Ratgeber 30.11.2009, 14:12 Uhr

Der Weg zum passenden Webshop

Die Entscheidung für ein geeignetes Webshop-System ist eine der ersten, die ein angehender Online-Händler treffen muss – Die Anforderungen sind davon abhängig, wie intensiv der Händler das Geschäft im Netz letztendlich betreiben will
von Ingrid Lommer und Christopher Bertele
Die Idee steht, die Produktauswahl ist getroffen, vielleicht gibt es auch schon eine Vorstellung vom Corporate Design – der erste eigene Webshop kann an den Start gehen. Oder? Zunächst stehen technische Entscheidungen an, das richtige Shop-System muss gefunden werden – und der Auswahlprozess kann den geplanten Starttermin noch deutlich verschieben. Der Markt für Shop-Systeme ist groß und fragmentiert, die Vielfalt an Anbietern und Systemen auf den ersten Blick verwirrend. Fertige Out-of-the-Box-Systeme und Mietlösungen, Open-Source-Programme, stufenlos skalierbare Angebote mit Full-Service-Support oder günstige Kompaktlösungen – wer mag in diesem Angebotswust eine Entscheidung wagen?
Wunschzettel
Experten raten deshalb dazu, im ersten Auswahlschritt am besten gar keine Marktdurchsicht zu betreiben, sondern stattdessen die Erwartung an den Online-Shop im eigenen Haus festzulegen. „Der erste Schritt ist die Anforderungsdefinition“, rät Jan Eickmann, Projektleiter bei der Kölner Agentur Kernpunkt, der die Kunden regelmäßig bei der Auswahl des richtigen Shop-Systems berät. Schnell kristallisieren sich dabei verschiedene Schwerpunkte heraus. Aus IT-Sicht ist vor allem ein stabiles, wartungsarmes System wünschenswert, gleichzeitig sollten aber auch individuelle Gestaltungsmöglichkeiten beispielsweise bei der Artikeldarstellung vorhanden sein.
Ein weiterer Schwerpunkt ist eine gute Anbindung an das bestehende Warenwirtschaftssystem, ebenso sollten Schnittstellen zu Payment-Anbietern verfügbar sein. Neben diesen Aspekten sollte der Händler bei der Wahl des Shopsystems aber auch auf suchmaschinenoptimierbare Landing Pages und ein ordentliches E-Mail-Marketing achten. „Wichtig ist in diesem Schritt, wirklich alle Wünsche erst einmal aufzunehmen und nichts mit dem Hinweis ,Das brauchen wir nicht‘ oder ,Das ist eh zu teuer‘ wegzudiskutieren“, meint Eickmann. „Die Gewichtung und Bewertung der einzelnen Punkte auf der Wunschliste erfolgt dann im zweiten Schritt.“

Ratgeber: Der Weg zum passenden Webshop

Kann, Soll, Muss
In diesem zweiten Schritt geht es ans Eingemachte: Welche Punkte auf dem übervollen Wunschzettel sind unverzichtbar für die eigenen Ziele? Welche sind nette Dreingaben, ohne die der Shop aber dennoch prima leben könnte? „In diesem Schritt des Entscheidungsprozesses werden Kann-, Soll- und Muss-Kriterien definiert“, erklärt Eickmann. „Das muss sein, denn kein System kann alle Wünsche erfüllen. Trotzdem wird der Prozess an dieser Stelle oft schmerzhaft.
Manchmal kann ein Blick auf die Konkurrenz bei der Auswahl helfen: Was machen die anderen in meinem Segment, was werden dementsprechend die Kunden wohl von mir erwarten?“ Der so bewertete und strukturierte Wunschzettel wird dann noch mit den absoluten K.o.-Kriterien versehen: Budgetgrenzen, bestehende Support Agreements und notwendige Schnittstellen zu bereits eingesetzten Systemen. K.o.- und Muss-Kriterien zusammen reduzieren die scheinbar unendliche Auswahl des Shop-System-Markts schon deutlich. „Meistens sind zu diesem Zeitpunkt des Prozesses nur noch drei bis fünf Systeme übrig, die infrage kommen“, schätzt Eickmann. „Sind es weniger, muss nochmals an den Muss-Kriterien gearbeitet werden.“
Kontaktaufnahme
Der Händler muss sich nun entscheiden: Nutzt er das – meist deutlich umfangreichere – Angebot eines professionellen Shop-System-Herstellers oder will er eine einfachere Open-Source-Lösung verwenden? Im ersten Fall wird dem Anbieter der fertige Kriterienkatalog geschickt mit der Bitte um Bearbeitung: Welche Funktionalitäten bietet das System, und wie sehen diese in Front- und Backend genau aus? Sind sie in der Standardinstallation enthalten oder kann der Hersteller vielleicht mit einer Spezialanfertigung dienen? Wenn ja, was kostet sie? Dieser erste Kontakt zwischen Shop-Betreiber und potenziellem System-Provider ist nicht nur rein informativer Natur. „Die Reaktion des Shop-System-Herstellers sagt auch etwas über seine Support-Geschwindigkeit aus und darüber, ob die Chemie zwischen Kunde und Dienstleister stimmt“, urteilt Eickmann.
Etwas komplizierter wird es, wenn zu den infrage kommenden Shop-Systemen eine Open-Source-Lösung gehört. Hier muss sich der zukünftige Shop-Betreiber selbst auf die Suche machen und die Möglichkeiten des Systems ausloten. Auch hier kann der Blick auf die Webshops anderer Händler helfen. Den Abschluss des Auswahlprozesses bildet das Rechenbrett: Wie sieht die Kostenplanung aus? Was kostet das System in der Anschaffung, wie schlagen Unterhalt, Support und eventuelle Weiterentwicklungen zu Buche? „In der Regel benutzt man ein Shop-System zwei bis fünf Jahre – eine Kostenplanung sollte daher etwa drei Jahre beinhalten“, so Eickmann.

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Darf’s etwas individueller sein?
Die meisten Webshop-Betreiber werden viele Jahre ihres Geschäftslebens mit Standard-Shop-Lösungen arbeiten. Die Kosten dieser „Fertigbauten“ sind überschaubar, und längst sieht man einem Shop nicht mehr auf den ersten Blick an, mit welchem Shop-System er gebaut wurde. Die meisten Software-Hersteller in diesem Bereich haben in den letzten Jahren an der Individualität ihrer Lösungen gefeilt und bieten ein flexibles Templating an, mit dem sich auch für Laien ohne größeren Aufwand individuelle Shops erstellen lassen. Auch bei der Skalierbarkeit der Systeme hat sich eine Menge getan: Sie kommen heute mit deutlich mehr Produkten und Bestellungen zurecht als noch vor ein paar Jahren und lassen sich oft durch einen ganzen Schnittstellen-Reigen an die unterschiedlichsten Warenwirtschafts-, Webanalyse- und Marketing-Systeme anbinden.
Dennoch kann der Händler mit seinen Wünschen in Sachen Design, Individualisierung und Skalierbarkeit an die Grenzen eines Shop-Systems stoßen. Dann kann es sich lohnen, über eine maßgeschneiderte Profilösung oder gar über die Full-Service-Dienstleistungen von Anbietern wie Wiethe, Arvato Services oder Atrada nachzudenken. „Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist der Grad an gewünschter Individualität, Einzigartigkeit und Performanz“, sagt Konstantin Waldau, CEO der Atrada AG. „Wichtige Kriterien sind hierbei: Welche Botschaft, welches Image möchte ich mit meinem Online-Auftritt vermitteln? Welche Anforderungen soll mein Shop in Sachen Konfigurationsmöglichkeit oder Angebotsmix erfüllen?“
Bei größeren Vertriebsanforderungen kann sich auch der finanzielle Vergleich lohnen: Ist es vielleicht günstiger, aufwendige Posten wie Logistik und Payment dem gleichen Dienstleister zu überlassen, der auch schon den Shop managt? Fällt die Entscheidung für eine individuelle Lösung, sollte man etwas Zeit für den Umstieg einplanen: Nach einer umfassenden Bestandsaufnahme durch den Dienstleister dauert es etwa acht bis zehn Wochen, bis eine maßgeschneiderte Lösung komplett realisiert und einsatzbereit ist, schätzt Waldau.

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Shop vom Distributor
Wer sich nicht selbst mit der Auswahl und der Einrichtung eines Shops befassen will oder kann, findet bei einigen Distributoren gehostete Lösungen zum Mieten. Für einen monatlichen Betrag stellen die Großhändler interessierten Handelspartnern eine eigene Online-Shopping-Plattform zur Verfügung und binden – je nach gewählter Variante – sogar das aktuelle Produktangebot inklusive der tagesaktuellen Preise mit ein. Der Händler kann so relativ einfach einen Webshop auf die Beine stellen, der auch ans eigene Corporate Design angepasst werden kann. Distributoren wie zum Beispiel Ingram Micro, Actebis Peacock, Herweck, NT plus oder Tech Data bieten bei ihren Shop-Systemen nahezu alle Features an, die sich auch in einem Webshop eines darauf spezialisierten Anbieters finden.
Dazu zählen neben der erwähnten Einbindung von Produkten samt Bild und Artikelbeschreibung auch eine individuelle Preisgestaltung, unterschiedliche Versandkosten je nach Produkt und Cross-Selling-Optionen. Damit wird dem Endkunden auf der Website zum gewünschten Handy auch gleich die passende Schutzhülle und ein Bluetooth-Headset angeboten. Hinzu kommt eine Vielzahl unterschiedlicher Templates, mit denen sich beispielsweise Top-Produkte prominent auf der Startseite platzieren lassen.
Für welche Lösung sich der Händler am Ende auch entscheidet – ihm muss klar sein, dass ein Webshop keine Gelddruckmaschine ist, die ohne weiteres Zutun für zusätzlichen Umsatz sorgt. Der Shop will gepflegt und aktualisiert werden, außerdem sollte sich der Händler bemühen, ihn bei Suchmaschinen bekannt zu machen. Das wiederum erfordert die Hilfe eines Spezialisten, denn mit einem einfachen Eintrag bei Google ist es nicht getan. Die Kosten, die dem Händler durch Einrichtung, Pflege und Bekanntmachen des Shops entstehen, können so sehr schnell in die Höhe gehen. Wer den Schritt in die Welt des Online-Shopping dennoch wagt und die nötige Ausdauer beweist, kann damit am ständig wachsenden Markt teilhaben und zusätzlichen Umsatz erwirtschaften.