Pencil Selling 11.01.2010, 11:27 Uhr

Verkaufen mit Stift und Papier

Früher war die Visualisierung eines Angebots Usus im Fachhandel – Dann wurde diese Verkaufsmethode durch vorgefertigte Flyer
verdrängt – Heute erlebt das Pencil Selling eine Renaissance – Der Vorteil: Es erleichtert die Beratung und stärkt die Kundenbindung
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – das ist die Idee, die dem Pencil Selling zugrunde liegt. Lange Zeit in Vergessenheit geraten, erlebt das Verkaufen mit Stift und Papier heute wieder eine Renaissance. Immer mehr Händler versuchen bei ihren Gesprächen mit potenziellen Kunden ihr Angebot zu visualisieren – statt dem Kunden einfach einen Flyer vorzulegen, anhand dessen sie die Möglichkeiten besprechen. Beim Pencil Selling „erarbeiten“ Verkäufer und Kunde gemeinsam den optimalen Tarif oder die beste Wahl für das neue Handy – und zeichnen die einzelnen Schritte Punkt für Punkt auf.
Ein Beispiel: Ein Kunde, der einen neuen Handy-Vertrag abschließen möchte, wird zuerst über seine Telefoniergewohnheiten befragt. Wie viele SMS schreibt er pro Monat, wie lange telefoniert er ins Festnetz, nutzt er das Handy auch für den mobilen Internetzugang? Die klassischen Fragen also, die jeder Verkäufer von der Pike auf gelernt hat. Jede dieser Antworten notiert der Verkäufer auf einem Formular und wertet sie gemeinsam mit dem Kunden aus.
Win-win-Situation am PoS
Der Vorteil: Der Kunde kann während des Gesprächs noch einmal in sich gehen und überprüfen, ob er wirklich 90 SMS pro Monat verschickt. Der Verkäufer wiederum kann sicher sein, dass er seinen Kunden nicht „verliert“, indem er ihm eine Vielzahl von Tarifen vorstellt – denn kaum ein Kunde weiß beim dritten Tarif noch, worin dieser sich vom ersten unterscheidet. Am Ende der Beratung hat der Verkäufer erstens viele wertvolle Informationen über den Kunden gesammelt, die er – dessen Einverständnis vorausgesetzt – für weitere Marketingaktionen nutzen kann.
Der Kunde wiederum erhält die Aufzeichnung oder eine Kopie und kann so sicher sein, dass er mit der ersten Rechnung keine böse Überraschung erlebt, weil sein Vertrag doch teurer ist, als er noch im Handy-Shop gedacht hatte. „Das ist eine Win-win-Situation für beide Parteien“, betont Ulrich Wolf, Inhaber zweier E-Plus-Partnershops in Andernach und Mayen, Rheinland-Pfalz. Er hat mit dieser Verkaufsmethode die Abschlussquoten in seinen Shops deutlich gesteigert und plant, das Pencil Selling noch auszubauen.

Pencil Selling: Verkaufen mit Stift und Papier

Auch Jan Lairitz, Trainer der Komsa AG in Hartmannsdorf, ist ein bekennender Fan dieser Verkaufsmethode. Fragt man ihn beispielsweise nach dem größten Fehler beim Pencil Selling, so antwortet er wie aus der Pistole geschossen: „Dass es nicht gemacht wird!“ Und er nennt einen weiteren Grund, der für das Verkaufen mit Stift und Papier spricht: „Gerade für Verkäufer, die Angst vor der Abschlussfrage haben oder auch eine eigene Visualisierung benötigen, um sicher im Face-to-Face-Verkaufsgespräch zu agieren, ist Pencil Selling eine große Hilfe.“
Zudem sei im Mobilfunkhandel der normale Verkaufsprospekt oder Angebotsflyer voll mit zusätzlichen und ablenkenden Informationen, so Lairitz weiter. Mit Pencil Selling jedoch bekommt der Kunde sein persönliches Angebot mit auf den Weg, das er jederzeit nachvollziehen kann. „Vor allem erinnert er sich anschließend an den Berater und das Geschäft, was bei einem normalen Flyer – auch mit Händleradressstempel – bei Einmalkontakt fast ausgeschlossen ist.“
Verschiedene Methoden
Einige Carrier und Distributoren haben die Vorteile des Pencil Sellings längst erkannt und bemühen sich, ihre Händler dafür zu begeistern. E-Plus hat zum Beispiel für seine Partner Vorlagen entwickelt, anhand derer die Händler die Verkaufsgespräche führen können. Der Vorteil: Am PoS werden alle wichtigen Punkte abgefragt, vor allem für jüngere und unerfahrene Händler kann dies von Vorteil sein. „Gewisse Strukturen und Vorgaben helfen auch für den Fall, dass ein Kollege für einen kranken Mitarbeiter kompetent einspringen kann“, betont Komsa-Trainer Lairitz. Manche Händler wie auch Ulrich Wolf erweitern oder kürzen diese Vorlagen dann nach ihren individuellen Verkaufsstrategien.
Alternativ arbeiten Reseller ohne Vorlagen und wenden das „Freestyle Pencil Selling“ an. Diese Methode eignet sich dann, wenn ein Händler ein altes Angebot mit dem eigenen vergleichen möchte. Dabei gibt es einen zwar schon älteren, aber noch immer wirkungsvollen Trick: Die „alten“ Fakten werden mit einem „-“ (Minus) gekennzeichnet und kleingeschrieben, die neuen, eigenen Fakten groß und mit allen Details beschrieben sowie mit einem „+“ (Plus) markiert. „Alleine dadurch sieht das eigene Angebot schon deutlich positiver aus“, erklärt Lairitz.

Verkaufen mit Stift und Papier

Andere Händler vertrauen beim Verkauf auf die Darstellung des Angebots über Zeichnungen und Skizzen – vor allem bei komplexeren Installationen wie etwa Heimnetzwerken oder im B2B-Bereich ist diese Form des Pencil Sellings beliebt. Kinga Wagner von P-SPE Partner in Frankfurt/Main warnt dabei aber vor einem „technokratischen“ Vorgehen.
„Es wirkt sich ungünstig aus, wenn Verkäufer bestimmte Zeichnungen trainieren und diese grundsätzlich zeigen, unabhängig davon, ob der Käufer darin Antworten auf seine Fragen findet.“ Sie rät deshalb dazu, lieber einfache Skizzen zu zeichnen, als den Kunden mit Bildern zu überfrachten. Auch ist es ungeschickt, wenn ein Verkäufer beim Zeichnen zu lange braucht – das suggeriert dem Kunden mangelnde Kompetenz.
„Pencil Selling nur um des Pencil Sellings zu betreiben“ sei letztendlich die größte Gefahr und der größte Fehler bei dieser Verkaufsmethode, resümiert wiederum Detlef Persin, Inhaber des Beratungsunternehmens Naos in Gießen. Anders formuliert: Verkäufer müssen ihre Kunden aktiv in das Verkaufsgespräch mit einbeziehen.