Händler-Interview 25.03.2021, 10:58 Uhr

Digitalisierung: Aufgeben ist keine Option

Der Händler Robert Gatnar erklärt im Interview, wie Shop-Betreiber den Schritt in die Digitalisierung schaffen.
(Quelle: BrAt82/Shutterstock)
Robert Gatnar versteht nicht, weshalb auch jetzt immer noch so viele Händlerkollegen auf eine Digitalisierung ihres Geschäfts verzichten. Im Gespräch mit Telecom Handel erklärt er, wie er selbst sein Businessmodell verändert hat und welche Fallstricke es zu vermeiden gilt.
Telecom Handel: Warum hinken Ihrer Ansicht nach immer noch viele Händler bei der Digitalisierung ihres Geschäfts hinterher?
Robert Gatnar: Es geht vielen so wie uns vor Jahren auch: Das Tagesgeschäft ist einfach wichtiger, denn darüber verdiene ich mein Geld, und bislang passte es ja auch. Viele haben es tatsächlich erst mit Beginn der Pandemie und den Schließungen bemerkt, wie abhängig sie von den Kunden im Shop vor Ort sind. Keine Kunden – kein Umsatz. Manche Händler setzen auf die Pakete der Distributoren, die ihnen dann vorgefertigte Posts für Facebook und Co. liefern. Das ist aber nicht unbedingt immer von Erfolg gekrönt, hier gilt es eher, die Shop-Besonderheiten in den Vordergrund zu stellen.
Robert Gatnar, Inhaber und Gründer von eb24.biz
Quelle: Robert Gatnar
Aber die Distributoren verweisen doch auch darauf, dass man diese Posts lediglich als Inspiration nehmen und eigene Ideen umsetzen sollte …
Gatnar: Das ist schon richtig, aber viele Händler denken trotzdem, dass es schon reichen wird, wenn sie diese allgemeinen Posts veröffentlichen. Aber damit stößt man auf kein Interesse bei den Kunden, vor allem wenn diese denselben Post von x verschiedenen anderen Händlern auch bekommen. Dann können die Kunden direkt beim Anbieter online kaufen, was kontraproduktiv ist!
Vielfach haben Händler aber auch schlichtweg das Know-how nicht, um sich und ihren Shop erfolgreich ins Web zu heben …
Gatnar: Klar, das Know-how muss man sich erst selbst aneignen oder einen Mitarbeiter beauftragen. Aber auch der muss da richtig Zeit investieren, und gerade wenn man alleine oder nur mit wenigen Mitarbeitern im Laden steht, ist diese Zeit oft nicht da. Trotzdem kommt man um das Thema nicht herum, wenn man nicht von der Konkurrenz abgehängt werden möchte. Als letzte Möglichkeit kann man auch Profis engagieren, was langfristig mehr Wachstum und Zeit bringt, aber halt kostet!
Was sind denn die ersten, einfach umzusetzenden Maßnahmen, um die eigene Sichtbarkeit im Web zu erhöhen?
Gatnar: Natürlich muss ich in erster Linie bei Google, aber auch bei Bing gefunden werden. Also muss ich bei Google My Business einen Eintrag haben, und dieser sollte sehr schnell auch mit guten, aber nicht unrealistischen Bewertungen versehen sein. Genauso suchen die Kunden aber auch auf Social Media, zum Beispiel auf ­Facebook, aber auch Instagram oder Twitter, sowie vielen weiteren Portalen, die das Online-Sichtbarkeits-Ranking verbessern. Hier gibt es praktische Tools, die einen unterstützen. Ich gebe einmal meinen Post ein und das Tool postet es auf allen wichtigen Seiten. Das spart Zeit, aber trotzdem muss ich natürlich alle meine Kanäle regelmäßig mit Inhalten füllen und gucken, ob vielleicht neue Anfragen reingekommen sind. Dies kann auch zentralisiert in einem Programm laufen. 
Wann war für Sie klar, dass Sie mit dem reinen Vor-Ort-Geschäft nicht überleben werden?
Gatnar: Schon sehr früh, eigentlich direkt nach der Eröffnung des Ladengeschäfts im Jahr 2010. Wir haben dann mehr als zehn Jahre lang sehr viel ausprobiert und sind dabei auch immer wieder in Sackgassen gelandet. Aber letztlich haben wir uns so die Expertise erarbeitet, mit der wir jetzt ein stabiles Bestandskundengeschäft haben und mit der wir in der Lage sind, andere Händler beim Thema Digitalisierung zu unterstützen, zum Beispiel über unsere Website www.easydigitalisierung.de.
Können Sie ein Beispiel für eine solche Sackgasse nennen?
Gatnar: Wir haben damals horrende Summen in Werbung bei 11880 investiert, um dort gesehen zu werden. Am Ende hatten wir nicht einen einzigen Kunden darüber gewonnen, dafür aber einen vierstelligen Betrag ausgegeben. Auch das CRM, das wir vor Jahren mal gekauft hatten, erwies sich schnell als nicht passend, weil es viele Funktionen für den PoS nicht abbilden konnte, die wir im täglichen Geschäft brauchen. Und so ist es auch heute noch: Es gibt fast nur Insellösungen, die nicht das gesamte Spektrum abbilden können!
Deshalb haben Sie daraufhin Ihr eigenes CRM entwickelt …
Gatnar: Nicht ganz. Wir haben die Basis eines bestehenden CRM genommen und auf unsere Bedürfnisse umprogrammiert, was erneut richtig viel Zeit gekostet hat – aber damit können wir jetzt perfekt arbeiten und es sogar an andere Händler weitergeben. Diesen Weg wäre vermutlich nicht jeder gegangen, für uns kam aber kein anderer infrage, da keiner unseren Dienstleistungsbereich besser versteht als wir selbst, geschweige denn in einem CRM umsetzen könnte. Die meisten denken bei Digitalisierung nur an Google, ­Facebook und Co., vergessen aber die Digitalisierung der innerbetrieblichen Abläufe – wie eben das CRM.
Wie kamen Sie auf die Idee, Ihr spezielles CRM dann auch anderen Unternehmern anzubieten?
Gatnar: Die Idee entstand bei den vielen Seminaren und Schulungen, wo man sich am Abend mit anderen Händlern austauscht und über die wichtigen Themen am PoS spricht. Und da haben wir eben von vielen Kollegen gehört, dass sie mit ihrem CRM nicht zufrieden sind. Also haben wir es dann gleich so entwickelt, dass es individuell anpassbar ist. Und von den Händlern, die das CRM nutzen, bekommen wir natürlich auch direktes Feedback, das wir in neue Versionen einfließen lassen können. Das geht bei uns alles viel direkter, weil wir nur kurze Dienstwege haben.
Manche Händler resignieren beim Thema Digitalisierung und schrecken vor dem vielen Zeitaufwand zurück. Immer wieder wird auch das Argument gebracht, dass man die Konkurrenz, die schon digital unterwegs ist, ja ohnehin gar nicht mehr einholen könne …
Gatnar: Natürlich haben schon viele Händler die Zeichen der Zeit erkannt und gewinnen durch die Listung bei Google My Business, den eigenen eBay-Shop, eine große und aktive Facebook-Community und so weiter schon jetzt viele Kunden. Trotzdem ist es nie zu spät, sich mit der Digitalisierung zu befassen. Man muss sich eine Frage stellen: Was ist die Alternative? Wer sich dem Thema weiterhin verschließt, kann seinen Laden bald für immer zusperren. Wer in fünf Jahren online nicht gefunden wird, der wird offline nicht mehr existieren.




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