-Kanäle, die wir ständig weiter ausbauen. Schon heute bedienen wir hier mehrere hundert Partner aus dem Fachhandels- und Systemhausumfeld. Dass dies im TK-Umfeld vielleicht nicht so stark wahrgenommen wird, ist wenig verwunderlich.“ Wie dem auch sei, zumindest kann das Unternehmen einen der raren Nokia-Distributionsverträge in die Waagschale werfen.
Neue Akteure auf der Distri-Bühne
Von der Nokia-Distributionsauslese konnte auch ein anderer Player profitieren: die Ende 2009 aus der Taufe gehobene Distributionsmarke von The Phone House (TPH) – MobileWorld Distribution. TPH – beziehungsweise MobileWorld – konnte aber nicht nur Nokia überzeugen: Auch bei E-Plus dürfen sich die Münsteraner fortan „strategischer Vertriebspartner“ nennen. Das Konzept für den indirekten Vertrieb, das insbesondere auf die Belieferung und Betreuung kleiner und mittlerer Distributoren abzielt, zeitigt also erste Erfolge, zumal sich bereits einige Unternehmen bei der E-Plus-Vermarktung für MobileWorld entschieden haben. Pikant – zumindest auf den ersten Blick: Der Distributor Komsa – und damit ein (indirekter) Wettbewerber – übernimmt als Dienstleister unter anderem den technischen Support, die logistische Auftragsabwicklung, den Innendienst, die Provisionsabrechnung und die Kundenbetreuung inklusive Bestellannahme.
Noch ein weiterer Akteur betrat im gleichen Zeitraum die Distributionsbühne: Ende 2008/Anfang 2009 rief der ehemalige Geschäftsführer von SMS Michel, Klaus C. Maier, den Distributor 4M Communication ins Leben, um, wie er selbst sagt, „die früheren Kunden nicht im Stich zu lassen, als das Distributionsgeschäft von SMS Michel dichtgemacht wurde“.

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Mitarbeiterzahl: ein geteiltes Bild
Während also Netzbetreiber und Hersteller eine Konsolidierung vorantreiben – auch LG plant eine Nokia-ähnliche Straffung der Distributionsstruktur –, bleibt die Konsolidierungswelle im Großhandel (bislang) aus. Viele Marktbeobachter gehen jedoch davon aus, dass nur eine trügerische Ruhe vor dem heranziehenden Sturm herrscht. Nach außen sind derzeit Probleme der Branche, etwa der Margenverfall, die Marktsättigung im Mobilfunkbereich, die Veränderungen in den Tarifstrukturen, der Eigenkapitalmangel oder der Investitionsstau im B2B-Bereich, noch kaum sichtbar.
Die Unternehmenskennzahlen der ITK-Distributoren lassen ebenfalls wenig erkennen. Betrachtet man beispielsweise die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen als Indikator für den unternehmerischen Erfolg und vergleicht die aktuellen Zahlen mit der letzten Telecom Handel-Umfrage Ende 2007, zeigt sich insgesamt ein relativ stabiles Bild: Bei acht Unternehmen stehen jetzt weniger Mitarbeiter auf der Gehaltsliste, bei sechs mehr und bei weiteren fünf gleich viele.
Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail. Denn gerade die negativen Veränderungen sind besonders augenfällig: allen voran der massive Stellenabbau bei COS – von mehr als 200 (2007) auf rund 60 (2010). Nach dem Gesellschafter-Wirrwarr und der darauf folgenden Übernahme des strauchelnden Distributors durch die Braunschweiger Devil AG hatte das Unternehmen bereits in Logistik und Service Federn lassen müssen. Zuletzt machte die Information die Runde, dass die Einkaufs- und IT-Abteilungen vom Firmensitz in Linden zu Devil nach Braunschweig ausgelagert werden und infolgedessen weitere 16 Mitarbeiter entlassen werden müssen. Auch bei Selectric Nachrichten-Systeme stehen weniger Mitarbeiter in Lohn und Brot: Aus 190 Angestellten in Vollzeit wurden 140.
Für Geschäftsführer Michael Heußner gibt es dafür zwei Gründe: „Zum einen haben wir eine Tochtergesellschaft im Funkbereich gegründet, zu der einige Mitarbeiter gewechselt sind. Zum anderen mussten wir Personal im GSM-Service-Bereich abbauen.“ Ein ähnliches Bild zeigt B&S Bauer & Steichele, hier hat sich die Mitarbeiterzahl in etwa halbiert – von rund 40 auf 20. „Wir haben uns den wirtschaftlichen Umständen angepasst. Dies geschah nicht über Nacht, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg. Hinzu kommt, dass der Nokia-Service weggefallen ist, wodurch wir im Technikbereich Stellen abbauen mussten“, erklärt Firmenchef Stephan Steichele im Gespräch mit Telecom Handel.

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Aber es gibt auch erfreuliche Entwicklungen: So konnte Fexcom seine Mitarbeiterzahl von rund 80 auf 126 erhöhen. „Das Jahr 2009 war für unsere Firma das erfolgreichste in der Firmengeschichte. Die Finanzkrise und der sinkende Handy-Absatz in der Branche haben unsere Firma nicht erreicht“, meint Innendienstleiter Carsten Erler.
Positiv auch die Bilanz bei Herweck: Der solide TK-Distributor aus Kirkel hat sein Personal weiter aufgestockt – von 125 Mitarbeitern auf 140. Den größten Sprung konnte indes Komsa machen: Das Unternehmen zählt mittlerweile mehr als 1.300 Mitarbeiter (2007: circa 860). „Wir haben allein 2009 211 neue Mitarbeiter eingestellt – vor allem im Bereich Handy-Reparaturen“, so Komsa-Sprecherin Katja Förster.
Bestellen: oft lange, aber teurer
Wenig Veränderungen zeigen die Cut-off-Zeiten, also der späteste Annahmezeitpunkt für Sendungen, die garantiert am folgenden Tag den Adressaten erreichen. Ungeschlagen sind hier – nach wie vor – Komsa und NT plus mit 20 Uhr. Zu den „Nachteulen“ gesellt sich abermals der Heilbronner Distributor Degen, der die Cut-off-Zeit allerdings von 20 auf 19.30 Uhr verkürzt hat. Auf den Plätzen folgen wie gehabt Herweck, Brodos und Allnet – alle mit der letzten Bestellmöglichkeit um 19 Uhr. Eno Telecom wiederum hat den letzten Bestellzeitpunkt für die Lieferung am Folgetag von 19 auf 18 Uhr nach vorne verlegt.
Was aber kostet der Versand? Meist mehr als bei unserer letzten Umfrage. Schuld daran sind hauptsächlich die gestiegenen Energie- beziehungsweise Spritpreise. So haben zum Beispiel folgende Unternehmen ihre Versandkostenpauschale angehoben: Allnet von 7,50 auf 8,50 Euro, COS von 4 auf 6,90 Euro, Herweck von 6,90 auf 7,90 Euro, Michael Telecom von 5,60 auf 6,70 Euro, SE Schreiner Elektronik von 5 auf 6,50 Euro sowie Stolzcom – geringfügig – von 4,60 auf 4,99 Euro.
Ingram Micro wiederum hat auf die „normalen“ Frachtkosten eine 1-Euro-Mautpauschale draufgepackt, und bei Komsa gibt es bereits seit geraumer Zeit das beliebte 99-Cent-Paket nicht mehr; stattdessen fallen 7,50 Euro an sowie für AetkaPartner 4,99 Euro. Günstiger geworden ist hingegen TelePart. Der Dürnauer Distributor berechnet bereits seit 2008 nur noch 4,90 statt 7,50 Euro. Besonders billig, weil kostenlos sind die Lieferungen bei Brightpoint, Disatel und Etronixx Trading. Doch eins ist sicher: Irgendwo stecken die Kosten bestimmt.



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