18.07.2009, 11:02 Uhr

Gut beraten ist halb gewonnen

Immer mehr ältere Menschen wollen mobil telefonieren und ins Internet gehen und wünschen sich persönliche Beratung – Der Handel kann davon profitieren, indem er spezielle Geräte anbietet und sich genügend Zeit für das Kundengespräch nimmt
Die Enkel tauschen eifrig Klingeltöne mit ihren Handys aus, und der Sohn holt sich Spielfilme über den Internet-Anschluss auf den Fernseher. Der Großvater dagegen hat zu Hause immer noch das von der Telekom gemietete Festnetztelefon stehen. Das tolle Handy, das ihm die Kinder zu Weihnachten geschenkt haben, steckt er nur ab und zu in die Jackentasche, weil er ohne die Bedienungsanleitung ohnehin keinen Anruf tätigen kann. So sieht zumindest das Klischee aus, das viele von der älteren Generation haben.
Offen für Neues
Tatsächlich ist zwar für viele Senioren die mobile Kommunikation immer noch ein Mysterium. Doch es scheitert meist nicht an der Bereitschaft, das Handy zu nutzen, manchmal sind die Geräte einfach zu kompliziert und wurden beim Kauf nie richtig erklärt. „Bei älteren Kunden gibt es kaum Berührungsängste mit neuen Produkten“, sagt auch Steffen Ebner, Bereichsleiter Produktmanagement bei NT plus.
Für den Fachhandel eröffnet sich mit diesen Kunden eine lukrative Zielgruppe: Senioren sind nicht selten kaufkräftiger als die viel umworbene Gruppe der 14- bis 29-Jährigen, außerdem wächst diese Zielgruppe ständig. Und während immer mehr junge Kunden ihre Einkäufe im Internet tätigen und sich auch dort über neue Produkte und Tarife informieren, ist für ältere Konsumenten der persönliche Kontakt zum Verkäufer nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Einkaufens. Zum einen fehlt den meisten immer noch eine gewisse Affinität zum Web – auch wenn immer mehr Senioren das Internet zur Kommunikation und zur Information nutzen. Zum anderen sind sie auf die Beratung angewiesen, denn auch wenn beispielsweise ein Einsteigertelefon normalerweise nicht „beratungsintensiv“ ist – für jemanden, der damit sein erstes Handy in Händen hält, ist es das durchaus.
Kunden dieser Zielgruppe binden aus den genannten Gründen mehr Zeit als andere. „Dafür kann sich der Händler bei einer guten Beratung sicher sein, dass er einen absolut treuen Kunden gewonnen hat, der gern seine Begeisterung weitergeben wird“, ist sich Frank Wessel, Leiter BU Mobilfunk Hardware bei Eno Telecom, sicher. Zudem sind ältere Menschen eher bereit, bei guter Beratung auch etwas mehr für die Hardware zu zahlen, wohingegen viele jüngere Kunden beim Händler im Laden wie selbstverständlich dieselben Dumping-Preise wie im Internet-Shop fordern.

Seniorenmarketing (Teil 2)

Handys für Senioren
Doch wie kann der Händler, abgesehen von einer ausführlicheren Beratung, diese Zielgruppe für sich gewinnen? Hersteller wie Doro oder Amplicom bieten Handys oder DECT-Telefone an, die sich gut für ältere Menschen eignen. Den Anfang machte vor Jahren Fitage mit „Katharina das Große“, einem Mobiltelefon mit sehr großen Tasten und kontrastreichem Display. Mittlerweile sind die sogenannten Senioren-Handys zwar kleiner und auch etwas schicker geworden. Viele ältere Menschen wollen aber gar kein Telefon haben, das den Benutzer auf den ersten Blick als kurzsichtig und schwerhörig abstempelt.

Wer jedem Kunden, der dem Anschein nach jenseits der 60 ist, automatisch ein Seniorengerät verkaufen will, dem fehlt das nötige Fingerspitzengefühl. „Diese Kunden wollen ernst genommen werden“, sagt Helmuth Stegemann, Abteilungsleiter Vertrieb bei Michael Telecom. Derselben Ansicht ist auch Aetka-Vorstand Uwe Bauer: „Die Senioren allein über die Darstellung von großen Tasten und großen Displays abholen zu wollen, bedient nicht die Ansprüche und Erwartungen der Zielgruppe.“ Darius Khoschlessan, Mitbegründer der Firma Fitage, bezeichnet die Kundengruppe der über 60-Jährigen als äußerst heterogen: „Da gibt es die 63-jährige Geschäftsführerin, die begeistert nahezu alle Funktionen ihres PDA nutzt, und es gibt genauso die 63-jährige Rentnerin, die noch nie den Begriff SIM oder PDA gehört hat.“
Fingerspitzengefühl gefragt
Der Händler muss also sehr genau abwägen, welche Geräte er der älteren Kundschaft anbietet. Gute Verkäufer können diesen Kunden sicherlich auch einen Communicator aufschwatzen, der Kunde wird das Handy aber mit Sicherheit nicht nutzen und entsprechend auch keinen Umsatz generieren. Hier bieten sich einfache Geräte mit simpler Menüstruktur an, ein gut lesbares Display ist gerade bei Menschen mit einsetzender Alterskurzsichtigkeit ein schlagendes Verkaufsargument.
Die Anzeigen einiger Mobiltelefone sind jedoch relativ klein und deshalb unter Umständen schlecht ablesbar. Deshalb sollte der Händler auf keinen Fall Dummys beim Verkaufsgespräch einsetzen, sondern stets echte Handys. So kann der Kunde selbst entscheiden, ob ihm Display und Menüstruktur zusagen. Wer den potenziellen Käufer ein Probetelefonat im Laden machen lässt, schafft außerdem eine Verbindung zwischen dem Gerät und dem Kunden, dieser kann zudem testen, ob die Lautstärke des Geräts ausreichend ist.

Seniorenmarketing (Teil 3)

Internet und Festnetz
Neben einem eigenen Handy wünschen sich auch immer mehr ältere Menschen einen Zugang zum Internet. Auch hier ist der Beratungsaufwand im Vergleich zu anderen Kunden höher. Dafür kann der Händler bei dieser Zielgruppe gut einen Installationsservice anbieten. Am besten verkaufen sich leicht verständliche Einsteigertarife, die für eine geringe Nutzung ausgelegt und entsprechend kostengünstig sind. Diese Angebote müssen nicht unbedingt eine Internet-Flatrate umfassen.
Eine Festnetz-Flat lässt sich dagegen gerade bei Senioren sehr gut verkaufen, da der Großteil gewohnheitsmäßig die meisten Telefonate über das Festnetztelefon erledigt und das Handy nur für die Erreichbarkeit nutzt. Vorsicht vor Übereifer: Gerade ältere Kunden halten der Deutschen Telekom häufig die Treue und telefonieren seit Jahren über ihren Standard-Festnetzanschluss. Auch wenn es mittlerweile Angebote gibt, die günstiger sind als die der Telekom, sollte sich der Händler hüten, dem Kunden zwanghaft einen Komplettanschluss verkaufen zu wollen. Denn wenn der Umzug zu einem alternativen Anbieter nicht reibungslos funktioniert, wird der Kunde mit Sicherheit nicht wieder in den Laden kommen.
Einfaches Zusatzgeschäft
Jeder Händler, der es versteht, sich auf die speziellen Bedürfnisse der älteren Kundschaft richtig einzustellen, kann seinen Umsatz durchaus um einige Euro nach oben schrauben. Nicht zuletzt auch dadurch, dass ein zufriedener Kunde oft als Multiplikator fungiert und nach guter Beratung Freunde und Verwandte in den Laden schickt. Wer sich allerdings von der Vermarktung von Seniorengeräten das große Zusatzgeschäft erwartet, wird wohl enttäuscht werden, denn ein Massenmarkt ist es noch nicht.
Wirklich hohe Umsatzchancen bietet aber nur das Projektgeschäft. „Speziell Krankenhäuser und Pflegeheime benötigen heute seniorengerechte Endgeräte“, sagt Peter Züllighoven, leitender Produktmanager bei Herweck. Solche Aufträge zu ergattern ist aber ohne die Unterstützung des Distributors relativ schwierig, und ihre Umsetzung nicht für jeden Händler realisierbar. Für die meisten wird sich daher die Beratung von Einzelkunden anbieten.




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