Hilfe vom Staat
18.03.2020, 10:27 Uhr

Corona-Krise: So kommen Händler an Soforthilfen heran

Um Einbußen in Firmen aufgrund der Corona-Krise so gering wie möglich zu halten, hat das Bundesfinanzministerium ein Milliarden-schweres Hilfsprogramm beschlossen. Wir zeigen, wie Händler und Unternehmen auf Bundes- und Länderebene davon profitieren können.
(Quelle: Fotolia.com/babimu)
Noch kann niemand die Tragweite beschreiben, die die Corona-Krise auf die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland haben wird, weil aussagekräftige Daten erst später vorliegen werden - sagt zumindest die Regierung. Dabei hat die Ausbreitung des Coronavirus in Europa jetzt schon tiefe Spuren in der deutschen Wirtschaft hinterlassen. Vor allem der Einzelhandel geht schwierigen Zeiten entgegen, seit gestern müssen Händler ihre stationären Shops geschlossen halten.
Bereits in den vergangenen Wochen ist der Umsatz deutlich zurückgegangen, weil Kunden weggeblieben sind. Der Handelsverband Bayern spricht von 30 bis 40 Prozent Umsatzschwund. Viele kleine, inhabergeführte Geschäfte würden jetzt ums Überleben kämpfen. "Der stationäre Handel wird große Umsatzrückgänge erleiden", so auch Thomas Scherer, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Deutschland für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.
Um Einbußen in den Firmen so gering wie möglich zu halten und "Arbeitsplätze und Unternehmen aller Größen und Branchen zu schützen", hat das Bundesfinanzministerium in einem Schnellverfahren Mitte März ein Milliarden-schweres Hilfsprogramm und steuerpolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht.
"Wir haben die finanzielle Kraft, die Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie zu bewältigen. Wir wappnen unser Gesundheitssystem und die Wirtschaft finanziell für das Bewältigen der Epidemie", so die Regierung. Möglichst kein Unternehmen soll durch die Epidemie in Existenznot geraten und möglichst kein Arbeitsplatz verloren gehen, lautet das Versprechen.

Auf Bundesebene: Vier Säulen

Das "Milliardenschutzschild" für Beschäftigte und Unternehmen, die von den Auswirkungen des Coronavirus betroffen sind, beruht auf vier Säulen:
  • Kurzarbeitergeld flexibilisieren
  • Steuerliche Liquiditätshilfe für Unternehmen
  • Milliarden-Hilfsprogramme für Betriebe und Unternehmen
  • Stärkung des Europäischen Zusammenhalts

Kurzarbeitergeld

Wenn auf Grund schwieriger wirtschaftlicher Entwicklungen Aufträge ausbleiben - wie im aktuellen Fall -, kann ein Betrieb nun Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein könnten. Diese Schwelle lag bisher bei 30 Prozent der Belegschaft.
Für Händler ist derzeit das Kurzarbeitergeld ohnehin praktikabler als etwa Bankkredite, so Thomas Scherer. Denn ob Einzelhändler Arbeitsplätze streichen oder gar Insolvenz anmelden müssten, hängt von der Dauer der verordneten Schließungen ab.
Neu beim Thema Kurzarbeitergeld ist darüber hinaus, dass die Bundesagentur für Arbeit die Sozialversicherungsbeiträge, die Arbeitgeber normalerweise für ihre Beschäftigten zahlen müssen, künftig vollständig erstattet. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, Zeiten der Kurzarbeit stärker für die Weiterbildung der Beschäftigten zu nutzen.

Liquiditätshilfen

Für viele Unternehmen können aber auch die Kredite und Bürgschaften der Bundesregierung spannend sein, die in grundsätzlich unbegrenzter Höhe ausgegeben werden, um Firmen durch die Corona-Krise zu helfen.
Die bestehenden Programme für Liquiditätshilfen seien "erheblich" ausgeweitet worden, um den Zugang der Unternehmen zu günstigen Krediten zu erleichtern. "Dazu werden unsere etablierten Instrumente zur Flankierung des Kreditangebots der privaten Banken ausgeweitet und für mehr Unternehmen verfügbar gemacht", so die offizielle Erklärung.
Vergeben werden die Kredite über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die KfW muss dabei jeden einzelnen Antrag prüfen, den notleidende Unternehmen stellen - auch in der aktuellen Krisensituation.
Einen Antrag kann grundsätzlich jedes Unternehmen stellen. Die Bank unterscheidet dabei zwischen Unternehmen, die länger als fünf Jahre am Markt sind, und jungen Start-ups. Auch Freiberufler und Selbstständige können die Liquiditätshilfen in Anspruch nehmen.
Der erste Schritt ist hier der Weg zur Hausbank oder zu einem Finanzierungspartner der KfW. Dazu gehören Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie Geschäftsbanken. Diese überprüfen den Antrag und leiten ihn dann an die KfW weiter.
Die KfW übernimmt bei Corona-Hilfen je nach Programm zwischen 70 und 90 Prozent der Risiken für die vermittelnden Finanzierungspartner. Trotzdem gilt: Die Hausbank prüft nach wie vor wie gewohnt die Bonität. Dabei kann ein Händler etwa wie bisher auch für nicht kreditwürdig befunden werden.

Schutz vor Insolvenzen

Eine Ausnahme in Sachen Bonität gibt es aber: Um zu vermeiden, dass betroffene Unternehmen allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil Liquiditätshilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen, soll die reguläre dreiwöchige Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bereite eine entsprechende gesetzliche Regelung vor, um Unternehmen zu schützen, die infolge der Corona-Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten.
Für die neuen Programme für Liquiditätsengpässe stellt die Bundesregierung der KfW "die nötigen Garantievolumina" zur Verfügung. Das sei unproblematisch möglich. Denn im Bundeshaushalt stehe ein Garantierahmen von rund 460 Milliarden Euro zur Verfügung. Dieser Rahmen könne - sofern erforderlich - zeitnah um bis zu 93 Milliarden Euro erhöht werden.
Wie KfW-Sprecherin Alia Begisheva gegenüber dem Spiegel erklärt, seien die Zinsen unverändert. Lediglich die Risikoübernahme habe sich verändert. Damit gelten für Corona-Hilfen die üblichen Zinssätze der KfW. Aufgrund der aktuellen Niedrigzinsphase könne die KfW sehr günstige Kredite anbieten. Ihr Finanzierungspartner dürfe aber wie gewohnt eine eigene Marge aufschlagen. "Im Idealfall kann der Effektivzins gleich null sein", so Begisheva.

Exportgeschäfte

Darüber hinaus werden auch Firmen und Händler mit Exportgeschäften in Drittländer unterstützt. Der Bund stellt der Wirtschaft mit Exportkreditgarantien (Hermesdeckungen) "eine flexible, effektive und umfassende Unterstützung bereit." Konkret sichern Hermesdeckungen Exporteure gegen wirtschaftlich oder politisch bedingte Forderungsausfälle ab und ermöglichen in vielen Fällen erst die notwendige Absatzfinanzierung eines Geschäfts. Durch die Übernahme einer Hermesdeckung wird das Risiko eines Zahlungsausfalls vom Exporteur beziehungsweise der finanzierenden Bank zu einem großen Teil auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen.
Diese Maßnahme wird flankiert durch ein KfW-Programm zur Refinanzierung von Exportgeschäften. Bei etwaigem zusätzlichem Bedarf für Exportdeckung und Refinanzierung lässt sich der Ermächtigungsrahmen sehr schnell erhöhen, so das Versprechen.
Viele Unternehmen fragen sich, ob das Geld angesichts der ungewissen Zukunftsaussichten überhaupt reichen kann. "Es ist genug Geld vorhanden, um die Krise zu bekämpfen", so zumindest die Antwort des Bundesfinanzministeriums. Diese Mittel würden jetzt eingesetzt. "Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen. Darauf kann sich jede und jeder verlassen. Mit präzisen, schnell wirkenden Sofortmaßnahmen wird auf die konjunkturelle Entwicklung durch das Corona-Virus reagiert. Dies geschieht in enger Abstimmung mit den Ländern sowie mit europäischen und internationalen Partnern."

Kontakte für Unternehmen

Infotelefon des Bundesgesundheitsministeriums zum Corona-Virus (Quarantänemaßnahmen, Umgang mit Verdachtsfällen, etc.): 030 346465100
Hotline zu Fördermaßnahmen: 03018615 8000
Hotline der KfW: 0800 539 9001
Beantragung von Kurzarbeitergeld: Zuständig ist die örtliche Arbeitsagentur
Unternehmerhotline der Bundesagentur: 0800 45555 20

Auf Länderebene: Bayern als Vorreiter

Nicht nur der Bund selbst, auch die jeweiligen Länder bieten darüber hinaus entsprechende Hilfspakete an, die derzeit noch ganz unterschiedlich ausfallen und ständig Aktualisierungen unterworfen sind. Diese dürften durch ihren Soforthilfe-Charakter gerade für kleinere Händler relevanter sein als die bundesstaatlichen Maßnahmen.
Händler, die sich über die konkreten Maßnahmen in ihren Bundesländern informieren wollen, gehen derzeit am Besten den Weg über die Industrie- und Handelskammer (IHK): Diese hat auf ihren Internet-Portalen alle relevanten Informationen übersichtlich aufbereitet und aktualisiert diese kontinuierlich.
Über den „IHK-Finder“ findet man schnell die für das eigene Bundesland zuständigen Vertretungen und deren Web-Auftritte - in Deutschland gibt es insgesamt 79, die für unterschiedlich große Regionen zuständig sind.
Ein weiterer Weg führt zu den Internet-Auftritten der Wirtschaftsministerien der einzelnen Bundesländer, die natürlich ebenfalls umfangreich informieren. Zur Übersichtsseite mit allen Links geht es hier entlang.  
Besonders zügig schreitet derzeit Bayern voran: Die bayerische Staatsregierung hat zehn Milliarden Euro an finanziellen Hilfen für betroffene Unternehmen angekündigt. Das Geld soll per Schnellantrag und möglichst unbürokratisch verteilt werden. Hierbei gibt es - zusätzlich zu den genannten Bundes-Maßnahmen - diese Möglichkeiten:
  • Die LfA Förderbank Bayern erweitert ihren Bürgschaftsrahmen auf 500 Millionen Euro, Ausfallbürgschaften bis zu 80 und 90 Prozent werden möglich. Erster Ansprechpartner für Unternehmen hier ist immer die Hausbank. Einen Kredit können Firmen mit einem Jahresumsatz bis 500 Millionen Euro bentragen, sowie Personen in den freien Berufen. Diese Kredite können für den Betriebsmittelbedarf und die kurzzeitige Umschuldung verwendet werden. Maximal können zehn Millionen Euro als Darlehen beantragt werden.

  • Soforthilfe für Betriebe bis 250 Mitarbeiter (auch Gastronomie, Tourismus, Einzelhandel, Kultur etc.): Es wartet eine bis zu 30.000 Euro schwere schnell abrufbare Unterstützung. Die Abwicklung läuft über die Bezirksregierung. Zum Antragsformular geht es hier.

  • Bayernfonds für Firmen, die kurz vor der Insolvenz stehen: Im absoluten Notfall kann sich der Freistaat an Unternehmen beteiligen, um Betriebe am Laufen zu halten.
Die Maßnahmenpakete der einzelnen Länder ähneln sich und werden derzeit entsprechend abgesteckt. Übergreifend bieten sich noch folgende Optionen:

Bürgschaftsbanken und Bundes- und Landesbürgschaften

Grundsätzlich können Kleinunternehmer, Mittelständler und Freiberufler in aktuellen Corona-Zeiten von Bürgschaftsbanken profitieren. Die Bürgschaftsbank ist ein nicht-gewinnorientiertes Förderinstitut.
Vergleichbare Institute gibt es in jedem Bundesland - angefangen von der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg GmbH über die Bürgschaftsbank Hessen GmbH bis hin zu Bürgschaftsbank Thüringen GmbH. Sie alle bieten 80-prozentige Ausfallbürgschaften bis 1,24 Millionen Euro Bürgschaftsvolumen bei mangelnden Sicherheiten an. Gesellschafter der Bürgschaftsbank sind die Spitzeninstitute der Kreditwirtschaft, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern sowie zahlreiche (Fach-)Verbände. Die Bürgschaftsbank arbeitet nicht gewinnorientiert, weshalb nur geringe Gebühren anfallen. Im Falle der Ablehnung eines Bürgschaftsantrags fallen in der Regel keine Kosten an. Eine Ausfallbürgschaft kostet eine einmalige Bearbeitungsgebühr und eine jährliche Bürgschaftsprovision.
Einen Schritt weiter gehen Bundes- und Landesbürgschaften. Sie richten sich an KMU und größere Firmen. Auch hier unterscheiden sich die Konditionen je nach Bundesland. Die Regel scheint eine maximale 50- bis 80-prozentige Ausfallbürgschaft für Investitions- und Betriebsmittelkredite zu sein, schreibt Onlinehaendler-News.de. Auch die Höhe der Landesbürgschaften kann demnach variieren: In strukturschwachen Regionen werden Bürgschaften bis 20 Millionen Euro übernommen; in anderen Regionen können diese auch höher ausfallen.




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