Best Practice 27.09.2011, 12:10 Uhr

"Früher wurden wir belächelt"

Gebäudeautomatisierung und Smart Home gelten als Wachstumsbranchen im ITK-Markt. Drei Geschäftsführer von Systemhäusern verraten, wie sie die Lösungen vermarkten.
Ob Gebäudeautomatisierung oder vernetztes Wohnen – die „smarte“ Verbindung verschiedenster Geräte und Funktionen in Privathäusern und auch in Gewerbebauten ist eines der Top-Themen in der Branche – das sagen zumindest Hersteller und Distributoren.
Doch wie sieht es mit der Vermarktung aus? Wie viele Kunden gibt es tatsächlich, die diese Lösungen im Office oder zu Hause einsetzen wollen – und auch bereit sind, die Kosten zu tragen? Telecom Handel hat mit Geschäftsführern von Systemhäusern und Shopbesitzern gesprochen, für die Gebäudeautomatisierung und Smart Home kein neuer Hype sind, sondern fester Bestandteil ihres Geschäftsmodells.
„Seit zwei Jahren wächst die Nachfrage deutlich“
Reinhard Heymann beispielsweise vergleicht die Entwicklung im Smart-Home-Bereich am liebsten mit der beim Auto: Früher habe man Navi und Klimaanlage noch als Luxus betrachtet, heute gehöre es zur Standardausstattung in jedem Fahrzeug. Der 57-Jährige ist Geschäftsführer der Hamburger Q-Data Service GmbH; das Unternehmen wurde 1979 gegründet, zu Beginn konzentrierte es sich vor allem auf IT-Lösungen für Geschäftskunden.
Seit rund zehn Jahren beschäftigt sich das Systemhaus außerdem mit dem Thema Smart Home. Schmunzelnd erinnert sich Heymann, dass er anfangs noch belächelt wurde, wenn er auf regionalen Messen seine Lösungen vorstellte. „Seit etwa zwei Jahren bemerken wir aber eine deutlich stärkere Nachfrage“, berichtet er. Die Bauherren informieren sich zudem heute schon im Vorfeld über die technischen Möglichkeiten beim Neubau oder bei anstehenden Renovierungsarbeiten, auch das sei ein Indiz für eine positive Entwicklung. „Wir sind längst aus der Nische herausgewachsen“, betont Heymann denn auch. „Der Markt entwickelt sich rasant.“

Ein Geben und Nehmen

Um das Neugeschäft zu forcieren, hat Heymann zudem ein umfassendes Marketingkonzept entwickelt – vom Showroom, in dem alle drei Monate öffentlichkeitswirksam die neuesten Lösungen einem breiten Publikum präsentiert werden, über den eigenen Webauftritt bis hin zum umfassenden „Netzwerken“. Über die Jahre hinweg habe er starke Partnerschaften in der Baubranche aufgebaut – mit Planern und Architekten bis hin zum Elektroinstallateur. „Es ist ein Geben und Nehmen, jeder empfiehlt den anderen“, erklärt er. Unbezahlbar seien zudem die Empfehlungen der Kunden, „das ist mit die stärkste Werbung überhaupt“, so Heymann.
Mittlerweile macht der Bereich Smart Home rund 40 Prozent seines Gesamtumsatzes aus – mit steigender Tendenz. Und wie wird es weitergehen? Die Prognosen seien äußerst positiv, erklärt der Hamburger – allerdings müsse die Industrie nun aufpassen, dass sie nicht den Kunden davongaloppiere.
Dann greift er noch einmal das Bild des Autos auf, um seine These zu verdeutlichen: Kürzlich habe er ein neues Fahrzeug ausprobiert, „eines mit Stern“ – berichtet er mit einem Augenzwinkern. „Als ich die vielen Möglichkeiten des Attention Assists erklärt bekommen habe, der mich zum Beispiel auffordert, eine Pause zu machen – da habe ich mich gefragt, brauche und vor allem möchte ich das?“ Übertragen auf den Smart-Home-Bereich, müssten die Hersteller kritisch hinterfragen, ob einige Entwicklungen wirklich sinnvoll seien – „man kann heute ein ganzes Haus ohne einen einzigen Schalter bauen, und es funktioniert“, so Heymann. „Doch ist das wirklich sinnvoll?“

Prinzip: ?Use what you sell?

Christoph Frings ist unser zweiter Ansprechpartner, er ist Geschäftsführer der Gedako Gesellschaft für Daten- und Kommunikationstechnik mbH in Hennef in der Nähe von Bonn. Frings hat vor einigen Jahren ein neues Firmengebäude gebaut – und dabei vollständig auf Automatisierung gesetzt. Heizung, Klimaanlagen, Rollläden, Licht – alles wird bei Gedako zentral gesteuert. „Wenn einer meiner Mitarbeiter länger als 15 Minuten das Fenster geöffnet hat, bekommt er erst eine Mail, dann wird die Heizung abgestellt“, berichtet Frings. Mit dieser und anderen Maßnahmen habe er die Energiekosten im Gebäude dramatisch reduzieren können – „bei einer Grundfläche von 1.900 Quadratmetern brauchen wir pro Jahr nur etwa 4.000 Kubikmeter Gas“, betont er nicht ohne Stolz.
Und: Vom ersten Moment an hat er das Know-how, das er sich bei der Konzeption und dem Bau seines Firmengebäudes aufgebaut hat, genutzt, um gewerblichen Kunden Lösungen zur Gebäudeautomatisierung anzubieten – sowohl bei Neubauten als auch beim Nachrüsten bereits bestehender Gebäude. „Dank der Synergie aus herkömmlichen Kabeltechniken wie KNX/EIB und der drahtlosen EnOcean-Technologie ist das heute sowohl bei Neu- als auch bei Bestandsbauten gar nicht mehr so teuer“, so Frings.
Das eigene Gebäude ist bei der Kundenakquisition das beste Argument – „use what you sell“, sagt Frings. Zusätzlich setzt auch er auf die Empfehlungen seiner Kunden. „Für viele unserer Kunden ist das automatisierte Firmengebäude ein Statussymbol, das sie stolz Geschäftspartnern und Freunden präsentieren. Davon profitieren wir natürlich auch, denn immer öfter kommen diese dann zu uns, um sich ebenfalls beraten zu lassen“, so der 44-Jährige weiter. Zudem nutzt er alle möglichen Synergieeffekte: Wenn einer seiner Techniker eine Telefonanlage oder ein IT-Netzwerk beim Kunden implementiert, hat er immer die Augen offen für das Gebäude – und oft ergibt sich dann die Gelegenheit, zusätzliche Lösungen für die Automation anzubieten. Zudem arbeitet er mit einem Architekten zusammen. „Wir hatten auch eine Partnerschaft mit einem Elektroplaner versucht, doch dies funktionierte nicht – er sah uns als Konkurrenz“, so Frings.
Bei einem Gesamtumsatz von fünf bis sechs Millionen Euro pro Jahr macht die Automatisierung noch einen geringen Teil aus. „In diesem Jahr erwarten wir in dem Bereich einen fünfstelligen Umsatz – verglichen mit rund 8.000 Euro im vergangenen Jahr ist dies aber eine enorme Steigerungsrate“, sagt Frings. Ein weiterer, wenn nicht der entscheidende Vorteil für ihn ist zudem: „Wir sind unter den Ersten, die diese Lösungen anbieten – das verschafft uns einen ungeheuren Wettbewerbsvorsprung.“

?Wir sind seit 1995 in der Branche?

Torsten Binner ist unsere letzte Station. Er ist ein alter Hase im Geschäft mit Automatisierungslösungen, seit vielen Jahren implementiert er Anlagen zur Steuerung von Rollläden oder Klimatechnik bei Privat- und gewerblichen Kunden. „Eigentlich machen wir das schon seit 1995“, sagt Binner, der mit Kabelbinner ein Ladengeschäft für Multimedia, Netzwerk und Steuerung in Dresden betreibt und mit seinem Team Projekte in ganz Deutschland betreut.
„Wir sind eine feste Größe, vor allem im Dresdner Raum, viele Kunden kommen zuerst zu uns, wenn sie ihr Haus automatisieren möchten“, berichtet er. Doch dieses Vertrauen sei hart erarbeitet, „vor allem mit Ehrlichkeit“. So rät er Kunden auch mal von einer Lösung ab, wenn er glaubt, dass diese nicht funktioniert – „wir finden beispielsweise, dass Funkmodule zur Steuerung nicht stabil genug sind, und setzen sie deshalb nicht ein“, nennt er ein Beispiel.
Oft komme es auch vor, dass ein Bauherr ihn in die Planung seines neuen Hauses mit einbeziehe, „dann aber reicht das Geld nicht mehr und einige Projekte werden dann doch nicht realisiert“, so Binner weiter. Und dann? „Wir raten so einem Kunden, zumindest die entsprechenden Leerrohre einzulegen, in ein paar Jahren ist er vielleicht wieder flüssig.“ Und in der Tat sei es schon oft vorgekommen, dass diese Kunden Jahre später dann wieder im Shop stünden. „Und sie sind dann sehr froh, dass sie beim Bau die nötigen Voraussetzungen geschaffen haben“, erklärt Binner mit einem zufriedenen Lächeln. 




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