Interview 07.10.2021, 12:00 Uhr

Social Media: „Man muss es einfach machen“

Hamid Tabib Nia hat mit der Agentur von Sebastian Fiddicke Tausende Fans auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen gewonnen. Telecom Handel sprach mit den beiden über ihr Erfolgsgeheimnis.
(Quelle: Anton GrachevShutterstock)
Hamid Tabib Nia und Sebastian Fid­dicke erklären im Interview mit Telecom Handel, wie Händler mit Facebook, Instagram, WhatsApp und Co. dauerhaft erfolgreich sein können und welche Rolle die App Clubhouse dabei spielen kann.
Telecom Handel: Wenn man über das Thema Social Media spricht, muss man seit kurzem nicht nur ­Facebook, Instagram und Co. nennen, sondern auch Clubhouse. Ist das schon etwas für den Handel?
Sebastian Fiddicke: Das ist weniger gescriptet als alle anderen Social-Media-Kanäle bislang, hier ist alles authentisch, da man mit seinen Zuhörern im Live-Dialog steht. Hier benötigst du kein Foto- oder Videostudio oder teure Hardware. Ein gutes Mikrofon und eine Story – mehr braucht es nicht.
TH: Aber ist es nicht riskant, seine Zeit in eine weitere Anwendung zu stecken – obwohl der Erfolg gar nicht sicher ist?
Fiddicke: Gerade jetzt ist der richtige Zeitpunkt! Als ich bei Vodafone gearbeitet habe und eBay an den Start ging, haben einige Händler wie verrückt dort verkauft und waren dann, als eBay zum Massenphänomen wurde, ganz oben gelistet. Bei Clubhouse ist der Kuchen noch nicht verteilt, jetzt ist der beste Zeitpunkt.
Hamid Tabib Nia (re.), Inhaber von Speed Phone Shop, und Sebastian Fiddicke, CEO One Six Digital Consulting
Quelle: Speed Phone Shop
TH: Wie könnten denn Inhalte auf Clubhouse konkret aussehen?
Fiddicke: Man könnte seine Kunden beispielsweise zu einer Techniksprechstunde einladen oder mit ihnen über das neue Ap­ple-Betriebssystem reden. Die Stärke des stationären Handels war noch nie das angebotene Sortiment, das können die Onliner besser. Die Stärke war die Kommunikation und vor allem die Interaktion mit dem Kunden. Und das geht bei Clubhouse besser als bei vielen anderen Kanälen.
TH: Eigentlich wäre doch während des Lockdowns der richtige Zeitpunkt gewesen, sich an das Thema generell heranzuwagen …
Hamid Tabib Nia: Es werden in diesem Jahr 30 Prozent der Einzelhändler im TK-Bereich schließen müssen. Ich muss mir jetzt die Frage stellen: Will ich bei diesen 30 Prozent dabei sein oder investiere ich jetzt in andere Kanäle?
Fiddicke: Corona wird uns noch lange begleiten, wir werden weniger Kunden pro Quadratmeter haben dürfen und so weiter. Die damit frei gewordene Zeit muss ich in meine digitale Sichtbarkeit stecken. Wenn man seinen Laden wegen Corona oder weil grundsätzlich weniger Laufkundschaft kommt geschlossen hat, könnte man zum Beispiel auf Clubhouse eine wöchentliche Fragestunde einrichten.
TH: Es gibt immer noch sehr viele Händler, die sich nur am Rande mit Social Media beschäftigt haben. Wie gelingt da der Einstieg?
Fiddicke: Viele holen sich beim Distributor ein Einsteigerpaket mit vorgefertigten Posts und so weiter – und wundern sich dann, dass keine Resonanz kommt. Solche Pakete können ein Einstieg sein, aber mehr auch nicht. Social Media funktioniert nur dann, wenn ich Persönliches preisgebe, mich als Person und Marke darstelle und vor allem authentisch bin. Das geht nicht mit allgemeinen Posts von der Stange. Nach einer gewissen Zeit müssen die Follower das Gefühl haben, sie kennen dich, auch wenn sie dich noch nie persönlich getroffen haben.
TH: Herr Tabib Nia, wie lief das bei Ihnen?
Tabib Nia: Ich habe mich von Anfang an selbst vor die Kamera gestellt, und ganz schnell fanden wir dann auch heraus, dass wir nur mit unserer eigenen Linie erfolgreich sein werden. Eigener Look, eigene Inhalte. So haben wir es auf mehr als 20.000 Facebook-Follower gebracht, auf Instagram sind es sogar schon mehr als 50.000.
TH: Viele geben dann auch schnell wieder auf, wenn es nicht sofort klappt …
Fiddicke: Ja, das ist im Prinzip wie bei ­einer Ketchup-Flasche. Am Anfang muss man eine gefühlte Ewigkeit auf den Boden klopfen, bevor etwas kommt. Wenn man aber lange genug klopft, dann läuft’s. Wichtig ist auch, das Ganze mit Leidenschaft zu machen und sich selbst als Chef die Zeit zu nehmen. Einmal pro Woche sollte im Kalender ein fester Termin ‚Social Media‘ stehen, und der darf dann nicht nur 15 Minuten dauern. Man muss sich einen konkreten Plan überlegen und den dann auch durchziehen.
Tabib Nia: Man muss einfach aktiv sein und etwas ausprobieren. Wir haben zum Beispiel jeden Kunden um eine Bewertung bei Goo­gle gebeten, wenn er gerade einen Kauf abgeschlossen hatte. Direkt im Shop, direkt bei Abschluss. Später macht das keiner mehr, auch wenn sie es dir alle versprechen. Was auch sehr gut funktioniert: Wenn der Kunde etwas gekauft hat, mache ich ein Foto von ihm und mir, poste es auf Instagram und markiere ihn, damit er es auch gleich weiter postet. So sehen alle seine Freunde, was für einen tollen Deal er gerade in meinem Shop gemacht hat.
TH: Wobei es ja nicht die Produkte sind, die ich auf Social Media posten sollte, richtig?
Tabib Nia: Nein, es geht nicht um das ­iPhone, das der Kunde dann in die Kamera hält bei meinem Post. Es geht um das ­Lächeln, mit dem er es stolz präsentiert. Emotionen bringen neue Kunden in den Shop, nicht das hundertste Superangebot eines bestimmten Handys. Der Preis ist ­denen dann egal. Und die Kunden, die nur nach dem Preis gucken und um jeden Cent feilschen, die will ich als Händler auch gar nicht im Shop haben.
TH: Viele Händler wollen am liebsten einen ­Königsweg mit Schritt-für-Schritt-Anleitung zum erfolgreichen Werben auf Social Media haben …
Tabib Nia: Das gibt es nicht, denn so funk­tioniert Social Media nicht. Jeder muss für sich, für seine Produkte und Services, für seine Zielgruppe und für seinen Standort etwas Einzigartiges schaffen. Ich muss mir sagen: Ich bin der Hamid, ich mache es genau so, und was die anderen machen, inte­ressiert mich nicht.
TH: Wie schnell muss man auf Anfragen in den einzelnen Kanälen reagieren?
Tabib Nia: Ich bin eigentlich rund um die Uhr online und antworte, sofern möglich, ­innerhalb weniger Minuten. Online erwarten das die Kunden auch, und das spricht sich herum. Wir arbeiten aufgrund der vielen Fragen teilweise mit einem Chatbot, aber das ist den meisten einfach zu unpersönlich oder zu kompliziert.
TH: Oft wird auch das Argument gebracht, Follower kosteten viel Geld. Stimmt das?
Tabib Nia: Ich kann auch mit ein paar ­Euro bei Facebook etwas bewirken, wenn ich sie richtig einsetze. Aber ich darf nicht nach einer einmaligen Investition von 100 Euro große Wunder erwarten. Was die wenigsten wissen: Der deutsche Staat unterstützt Händler, die auf Social Media aktiv werden wollen, finanziell. Einfach mal ‚Projekt Jülich‘ googeln. Der Antrag ist zwar durchaus aufwendig, aber es lohnt sich ­definitiv! Das können 6.000 Euro oder 25.000 Euro sein, je nachdem, was ich für ein Projekt einreiche. Und damit kann man wirklich etwas erreichen. Man muss es einfach machen.