15.06.2010, 11:30 Uhr

"Wir brauchen keinen Naturschutzpark"

Im Interview mit Telecom Handel zeigt sich Aetka-Vorstand Uwe Bauer optimistisch, was die zukünftige Rolle des TK-Fachhandels anbelangt.
Telecom Handel: 10,2 Prozent weniger Umsatz im TK-Fachhandel weist die aktuelle Marktstudie der GfK für das Jahr 2009 aus. In wieweit hat sich dies bei der Zahl der Aetka-Partner schon ausgewirkt?
Uwe Bauer: Da sind nicht viele vom Netz gegangen, was bei dieser Marktsituation schon erstaunlich ist. Im Gegenteil: Die Mitgliederzahl hat sich sogar leicht auf 2.370 erhöht. Auch die Zahl der Fachhändler, die bei Aetka bestellen, ist mit 4.500 gleich geblieben. Also bei uns passiert da nichts, aber auch generell im Fachhandel nicht. Wir haben nicht mehr Insolvenzen als in den Jahren zuvor. Ich glaube, dass die Antwort darauf in den Betriebsgrößen liegt.
Telecom Handel: Was meinen Sie damit?
Bauer: 35 Prozent der TK-Fachhändler, also mehr als jeder Dritte, haben nur ein oder zwei Beschäftigte. Das ist häufig ein Pärchen, das das Geschäft führt. Wenn es mal schlechter läuft sind diese Shop-Betreiber deutlich flexibler und können somit eine dürre Zeit eher überleben.
Telecom Handel: Dann rechnen Sie offensichtlich damit, dass es nach der „dürren Zeit“ auch wieder eine gute Zeit für den Fachhandel geben wird. Geht nicht der Trend eher in Richtung Online-Verkauf?
Bauer: Der Verkaufsanteil der Online-Kanäle wächst nicht mehr so, wie er es noch vor kurzem getan hat. Die Geräte werden immer komplexer, und die Industrie braucht den Fachhandel, um anspruchsvolle Produkte in den Markt einzuführen sowie Beratung und den Support nach dem Kauf sicher zu stellen. Google hat es ja probiert mit dem Direktverkauf des Google Phone über das Internet. Die hatten eigentlich drei gute Voraussetzungen: Eine starke Marke sowie das Vertrauen und den Zugang zu den Kunden. Auch das Produkt ist ok. Dennoch hat es nicht funktioniert. Es ist doch eine klare Aussage, wenn Google den Exklusivverkauf über das Internet beendet, weil sie gemerkt haben, dass die Kunden das Gerät haptisch erleben wollen.

"Wir brauchen keinen Naturschutzpark"

Telecom Handel: Dennoch kaufen gerade junge Leute ihr Smartphone sehr häufig online.
Bauer: Es liegt in der Natur der Sache, dass in einem Early-Adopter-Markt – und so einer war der Smartphone-Markt bisher – vor allem die Freaks kaufen. Diese sind besser informiert und kennen sich aus. Aber jetzt kommen die anderen 85 Prozent. Da gibt es die unterschiedlichsten Altersgruppen und Interessenslagen. Der Bedarf, sich ein neues Gerät erklären zu lassen, ist in diesen Gruppen deutlich höher. Das zeigt übrigens auch die Statistik: Der Fachhandel verkauft anteilig mittlerweile rund viermal so viel Smartphones wie die anderen Kanäle. Das zeigt, dass das beratungsintensive Thema Smartphones ganz klar ein Thema des Fachhandels ist.
Telecom Handel: Das klingt so, als stünden dem Fachhandel glänzende Zeiten bevor…
Bauer: Sagen wir es so: Wenn er wandlungsfähig ist, dann wird er auch in Zukunft erfolgreich am Markt bestehen können. Ich erinnere mich, dass wir bereits Anfang der 90er Jahre im Unterhaltungselektronik-Bereich darüber diskutiert haben, wozu man den Fachhandel noch braucht. Fernseher waren relativ selbsterklärend, und es gab den immer stärker werdenden Versandhandel, etwa von Quelle, sowie die MediaMärkte und Promärkte. Alle haben gesagt, dass dies das Ende des Fachhandels ist. Doch was ist passiert? Quelle gibt es nicht mehr, Promarkt auch nicht. Dagegen ist der Fachhandel in diesem Bereich so stark wie nie. Aber wichtig ist, dass der TK-Fachhandel die Herausforderungen des Marktes annimmt.
Telecom Handel: Welche sind dies Ihrer Meinung nach?
Bauer: Das Wichtigste ist die Wandlungsbereitschaft der Marktteilnehmer. Wir sprechen seit Jahren davon, dass das Bestandskundenmanagement wichtiger wird und dass Datentarife die Sprachtarife ablösen. Das bedeutet aber auch eine andere Beratung mit anderen Geräten. Smartphones und Netbooks sind nun einmal etwas anderes als ein normales Handy. Da muss der TK-Fachhandel umdenken um zu vermeiden, dass es ihm so ergeht wie dem Foto-Handel. Die haben da gehockt und sich beklagt, dass sie keine Filme und Fotopapier mehr verkaufen, andererseits aber die Digitalkameras verweigert. In unserer Branche ist halt ein Sprachanschluss nicht mehr das Ding, mit dem man morgen und übermorgen Geld verdienen kann.

"Wir brauchen keinen Naturschutzpark"

Telecom Handel: Wie muss sich der Händler dann heute aufstellen, um in Zukunft noch Geld zu verdienen?
Bauer: Es geht zukünftig nicht mehr um neue Tarife, sondern um Anwendungen und deren Nutzen. Der Fachhändler muss aus der reinen Tarif- und Produktberatung ausbrechen und sich hin zu Lösungen orientieren.
Telecom Handel: Aber das wollen die Netzbetreiber-Shops auch…
Bauer: Das stimmt. Und es nützt auch nichts, wenn der freie Fachhändler ein Abbild des Netzbetreiber-Shops wird. Daher sollte er sich durch Spezialisierung auf einen konvergenten Bereich ein eigenes Profil geben, das in keine Schublade passt. Da gibt es keine Standardlösung und deshalb ist es auch nicht einfach. So hängt es beispielsweise von der Situation vor Ort ab, ob er sich etwa mit Notebooks oder mit Heimvernetzung beschäftigt. Wenn er einen starken UE-Händler in der Umgebung hat, muss er nicht noch den X-ten LCD-Fernseher bei sich reinstellen. Bei der Profilierung hilft ihm auch, dass er die Kunden als inhabergeführtes Fachgeschäft mit seinem Namen über der Tür anspricht. Das schafft Vertrauen und ist ebenfalls einer der Eckpunkte, die ihn von allen anderen Vertriebsformen unterscheiden.
Telecom Handel: Dafür ziehen die Mobilfunk-Shops der Netzbetreiber die Kunden mit ihrem starken Werbeauftritt an. So etwas kann sich der Händler ja gar nicht leisten…
Bauer: Klar ist der Netzbetreiber-Shop ein Wettbewerber – wie auch die Großmärkte und die Onliner. Aber auf der anderen Seite helfen die Netzbetreiber auch, das Thema präsent und im Bewusstsein der Verbraucher zu halten. Den wahren Wettbewerb sehe ich daher nicht unbedingt im Netzbetreiber-Shop, sondern bei anderen Branchen…
Telecom Handel: Wieso das denn?
Bauer: Wir stehen heute vor einer anderen Wettbewerbssituation als in der Boom-Zeit des Mobilfunks. Damals war die Branche noch mit sich selbst beschäftigt. Inzwischen ist der größte Wettbewerber etwa das Uhren-/Schmuck-Geschäft neben unserem Aetka-Partner. Nachdem inzwischen jeder ein Handy hat, schiebt sich der Neukauf in der Bedürfniskette nach hinten. Damit tritt das Smartphone in Konkurrenz mit einer Uhr, einer Espressomaschine oder einer Kurzreise.

"Wir brauchen keinen Naturschutzpark"

Telecom Handel: Ohne starken Markennamen muss der Fachhändler im Wettstreit um den Kunden mehr auf regionales Marketing setzen. Wie könnte er da vorgehen?
Bauer: Wir empfehlen unseren Partnern eine konzentrierte Verkaufsförderung in ihrem direkten Umfeld. Beispielsweise durch Unterstützung von Vereinen vor Ort. Das ist häufig wirkungsvoller als Anzeigen in Zeitungen. Wenn beispielsweise die Spieler des örtlichen Fußballvereins den Namen des Aetka-Partners auf der Brust tragen, dann ist der Händler sofort in aller Munde. Und wenn der Fachhändler den Verein unterstützt, kauft natürlich auch der Verein, die Spieler, die Eltern und das gesamte Umfeld bei ihm. Noch wirkungsvoller ist es, wenn man dann noch für alle Umsätze aus dem Umfeld des Vereins eine kleine Umsatzbeteiligung für den Verein gibt.
Telecom Handel: Viele Fachhändler machten in diesem Frühjahr ihren Unmut über die neuen Base-Tarife deutlich. Wie ist Ihre Einschätzung zu diesem Thema? Hat sich die Aufregung inzwischen gelegt?
Bauer: E-Plus ist traditionell ja immer fachhandelsstark gewesen. Wir spüren jedoch auch jetzt, dass viele Händler in dem durchaus umstrittenen Konzept eine Chance sehen und sich mittlerweile dahinter stellen. Die Zahlen gehen hoch, das Konzept scheint zu greifen. Eine abschließende Bewertung kann man zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht machen. Es wird sich zeigen, wie es sich weiter entwickelt.
Telecom Handel: Hauptkritikpunkt war ja, dass die Provisionen deutlich gekürzt wurden…
Bauer: Es ist richtig, dass erst einmal alles kritisch gesehen werden muss, wo Geld aus dem Fachhandel rausgenommen wird. Aber die Branche war auch lange Zeit durch die hohe Subventionierung und Provosionierung verwöhnt. Ich gewinne der neuen Provisionsregelung auch Positives ab.

"Wir brauchen keinen Naturschutzpark"

Telecom Handel: Inwiefern?
Bauer: Durch die Airtime-Beteiligung ergibt sich eine Nachhaltigkeit. Der gute, solide, gut telefonierende Kundenkreis, den der Fachhandel oft mitbringt, wird honoriert. Auch für die Netzbetreiber ist so eine Lösung sinnvoller als die Zahlung hoher Front-Up-Provisionen, für Karten, die unter Umständen nur in der Schublade landen.
Telecom Handel: Gibt es nicht im Gegenteil Tendenzen bei einigen Netzbetreibern, den Fachhandel aus dem VVL-Geschäft herauszudrängen?
Bauer: Diese Versuche hat es auch in der Vergangenheit schon gegeben. Das ist seit vielen Jahren eine Ärgernis und ein Zielkonflikt, und der wird es auch bleiben. Aber es geht nur partnerschaftlich miteinander. Wer den Kunden bringt, will auch die Chance haben, an der Verlängerung zu partizipieren. Alles andere ist nicht hinnehmbar. Wenn mir als Fachhändler das VVL-Geschäft weggenommen wird, dann werde ich für diesen Netzbetreiber auch keine Neukunden mehr bringen. So einfach ist das. Das wird sich dann rächen.
Telecom Handel: Das setzt voraus, dass die Netzbetreiber und Hersteller davon ausgehen, den Fachhandel auch in Zukunft noch zu brauchen…
Bauer: Das tun sie ja auch. Die Hersteller wissen auch, dass der Fachhandel wichtige Aufgaben wie Produkteinführung und Produktberatung für Sie erfüllt. Da gibt es durchaus das Interesse, diesen Vertriebskanal nicht zu schwächen. Dennoch passiert dies leider immer wieder dadurch, dass andere Kanäle bessere Konditionen erhalten.

"Wir brauchen keinen Naturschutzpark"

Telecom Handel: Wie lautet Ihre Forderung an die Industrie?
Bauer: Wir brauchen keinen Naturschutzpark, aber eine faire Gleichbehandlung der Kanäle. Wenn ein Endkunde durch einen Onliner günstiger beliefert werden kann als der Händler durch den Distributor, dann ist das ein Problem, das die Hersteller in den Griff bekommen müssen. Auch im ureigensten Interesse. Derzeit werden in Deutschland Geräte über nicht-autorisierte Kanäle angespült, die unter dem üblichen Marktpreis liegen. Der Fachhandel merkt durchaus, wenn ein Partner fair ist und honoriert dies durch Einkaufsumsätze und Loyalität. Eine Lösung wären auch selektive Vertriebslinien für den Fachhandel, was in anderen Branchen schon längt üblich ist.
Telecom Handel: Vor wenigen Tagen feierte Aetka ihr zehnjähriges Bestehen. Statt eines Rückblick wollen wir einen Ausblick wagen: Wo sehen Sie den TK-Fachhandel in zehn Jahren?
Bauer: In zehn Jahren wird man den TK-Fachhandel mit Konvergenz verbinden. Und die TK-Händlern werden Allround-Anbieter mit IT und Unterhaltungselektronik werden. Unsere Partner werden stärker mit dem Musterkoffer beim Endkunden sein als die Kunden in seinem Geschäft.




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