E-Billing 06.10.2010, 12:19 Uhr

Online statt offline

Mit elektronischen Rechnungen können Händler mit eigenem Online-Shop ihre Kosten deutlich reduzieren. Probleme bereitet aber noch die unsichere Rechtslage.
Bis vor wenigen Jahren verschickte der Internet-Dienstleister Webspace-Verkauf seine Rechnungen per Post – heute erhalten seine Kunden die Dokumente per Mail oder können diese selbst aus einem Internet-Portal herunterladen. Der Grund für das Umdenken: Der elektronische Versand der Rechnungen ermöglicht dem Inhaber Markus Thumerer „Einsparungen in der Höhe eines Kleinwagens“, so der Oberfranke.
Die Summe setzt sich zusammen aus den wegfallenden Portokosten, etwa 8.500 Euro pro Jahr. Daneben fallen noch Arbeitsprozess- und Materialkosten an, etwa für das Falzen und Kuvertieren der Briefe oder das Papier selbst. Um rund 20.000 Euro konnte Thumerer über das Jahr gesehen seine Kosten senken – für ein mittelständisches Hosting-Unternehmen eine stattliche Summe.
Noch ist Thumerer allerdings eher ein Pionier denn ein Trendsetter in Sachen E-Billing: „In Deutschland werden jährlich etwa sechs bis sieben Milliarden Rechnungen verschickt, der Anteil elektronischer Rechnungen liegt derzeit allerdings nur bei sechs bis neun Prozent“, sagt Bruno Koch, Geschäftsführer des Schweizer E-Billing-Spezialisten Billentis. Allerdings ist das Wachstum in diesem Segment äußerst robust: „Selbst während der wirtschaftlichen Krise lagen die jährlichen Wachstumsraten bei 40 Prozent“, so Koch weiter.
Und er geht davon aus, dass europaweit im Jahr 2015 mehr als die Hälfte der rund 30 Milliarden versendeten Rechnungen elektronisch verschickt werden. „Sieben Millionen Bäume müssen dadurch nicht mehr gefällt, zu Papier verarbeitet und anschließend recycelt werden“, führt Koch – zugegeben etwas polemisch – aus. Doch es ist nicht der „grüne“ Gedanke, der immer mehr Unternehmen dazu bringt, von Print auf digitale Rechnungen umzusteigen. Es sind vielmehr die vielfältigen Möglichkeiten, die Kosten zu reduzieren und die Billing-Prozesse im Unternehmen zu automatisieren.

Auf Knopfdruck zum Empfänger

Beim manuellen Rechnungsversand werden die Dokumente aus den ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning) oder bei Kleinunternehmen aus Word oder Excel heraus erstellt. Dabei werden die Kundendaten erfasst, mit den Leistungen, die der Kunde erhielt, zusammengefasst, ausgedruckt, gefalzt, kuvertiert und auf den Postweg gebracht. Auch bei E-Invoice erfolgt die Rechnungserstellung weiterhin im Backend-System. Von dort werden die Daten allerdings nicht mehr an einen Drucker und dann per Papier an den Kunden geschickt, sondern nur noch elektronisch zur Verfügung gestellt – entweder per Mail oder über ein Portal.
Bei Letzterem erhält der Kunde per Mail die Information, dass eine Rechnung für ihn zum Abruf bereitsteht. Matthias Neumer, Geschäftsführer der Gotomaxx Software GmbH, rät seinen Kunden generell zur Portal-Lösung: „Der Versender verliert sonst ab dem Senden die Kontrolle“, erklärt er. So weiß ein Händler nicht, ob die Rechnung auch beim richtigen Empfänger angekommen ist – und wenn ja, ob sie gelesen wurde. Über ein Online-Portal aber, auf dem die Rechnung auch digital qualifiziert signiert werden kann, kann jeder Versender selbst Kontrollmechanismen einrichten und beispielsweise automatisch generierte Erinnerungs-Mails verschicken, sollte die Rechnung nicht nach einigen Tagen abgerufen werden.
Die Beispiele zeigen: Es gibt eine Vielzahl von E-Billing-Lösungen und -Modellen. Der Rechnungssteller kann die Daten über eine Softwarelösung direkt elektronisch dem Empfänger zustellen. Alternativ kann er einen Dienstleister – einen sogenannten Konsolidator – beauftragen, die Daten entsprechend aufzubereiten und dem Kunden zuzustellen. „Einfache Softwarelösungen für den elektronischen Rechnungsversand in Eigenregie sind schon ab wenigen Hundert Euro verfügbar“, erklärt Marcus Laube, Geschäftsführer des Frankfurter E-Billing-Dienstleisters Crossinx und Vorstandsmitglied im Verband elektronische Rechnung (www.e-invoice-alliance.de). Bei Webspace-Verkauf beispielsweise fallen pro Jahr rund 3.900 Euro für die Nutzung des Portals an. Viele E-Billing-Dienstleister haben auch transaktionsorientierte Abrechnungsmodelle entwickelt, und manchmal werden zusätzlich Implementierungsgebühren berechnet. Ein genauer Vergleich lohnt sich also.
Generell gilt: Händler sollten vor der Einführung von E-Billing-Lösungen auch immer die Vorlieben des Kunden im Auge behalten. „Je nach Kundengruppe können die Anforderungen und Erwartungen sehr unterschiedlich sein“, warnt Laube. B2C-Kunden zum Beispiel kennen E-Billing bereits von den Telefon- oder Stromanbietern, die ihre Rechnungen mittlerweile größtenteils per Mail versenden oder zum Download bereitstellen. Die Akzeptanz ist bei den Kunden groß, die Anforderungen sind gering. Gibt es doch Vorbehalte, so lassen sich die Kunden in der Regel schnell von der elektronischen Rechnung überzeugen. Auch hier haben die Telefon- und Stromanbieter den Weg geebnet: Kunden, die auf elektronische Rechnungen umstellen, erhalten eine einmalige Gutschrift – dieser Aufwand amortisiert sich für den Versender schon nach wenigen Rechnungen.

Vorbehalte im B2B-Bereich

Im B2B-Bereich, bei den Geschäftskunden also, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Vor allem kleinere Unternehmen haben Vorbehalte: Sie können nämlich den Vorsteuerabzug nur bei qualifiziert signierten Rechnungen geltend machen. Die Signatur soll sicherstellen, dass die elektronische Post auch wirklich vom Empfänger stammt und nicht verändert wurde. Und schließlich müssen alle Daten noch einmal elektronisch gespeichert werden, um im Falle einer Steuerprüfung die Rechtssicherheit der Dokumente nachweisen zu können (siehe Kasten). Viele Unternehmen scheuen deshalb den Aufwand und ziehen dann doch die „alte“ Papierrechnung der „neuen“ elektronischen vor.
E-Billing lohnt sich, wenn …
Wie das Beispiel Webspace-Verkauf zeigt, können sich einfachere E-Billing-Lösungen trotzdem auch für kleine und mittelständische Unternehmen lohnen. E-Billing ist aber auch geeignet für Händler, die Streckengeschäfte nutzen – also kein eigenes Lager haben und die Waren über einen Logistiker versenden, wie es bei vielen Mobilfunkhändlern der Fall ist. Händler mit eigenem Lager hingegen legen in der Regel dem Paket auch gleich eine Rechnung mit dem Lieferschein bei – bei Händlern ohne Lager geschieht dies separat. Wer allerdings glaubt, von einem Tag zum anderen seine traditionelle Rechnungsstellung komplett umstellen zu können, der irrt. „Der Anteil elektronischer Sendungen wird in den nächsten Jahren zwar weiter steigen, der klassische Brief wird allerdings nicht vollends verschwinden“, macht Raimund Schlotmann, Geschäftsführer Itella Deutschland, klar und dämpft allzu große Erwartungen.
Und noch ein Umstand macht vielen E-Invoice-Dienstleistungen zu schaffen: die unsichere Rechtslage. Denn erst wenn klar ist, welche Konsequenzen das EU-Urteil aus diesem Juli zur Gleichstellung von elektronischer und Papierrechnung hat – ob dadurch beispielsweise die qualifizierte elektronische Signatur weiterhin Pflicht sein wird –, wird der Anteil elektronischer Rechnungen deutlich zunehmen. „Und gerade im B2B-Bereich werden dann elektronische Rechnungen auch von den Kunden gefordert werden, um Rechnungen automatisiert verarbeiten zu können“, prognostiziert Bastian Wetzel, Geschäftsführer der Collmex GmbH.

Qualifizierte elektronische Signatur

Mitte Juli beschloss der EU-Ministerrat eine Neuregelung der Mehrwertsteuerrichtlinie – mit weitreichenden Folgen für das Signaturgesetz: Kernstück der Reform ist eine Gleichbehandlung von Rechnungen in Papierform und elektronischen Rechnungen. Künftig überlässt es die Europäische Union den Beteiligten, die Authentizität, Integrität und Lesbarkeit einer Rechnung zu gewährleisten, unabhängig davon, ob sie per Post oder elektronisch zugestellt wurde.
Zulässig sind künftig alle Verfahren, die den Zusammenhang zwischen einer Rechnung und der Lieferung von Waren oder Dienstleistungen zuverlässig herstellen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben bis Ende 2012 Zeit, die neue Direktive in nationales Recht umzusetzen. Wie die Vorgaben an die Rechnungssteller ab 2013 allerdings konkret aussehen, ist bislang noch offen. Sicher ist nur: Bis dahin gilt in Deutschland noch uneingeschränkt die Pflicht zur qualifizierten elektronischen Signatur.
Eine qualifizierte elektronische Signatur ist letztendlich mit einer elektronischen Unterschrift zu vergleichen, die die Urheberschaft (Authentizität) von elektronischen Daten belegt und somit den gleichen Stellenwert hat wie eine handgeschriebene Unterschrift – allerdings eine ganze Reihe von Voraussetzungen erfüllen muss, um auch rechtlich anerkannt zu werden. So muss sie unter anderem ein Zertifikat („Öffentlicher Schlüssel“) von einem Zertifizierungsdienst verwenden. Dieses Zertifikat ist eine elektronische Bescheinigung, mit der ein Signaturprüfschlüssel einer Person zugeordnet und die Identität dieser Person bestätigt werden kann.
Wichtig: Das verwendete Signatursystem muss von der Bundesnetzagentur (www.bundes netzagentur.de) zugelassen sein, nur dann ist der Umsatzsteuervorabzug auch rechtens. Im B2B-Bereich ist der Einsatz einer qualifizierten elektronischen Signatur deshalb ein absolutes Muss. Eine Rechnung unsigniert zu versenden ist allerdings auch im B2C-Bereich nicht rechtens, das Umsatzsteuergesetz macht hier keine Ausnahme. „Ein Abmahnrisiko besteht also auch für Firmen, bei denen der Kunde keine Vorsteuer ziehen möchte“, warnt deshalb Sebastian Jäschke, Geschäftsführer der Bremer Signagate.