Online-Strategie 27.10.2011, 11:16 Uhr

Gute Geschäfte im Web

Die Online-Konzepte der Verbundgruppen im Vergleich: Während einige Kooperationen auf Konfrontationskurs zu den E-Tailern sowie Media Markt und Saturn gehen, setzen andere auf Services im Web und den Verkauf am PoS.
Mit millionenschwerem Investment attackiert die Media Saturn Holding (MSH) die Konkurrenz: Erst startet die neue Marketingstrategie von Media Markt, die unter dem Slogan „Das Ende des Preis-Irrsinns“ für ein Image als Tiefpreisanbieter kämpfen soll – dann folgt die Schwester Saturn, die seit dem 10. Oktober Bestseller-Produkte online und offline zu gleichen Preisen anbietet.
Manche Wettbewerber finden diese Repositionierung fast schon unterhaltsam, so auch Euronics-Vorstandssprecher Benedict Kober: „MSH hat über Jahrzehnte sein Schnäppchenimage kultiviert – und jetzt diese Offensive“, sagt er schmunzelnd. „Wir nehmen diese Entwicklung aber sehr ernst, denn die neue MSH-Strategie wird zu einer weiteren Verschärfung des Wettbewerbs führen“, setzt er dann gegenüber Telecom Handel nach. „Auch unsere Mitglieder machen sich natürlich Gedanken, wie es nun weitergehen soll“, berichtet Kober.
Allerdings sieht er sich gut vorbereitet, denn Euronics praktiziert schon seit einigen Jahren eine eigene Multi-Channel-Strategie: 700 Euronics-Händler haben bereits einen eigenen Auftritt unter www.euronics.de, etwa 100 davon nehmen schon heute am Online-Shop teil. „Und immer mehr Händler möchten an unserem Online-System partizipieren“, so Kober weiter.
Multi-Channel auf die andere Art
Anders als bei MSH hat Euronics nach eigenen Angaben auch kein Verteilungsproblem bei den Online-Umsätzen. Bei den Ingolstädtern werden diese nach einem komplexen Schlüssel an die Marktgeschäftsführer ausgeschüttet. Euronics hingegen hat ein anderes System: Bestellungen der Kunden werden direkt durch einen lokalen Händler abgewickelt, wenn auch der Online-Preis wie bei MSH von der Zentrale festgelegt wird. In den stationären Shops hingegen gestalten die Euronics-Partner ihre Preise selbst, auch dies ist ein Unterschied zur MSH-Strategie.
Eine einheitliche Preistaktik für das Offline- und Online-Geschäft ist für Kober aber undenkbar. „Damit würden wir den lokalen Händlern in den Geldbeutel greifen“, wehrt er ab. Deshalb kann sich die Verbundgruppe zwar nicht als Tiefpreisanbieter positionieren, aber das ist auch gar nicht in Kobers Sinn: „Natürlich muss der Preis attraktiv sein, sonst wird kein Kunde das Produkt kaufen.“ Sein Credo: „Wir sprechen nicht von einer Multi-Channel- sondern von einer Cross-Channel-Strategie.“ Online und offline müssten ineinander greifen, „der Kunde muss ein konsistentes Markenerlebnis haben, egal, über welchen Kanal er mit Euronics in Kontakt kommt“, so Kober weiter.

Expert: Wenig Details zur Online-Strategie

Die Ditzinger sind aktuell die einzige große Verbundgruppe, die Online- und Offline-Handel miteinander kombiniert hat. Doch dies wird nicht mehr lange der Fall sein: Expert-Vorstand Volker Müller hat auf der Hauptversammlung im September erste, wenn bislang auch nur wenige Details seiner Online-Strategie bekanntgegeben. Geplant sei ein stufenweises Konzept, das in den kommenden Monaten Schritt für Schritt umgesetzt werden soll. Den Anfang macht der Relaunch der Website, der für den Spätherbst vorgesehen ist, später dann wird auch ein Online-Shop integriert.
Wann dies der Fall sein wird, ließ Müller noch offen. „In Abhängigkeit zur Marktsituation und im engen Austausch mit unseren Gesellschaftern behalten wir uns vor, wann wir den Internet-Shop an den Start bringen werden.“ Auch über die konkrete Einbindung der lokalen Händler hüllte Müller sich noch in Schweigen. Wird er beispielsweise, wie Euronics, die Online-Preise zentral festlegen? Müller will sich dazu nicht äußern. Doch Expert zieht zumindest nach, während ElectronicPartner (EP) und auch Aetka sich (noch) in Zurückhaltung üben.
Verlängertes Schaufenster im Web
Bei EP ist diese Haltung verständlich: Schon einmal hatte die Düsseldorfer Verbundgruppe ein Multi-Channel-Konzept gestartet – Kunden hatten die Option, online zu bestellen und die Waren im Shop abzuholen. Allerdings waren die Erlöse aus dem Online-Geschäft derart gering, dass sich der Betrieb eines Webshops nicht lohnte. Eine Tiefpreisstrategie, um beispielsweise in den Preissuchmaschinen ganz vorn gelistet zu werden, habe zudem zu Konflikten mit den EP-Händlern geführt, hieß es von EP. Die Folge: Der Online-Shop wurde im April 2010 vom Netz genommen.

EP setzt auf Services im Web

Nun setzt die Verbundgruppe das Internet als „verlängertes Schaufenster ein, mit dem wir Kunden informieren, neugierig machen und an den PoS einladen“, erklärt Jörg Ehmer, Sprecher der Geschäftsführenden Direktoren von EP. Gleichwohl ist ihm sehr wohl bewusst, dass der Wettbewerbsdruck aus dem Internet zunimmt: „Das Internet erfindet sich kontinuierlich neu. Deshalb analysieren wir vorhandene Instrumente und das Verhalten von Mitbewerbern laufend“, so Ehmer weiter. Eine Neuauflage des Online-Shops wird es aber – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – nicht geben. Stattdessen setzt Ehmer auf mehr Services im Web, dazu gehören beispielsweise eine App oder ein Facebook-Auftritt.
In Online-Abstinenz übt sich auch die Verbundgruppe Aetka. Zwar hat auch die Komsa-Tochter eine Firmenwebsite sowie Kampagnensites und steht via Social Web mit den Endkunden in Kontakt. Einen Online-Shop gibt es aber nicht – und offenbar ist dieser laut Aetka-Vorstand Uwe Bauer auch nicht geplant. „Wir haben seit Jahren einen offenen Preiskampf und der spielt sich an der Ladentheke unserer Aetka-Partner ab“, erklärt er. Der Fachhandel habe sich bisher in diesem Kampf gut behauptet – durch Preiswürdigkeit und Beratung. Doch wird das auch auf Dauer ausreichen? Viele Händler stellen sich die Frage mit Sorge und fürchten seit der MSH-Offensive einmal mehr den Wettbewerbsdruck – auch aus dem Web. 

Interview mit Sebastian Deppe

Sebastian Deppe ist Mitglied der Geschäftsleitung der BBE Handelsberatung GmbH in München
Telecom Handel: MSH geht in die Online-Offensive. Wie werden die anderen Verbundgruppen darauf reagieren?
Sebastian Deppe: Online wird stark wachsen und MSH hat den Druck auf die Kooperationen noch erhöht, eigene Konzepte zu entwickeln. Denn bislang haben viele Verbundgruppen ihre Hausaufgaben nicht gemacht, den Online-Trend schlicht verschlafen – beziehungsweise konnten sich nicht auf eine gemeinsame Strategie mit ihren Gesellschaftern einigen.
Telecom Handel: Woran liegt das?
Deppe: Ein Kernproblem ist sicherlich die Gesellschafterstruktur – und da gibt es Analogien zwischen einer MSH und den meisten Kooperationen. Die Marktgeschäftsführer bei MSH hatten lange Zeit die Kontrolle über ihr Gebiet und konnten relativ flexibel und eigenverantwortlich reagieren, beispielsweise durch eine gewisse lokale Preispolitik. Bei kooperierten Händlern ist die Struktur noch dezentraler und freier – und früher war ja genau diese Struktur die große Stärke einer MSH und auch der Kooperationen.
Telecom Handel: Heute aber ist sie ein Problem?
Deppe: Ja, und zwar ein massives. Denn diese Struktur, die nicht zuletzt auf einem gewissen „Gebietsschutz“ basiert, wurde durch den Internethandel aufgeweicht. Der Markt ist transparenter geworden, auch innerhalb einer Filialstruktur. MSH war deshalb gezwungen, die Marktgeschäftsführer in gewissen Maße zu „entmachten“. Spannend wird nun, wie die Kooperationen reagieren. Die Hauptprobleme sind hier die Alimentierung der stationären Händler und die Rolle der Einzelnen in den neuen Prozessen.
Telecom Handel: Sie glauben, die Kooperationen ziehen nach?
Deppe: Sofern sie jetzt noch keine Strategie entwickelt haben, ist es allerhöchste Zeit dafür. Ich warne aber vor blindem Aktionismus, gerade jetzt ist es wichtig, den zweiten Schritt nicht vor dem ersten zu machen und ruhig zu analysieren, wohin die Reise gehen soll.
Telecom Handel: Und wohin kann sie gehen?
Deppe: Jetzt gilt es zuerst, alle Möglichkeiten durchzuspielen und das geeignete Geschäftsmodell zu entwickeln – die richtige Multichannel-Dosierung von E-Commerce, Mobile-Commerce, Social Media, regionalem Online-Marketing und digitalem Instore-Marketing. Es gibt kein Richtig oder Falsch, wir sind in einem Evolutionsprozess.




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