Scoring 04.09.2009, 16:35 Uhr

Die Methoden der Auskunfteien

Auskunfteien ziehen zur Beurteilung von Privatkunden Unmengen von Daten heran – Gewichtung der Daten wird nicht kommuniziert –
Verbraucherschutzministerin prangert hohe Fehlerquoten bei Schufa & Co. an – Ab April haben Verbraucher mehr Rechte.
Das Thema schlug – vor allem gut einen Monat vor der Bundestagswahl – hohe Wellen: Die Studie „Verbraucherinformation Scoring“ der GP Forschungsgruppe brachte alarmierende Ergebnisse zutage. Die Erhebung, die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (www.bmlev.de) in Auftrag gegeben worden war, hatte schwere Mängel bei Anbietern von Scoringmethoden für die Prüfung der Kreditwürdigkeit ergeben. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner kritisierte vor allem das Ausmaß der fehlerhaft gespeicherten Daten bei Auskunfteien, sie prangerte aber auch das Auskunftsverhalten von Schufa & Co. an.
„Die Fehlerquoten der gesamten Daten sind viel zu hoch, die den Verbrauchern erteilten Selbstauskünfte oft völlig unbrauchbar“, so Aigner. Nun muss vorweg eingeräumt werden, dass die Studie bei nur 100 Testpersonen nicht unbedingt als repräsentativ gelten kann – wie auch einige betroffene Auskunfteien auf Nachfrage von Telecom Handel bemerkten. Dennoch hat Aigner ein brisantes Thema in den Mittelpunkt gerückt. Denn Scoring betrifft jeden einzelnen Verbraucher.
Jeder wird bewertet
Bei jeder Online-Bestellung, bei der die Ware per Rechnung ausgeliefert wird, prüft der Versandhändler vorab die Kreditwürdigkeit des Kunden. Wer heute einen Computer auf Raten kauft, wird ebenfalls vorab durchleuchtet. Eine Wohnung kann oft nur mieten, wer seinem Vermieter mittels einer Schufa-Auskunft seine Bonität nachweist. Und schließlich spielt das Scoring bei der Aufnahme von privaten Krediten bei Banken eine entscheidende Rolle. Je höher der Scorewert – im besten Falle liegt er bei 100 Prozent –, desto günstiger wird letztendlich der Kredit.

Scoring: Die Methoden der Auskunfteien

Die Bonitätsprüfung spielt auch in der Telekommunikation eine gewichtige Rolle: TK-Anbieter holen über die Verbraucher, die einen Handy-Vertrag abschließen wollen, ebenfalls einen Scorewert bei Auskunfteien ein. Allerdings geben die meisten Unternehmen an, dass das Scoring nur ein Bestandteil der Bonitätsprüfung der Kunden sei und noch eigene Daten in die Bewertung mit einfließen. Dies zeigt auch das Beispiel von Rafael Stockmar, Geschäftsführer der Stockmar GmbH. Er wollte als Testkunde das komplette Leistungspaket bei Kabel Deutschland bestellen und ist durch die Bonitätsprüfung gefallen – obwohl sein Schufa-Scorewert bei annähernd 100 Prozent liegt (siehe Interview). E-Plus wiederum wirbt vor den eigenen Läden mit dem Slogan „Base trotz Schufa“. Telecom Handel hat deshalb bei einigen Auskunfteien nachgefragt, welche Daten sie in welcher Gewichtung für das Scoring heranziehen.
Ein Geben und Nehmen
Die Auskunfteien sammeln einerseits unzählige Daten aus öffentlichen Quellen, beispielsweise über Privatinsolvenzen oder eidesstattliche Versicherungen von Verbrauchern, die in den Schuldnerverzeichnissen der Amtsgerichte eingetragen sind oder im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. In einem zweiten Schritt erhalten sie zudem auch von ihren Partnern umfangreiches Material; ein Mobilfunknetzbetreiber meldet beispielsweise, wenn ein Kunde seine Rechnungen nicht bezahlt hat, an Schufa & Co. Arbeitet eine Auskunftei auch mit Banken zusammen, melden die Kreditinstitute die Eröffnung eines Girokontos, Daten über Kreditkarten oder generell die Kreditaktivitäten des Verbrauchers.

Scoring: Die Methoden der Auskunfteien

en Daten werden noch weitere – statistische Merkmale – hinzugezogen. Häufig wird gemutmaßt, dass auch die Wohngegend des Verbrauchers für die Bewertung eine Rolle spielt – das sogenannte Geo-Scoring. Schufa (www.schufa.de) und Creditreform Consumer (www.ceg-plus.de) weisen diesen Vorwurf allerdings zurück und geben an, der Wohnort spiele bei ihrer Bewertung keine Rolle. Arvato Infoscore (www.arvato-infoscore.de) hingegen räumt ein, dass auch sogenannte mikrogeografische Daten bei der Score-Bewertung zum Einsatz kommen. „Sie bilden jedoch nie das allein ausschlaggebende Merkmal“, betont Geschäftsführer Wolfgang Hübner.
Mit welcher Gewichtung die erhobenen Daten allerdings in die Bewertung einfließen – darüber hüllen sich die Anbieter (noch) weitgehend in Schweigen. Arvato-Infoscore-Chef Hübner: „Da weitere Unternehmen in Teilen ähnliche Scoring-Verfahren einsetzen, ist es uns aus Wettbewerbsgründen leider nur in beschränktem Maße möglich, über die in unsere eigenen Scorewerte einfließenden Daten Auskunft zu geben.“ Im Klartext: Man will sich von den Wettbewerbern nicht allzu sehr in die Karten schauen lassen. Das wird sich ändern, denn der Bundestag hat eine umfassende Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes zur Regulierung in den Bereichen Scoring und Auskunfteien beschlossen.
Mehr Rechte für Verbraucher
Auskunfteien müssen ab April 2010 Privatkunden einzelfallbezogen und in allgemein verständlicher Form über das Zustandekommen von Scorewerten informieren. Das von vielen kritisierte Geo-Scoring wurde zwar nicht verboten, allerdings ist es künftig nur mehr eingeschränkt möglich. Verbraucher können zwar schon heute eine sogenannte Selbst- oder Eigenauskunft bei den Auskunfteien in Auftrag geben, meist geht das ganz einfach über das Internet. Doch die übermittelten Informationen sind oft dürftig.
Telecom Handel hat stichprobenartig bei der CEG und bei der Schufa Eigenauskünfte beantragt, die auch zügig beantwortet wurden. Die CEG lieferte als einzige Auskunft die aktuelle Adresse und keine Angaben über den persönlichen Scorewert. Die Schufa-Auskunft zeigte zwar den Scorewert, wie dieser Wert zustande kam, dazu gab es keinerlei Erklärungen. So bleibt den Verbrauchern nur die Hoffnung auf das kommende Jahr, wenn sie gegenüber den Auskunfteien mehr Rechte haben.

Interview mit Rafael Stockmar, Geschäftsführer der TK Stockmar GmbH

Rafael Stockmar, Geschäftsführer der TK Stockmar GmbH in Kaltenkirchen, hat in einem Test das komplette Leistungsangebot von Kabel Deutschland bestellt: Internet, Telefon, Kabelanschluss sowie das Mobilfunkangebot Mobile Kabel mit zwei SIM-Karten und einem Surfstick. Für Mobile Kabel wurde er abgelehnt.
Telecom Handel: Sie versuchen bislang vergeblich, Mobile Kabel von Kabel Deutschland zu nutzen. Wie kommt das?
Rafael Stockmar: Ich bekam Ende Juli eine Mail von Kabel Deutschland, dass ich die Bonitätsprüfung nicht bestanden habe. Erstaunlich war nur, dass es bei meinem Kabelanschluss sowie beim Internet- und Festnetzanschluss keine Probleme gab.
Telecom Handel: Und wie haben Sie daraufhin reagiert?
Stockmar: Zuerst war ich erstaunt, dann habe ich sofort eine Selbstauskunft bei der Schufa angefordert, nach der ich einen Scorewert von nahezu 100 Prozent habe. Darauf habe ich wieder Kabel Deutschland kontaktiert.
Telecom Handel: Mit welchem Ergebnis?
Stockmar: Ich erhielt sehr unterschiedliche Auskünfte – unter anderem, dass meine Bonität schlecht sei. Ich hätte noch offene Posten bei Kabel Deutschland, außerdem habe mich O2 als Partner für das Mobilfunkangebot abgelehnt. All das war und ist für mich nicht nachvollziehbar.
Telecom Handel: Wie geht es nun weiter?
Stockmar: Mittlerweile vermutet Kabel Deutschland, dass die Schwierigkeiten dadurch zustande kamen, dass ich gleichzeitig den Festnetz- und den Mobilfunkanschluss bestellt habe. Kabel Mobile gibt es nämlich nur für Bestandskunden von Kabel Deutschland. Wie auch immer, die Angelegenheit ist äußerst unbefriedigend für mich. Wie soll ich reagieren, wenn ein Kunde von mir abgelehnt wird?