Logistik 02.07.2010, 10:10 Uhr

Verschlungene Pfade

Wie kommt die Ware zum Reseller? Telecom Handel hat das Logistik-Zentrum von Ingram Micro in Straubing besucht und den Weg der Produkte vom Wareneingang bis zur Auslieferung verfolgt.
Ein kurzer Druck auf die Enter-Taste, und die Bestellung von vier FritzBox Fon WLAN 7170 wird gegen zehn Uhr morgens vom Händler abgeschickt. Doch was passiert nun? Welche Wege nimmt die Bestellung, und wie kommt die Ware letztendlich zum Händler? Telecom Handel hat das Logistik-Zentrum von Ingram Micro in Straubing besucht, um einen Blick hinter die Kulissen des Distributors zu werfen.
Seit dem Ausbau vor zwei Jahren misst das sogenannte RDC (Regional Distribution Center) des Broadliners rund 80.000 Quadratmeter, „das entspricht etwa einer Fläche von 22 Fußballfeldern“ – mit diesem Vergleich macht Herbert Hufsky gerne seinen Besuchern die Dimensionen des Logistik-Zentrums deutlich (Bild 1). Hufsky ist Senior Director Operations & Service bei Ingram Micro und damit unter anderem für die pünktliche Lieferung der Waren in der DACH-Region und Ungarn verantwortlich.
Doch zurück zur Bestellung: Die Auftragsdaten fließen in das ERP-System (Enterprise Resource Planning) des Distributors, auf das natürlich auch die Mitarbeiter in Straubing Zugriff haben. Das Ziel: Die Ware soll innerhalb von 24 Stunden beim Kunden ankommen. Eine Garantie darauf möchte Hufsky allerdings nicht geben, denn kein Spediteur kann eine Lieferung binnen eines Tages zu hundert Prozent garantieren.
Die Order der vier FritzBoxen ist in wenigen Sekunden auf der Bestell-Liste in Straubing angekommen. Sie hat eine durchschnittliche Priorität, soll also „nur“ am heutigen Tag auf die Reise geschickt werden. Deshalb landet sie auf der Orderliste auch nicht sofort an erster Stelle, sondern wird erst im Laufe des Tages bearbeitet. Zeit also, einen kurzen Blick auf den Wareneingang zu werfen.

Logistik: Verschlungene Pfade

Zwischen 600 und 2.000 Anlieferungen gibt es täglich in Straubing. Und bei jedem Lkw, der auf das Werksgelände einbiegt, ist das weitere Vorgehen exakt vorgegeben. Der Hersteller oder Spediteur gibt mit einem Vorlauf von 48 Stunden Bescheid, wann die Ware kommen wird. Auch dieses Avisieren der Ware ist größtenteils automatisiert über die Supply-Chain-Management-Lösung iLogx. Bringt der Lieferant die Produkte zum Tor, übernehmen die Entpacker von Ingram Micro den Job.
Nach dem Ausladen wird die Ware nur grob kontrolliert, so wird zum Beispiel geprüft, ob auch wirklich zehn Paletten FritzBoxen geliefert wurden. Dann beginnt das sogenannte „Vereinnahmen“: Jedes Produkt wird noch einmal mit seinen Daten in das System eingebucht – bei bekannten Waren wie der FritzBox kein Problem, denn sie sind schon im System erfasst. Aufwendiger wird es allerdings bei neuen Produkten, die bislang noch nicht hinterlegt waren. Diese müssen genau gemessen werden: Länge, Breite und Höhe werden ebenso aufgenommen wie das Gewicht.
„Rund 200 Produkte werden täglich neu in unser System aufgenommen“, erklärt Alois Freudenstein, Consultant Operational Excellence bei Ingram Micro. Aufgrund dieser Eckdaten erfolgt bei allen Waren eine weitere Klassifizierung: Sie werden eingeteilt in sogenannte „Repack“-, „Full Case“- oder „Unconveyable“-Waren. Repacks sind Einzelprodukte wie zum Beispiel USB-Sticks, die umverpackt werden müssen, um sie versandsicher zu machen.
Fällt ein Produkt unter die Kategorie Full Case, so kann sie in einem Originalkarton gelagert und weitergeschickt werden. Bei Logistikern sind diese Produkte besonders beliebt, verursachen sie doch den geringsten Aufwand. „Unconveyable ist alles, was zu groß oder zu schwer ist, um es auf der Fördertechnik zu bewegen“, erklärt Freudenstein weiter.
Klassische Unconveyables sind Serverschränke oder große Flatscreens. Die Unterteilung ist wichtig, denn sie erklärt, warum ein Händler beispielsweise bei einer Bestellung gleich mehrere Pakete erhält – alles eine Frage des Weges, der Zeit und damit der Kosten. Es ist schlicht günstiger, mehrere Pakete auf die Reise zu schicken, als ein großes Paket zusammenzustellen.

Logistik: Verschlungene Pfade

Das Maximalmaß für die Förderbänder liegt bei Ingram Micro übrigens bei 70 Zentimetern, das Maximalgewicht bei 50 Kilogramm. „Hier kommt der Rücken der Mitarbeiter ins Spiel“, begründet Freudenstein diese Vorgaben. Die Förderbänder könnten zwar mehr verkraften, doch die Mitarbeiter können das nicht tragen. Trotz aller Automatisierung beschäftigt Ingram Micro in Straubing rund 500 Mitarbeiter.
„Unsere Branche ist sehr dynamisch“, erklärt Logistik-Chef Herbert Hufsky. Das Gros der Artikel hat Lebenszyklen von drei oder vier Monaten, dann kommt schon ein Nachfolgeprodukt. Die Folge: Logistiker in diesem Bereich müssen extrem flexibel sein. Bei Produkten mit einem Lebenszyklus von mehreren Jahren ist es deutlich einfacher, mehr Technik einzusetzen – beispielsweise über automatisierte Hochregallager.
Bei Ingram Micro hingegen setzt man auf die sogenannte chaotische Lagerhaltung: Artikel werden dabei nicht nach einem festen inneren Ordnungssystem abgelegt, sondern die Plätze werden zufällig verteilt. Ziel ist, die Fahrwege zu optimieren, so dass Artikel schnell eingelagert und auch entnommen werden können.

Logistik: Verschlungene Pfade

Nicht ganz, aber fast automatisch
Nun sind die FritzBoxen an der Reihe, sie sollen verpackt werden. Die Produkte gehören zu den Schnelldrehern, ein Teil wird nahe an den Förderbändern gelagert. Der Auftrag ist in dem Stapel, den die Kommissioniererin aus dem Drucker nimmt. Sie holt die vier in Kartons verpackten FritzBoxen aus der Kiste – die Nummer des Kartons und auch deren Standort sind auf dem Kommissionierschein vermerkt –, packt sie in einen weiteren Karton und scannt den Auftrag ein. Sie verwendet einen praktischen Handscanner, um beide Hände frei zu haben
. Der Rest der Reise ist weitgehend automatisiert: Auf seiner Fahrt über die Förderbänder passiert der Karton mehrere Kontrollpunkte, dort wird er unter anderem gewogen. Im System ist genau festgelegt, wie schwer der Karton sein muss. Stimmt das vorgegebene Gewicht mit dem tatsächlichen nicht überein, so wird der Karton aussortiert. Ein Mitarbeiter gleicht dann noch einmal Auftragszettel und Bestand ab.
Anschließend wird der Karton automatisch auf einem Förderband zur Packstation geleitet, dort werden – ebenfalls ohne menschliches Zutun – ein Deckel sowie das Etikett auf den Karton geklebt. Schließlich landet das Paket auf dem finalen Förderband, das es direkt zum Lkw befördert. Welcher Spediteur die Waren liefert, gibt in der Regel der Kunde bei der Bestellung an.
„Wir berücksichtigen so weit wie möglich die Wünsche unserer Kunden, aber manchmal ist das unmöglich“, so Hufsky. Spätestens um 22 Uhr fährt schließlich der letzte Lkw vom Hof, das Paket wird noch mehrmals umgeladen, bis es schließlich von den bekannten gelben, weißen oder braunen Autos zum Kunden geliefert wird. Wenn alles klappt, schon am nächsten Tag.
Und wenn es doch einmal zu einem Fehler kommt, dann ist die Retourenabwicklung für die Klärung zuständig.




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