Im Auto online 22.06.2011, 11:33 Uhr

Das Web fährt mit

Wegweiser, Entertainment, Internet: Neue Dienste finden immer mehr den Weg ins Auto, und das nicht nur in der Luxusklasse – Was die Hersteller bereits im Programm haben und was bald kommt, zeigt der Report.
Fast nichts ist heute mehr unmöglich bei der Navigation und Kommunikation im Auto. Raffinierte, ins Fahrzeug integrierte Systeme bringen den Fahrer ins Netz und sorgen auch im Hintergrund für mehr Sicherheit. Doch zwischen Anspruch und Realität klafft nach wie vor eine große Lücke: Während die Autohersteller die Möglichkeiten der Integration von Smartphones, des Internet und der Navigation in ihren Fahrzeugen anpreisen, telefonieren Millionen Autofahrer immer noch mit dem Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt oder nutzen preiswerte Navigationsgeräte, die an der Scheibe kleben. Auf die Frage, warum das so ist, wird als erste Antwort meist der hohe Preis der Angebote der Fahrzeughersteller genannt. Navigationssysteme, die mehrere Tausend Euro kosten, schrecken viele Käufer einfach ab. Noch immer finden die meisten Verkäufe integrierter Systeme ab der Mittelklasse aufwärts statt, in der Oberklasse sind Navigationssysteme praktisch ein Muss für den Wiederverkauf.
Doch selbst für Kleinwagen sind inzwischen professionelle Navigations- und Kommunikationssysteme verfügbar. So arbeitet Renault mit TomTom zusammen und bietet die bekannte Oberfläche des niederländischen Herstellers in seinen Festeinbauten. Und BMW hat sein Connected-Drive-Programm jüngst auch auf den Mini ausgeweitet.
Autofahrer wollen das mobile Web
Wie wichtig das Web im Auto ist, zeigt eine Umfrage des deutschen Marktforschers Puls aus dem Frühjahr. Danach halten 66 Prozent der Autokäufer Verkehrsinfos in Echtzeit für sehr interessant, 62 Prozent einen Ferncheck des Fahrzeugs auf Knopfdruck und jeweils 61 Prozent einen automatischen Notruf bei Unfall sowie die Anzeige aktueller Baustellen. Infotainment dagegen ist weniger gefragt: Den individuellen Abruf von News oder Musiktiteln fänden lediglich 35 Prozent beziehungsweise 31 Prozent der Autokäufer spannend, E-Mail stößt nur bei 25 Prozent der Käufer auf Interesse – bei über 50 Millionen Fahrzeugen in Deutschland ist dies aber immer noch ein riesiger Markt.

Welten wachsen zusammen

So wachsen die bisher meist getrennten Welten Navigation, Kommunikation und Entertainment zusammen. Über SIM-Karten, die fest eingebaut werden, finden Fahrzeuge Anschluss ans Internet und empfangen Daten. Leider geschieht dies selbst bei teuren Systemen meist noch im Schneckentempo, da kein UMTS, sondern nur EDGE oder GPRS zum Einsatz kommen. Downloads von Musik sind damit noch kein Thema. In Zukunft könnte das aber Realität werden: Per 3G und 4G kommen dann mediale Inhalte ins Auto. Das Projekt „Autolinq“ des Zulieferers Continental und der Deutschen Telekom etwa verwendet LTE als Technologie, um Daten zu laden. Damit ist es beispielsweise möglich, dass die Kinder auf dem Rücksitz gestreamte Videos ansehen, während der Fahrer gleichzeitig eine Strecke abfährt, die ihm das System mit aktuellsten Daten in Echtzeit ins Fahrzeug schickt.
Auch die Produktivität des Fahrers wird immer mehr unterstützt, etwa indem er E-Mails empfangen und senden kann. Der Schlüssel dazu ist die Sprachtechnologie, die in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat und von Spezialisten wie Nuance vorangetrieben wird. Bereits jetzt werden im BMW Nachrichten vom BlackBerry mit synthetischer Stimme vorgelesen, allerdings hapert es noch immer bei der Erkennung von Eingaben. So ist das Verfassen von Mails weiterhin zwingend mit einem Halt auf dem Parkplatz verbunden.

Cockpit in der Tasche

Neben dem wachsenden Komfort und der Produktivität werden ökologische Aspekte in der Informationstechnologie im Fahrzeug zukünftig immer wichtiger. Schon jetzt helfen Navigationssysteme, besonders spritsparende Routen zu finden. In absehbarer Zeit werden diese Routen nicht mehr theoretisch nach Parametern wie wenigen Ampelstopps oder möglichst konstanter Geschwindigkeit geplant werden, sondern der aktuelle Verkehrsfluss wird mit einbezogen werden.
Das Cockpit in der Hosentasche
Das alles wird über kurz oder lang gar nicht mehr durch eine fest installierte Hardware im Auto erfolgen, sondern externe Geräte wie Smartphones oder Web-Tablets könnten die Steuerung von Funktionen übernehmen. Vorteile sind eine große Flexibilität, die stets vorhandenen individuellen Einstellungen des Kunden und geringe Integrationskosten. Die Firma QNX hat in Zusammenarbeit mit Alcatel-Lucent beispielsweise ein solches System vorgestellt, bei dem ein BlackBerry PlayBook von RIM als zentrales Interface dient. Auch die Elektroauto-Studie Rinspeed Bamboo nutzt ein Tablet vom Typ HTC Flyer als Element für Entertainment und Navigation. Allerdings fehlen für solche Projekte noch einheitliche Schnittstellen, und auch die Sicherheit könnte ein brisantes Thema werden, etwa wenn Fremdsysteme das Fahrzeug kontrollieren.
Das dürfte bei den Autoherstellern Bedenken auslösen, die ihre Fahrzeugelektronik in der Regel ausgiebig testen und überprüfen. Ein Smartphone mit offenem Betriebssystem, durch das Viren eindringen könnten, wäre ein gewaltiger Risikofaktor.



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