25 Jahre Telecom Handel 14.04.2022, 14:00 Uhr

UCC-Markt: Wachstum um jeden Preis

Die langjährige Konsolidierung im TK- und UCC-Markt geht immer weiter – nicht nur durch Übernahmen, sondern auch durch neue Partnerschaften.
Übernahmen - aber auch Partnerschaften - prägen den UCC-Markt
(Quelle: Fabian Junge/Shutterstock)
Eigentlich schienen zur Jahrtausendwende rosige Zeiten auf die ITK-Branche zuzukommen: Das Geld der Investoren floss in Strömen und viele neue Unternehmen versuchten ihr Glück mit mehr oder minder guten Ideen am Markt. Doch am Ende erwiesen sich einige Projekte als reine Spekulation. Im März 2000 platzte die sogenannte Dotcom-Blase und führte zu zahlreichen Insolvenzen. Am 5. Juni 2003 schloss auch die Frankfurter Börse den Neuen Markt. Die Ära der New Economy war damit amtlich beendet.
Doch auch heute strömt viel Geld in die ITK-Branche, vor allem in den TK- und UCC-Bereich. Und zahlreiche Hersteller sind durchaus offen für diese Angebote. Der Grund: Häufig ist es ihnen nicht möglich, aus eigener Kraft zu wachsen und signifikante Marktanteile in Deutschland oder Europa zu erzielen. Die sind aber nötig, um die eigene Zukunft im hart umkämpften Markt zu sichern.
Auf der anderen Seite wächst das Interesse von Venture-Capital-Unternehmen, die jetzt verstärkt in diesen Bereich investieren und zum Teil „alte“ Geldgeber ablösen. Schließlich gilt der UCC-­Markt nicht erst seit Corona als eine der Schlüsseltechnologien der Branche. Ein Beispiel dafür ist die ehemalige Swyx, heute Enreach.

Wachsendes Interesse bei den Investoren

Der Hersteller wurde zu Beginn von Investoren wie T-Venture (Telekom) finanziert. Anfang 2018 hat die Beteiligungsfirma Waterland 100 Prozent des Anbieters übernommen, ein halbes Jahr später kaufte Waterland die niederländische Voiceworks, die auch in Deutschland vertreten ist. Darauf folgten eine ganze Reihe von Akquisitionen in Europa – teilweise, um die Kundenbasis zu erhöhen, aber auch, um Technologie einzukaufen. Inzwischen wachsen die Schwestergesellschaften immer mehr zusammen.
Auch Starface wurde zum Start von einem Investor, dem Family Office von SAP-Gründer Klaus Tschira, finanziert. Im Jahr 2017 hatten die Starface-Gründer ihre Anteile zurückgekauft. 2019 stieg dann die Beteiligungsgesellschaft Maxburg ein und übernahm die Mehrheit. Ausgerüstet mit frischem Kapital schuf der Hersteller mit der SF Technologies Gruppe ein neues Firmen-Konglomerat, zu dem Estos und Teamfon gehören.
Einen anderen Weg ging Nfon: Auch dieser Anbieter wurde zu Beginn von Investoren finanziert, feierte dann aber im Mai 2018 sein Börsendebüt. Im Frühjahr 2019 übernahm der Münchner Cloud-PBX-Anbieter schließlich den Wettbewerber Deutsche Telefon Standard (DTS). Parallel hat sich Nfon im letzten Sommer mit 24,9 Prozent an dem italienischen WebRTC-Spezialisten Meetecho beteiligt und damit Technologie zugekauft.
Diese Hersteller (links) wurden von Wettbewerbern (rechts) übernommen oder schlossen sich zusammen, teilweise wurden die Akquisitionen durch Investoren finanziert (Mitte)
Quelle: Telecom Handel
Über den Ärmelkanal zog es den bri­tischen Anbieter Gamma. Der UCaaS-­Anbieter hat in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Herstellern in Nordeuropa übernommen, dazu zählen beispielsweise die niederländischen Anbieter Dean One und GNtel, im Sommer 2020 akquirierte Gamma schließlich HFO Telecom sowie Epsilon Telecom. Dies ist eine Besonderheit in der Übernahmestrategie von Gamma, schließlich ist HFO kein Anbieter im ursprünglichen Sinn und Epsilon ein Distributor. Voraussichtlich hat die Briten aber die große Partnerbasis der Gruppe interessiert. Seit kurzem firmiert HFO unter Gamma, Epsilon wechselte seine Farbe von Orange nach Lila.
Zahlreiche Übernahmen prägen zudem das Bild von Mitel: Im Spätherbst 2013 kündigte das Unternehmen an, man wolle Aastra übernehmen, ein Jahr später wurde aus Aastra Mitel. Darauf folgten zahlreiche Übernahmeangebote von Mitel, die zum Teil abgelehnt wurden – wie das bei Polycom der Fall war. Der Videokonferenz-Spezialist schloss sich am Ende mit Plantronics zusammen und tritt heute unter der Marke Poly auf. Erst im zweiten Anlauf konnte Mitel 2017 den Wettbewerber ShoreTel kaufen.
Eine lange Geschichte hat zudem Atos/Unify: Ursprünglich gehörte der TK-Hersteller zum Siemens-Konzern und war lange Jahre ein etablierter Player am Markt. Allerdings kam diese Sparte in wirtschaftliche Schwierigkeiten. 2008 gründete der Konzern dann ein Joint ­Venture (Siemens Enterprise Communications) mit dem amerikanischen Investor The Gores Group. Im Oktober 2013 wurde das Unternehmen dann in Unify umbenannt. Doch das Joint Venture war nur für eine begrenzte Zeit angelegt, im November 2015 gaben Siemens und Gores bekannt, dass sie Unify für 590 Millionen Euro an den französischen IT-Dienstleister Atos verkaufen wollen. Mittlerweile gibt es zwar noch die Marke Unify, der Hersteller wurde aber in den Atos-Konzern eingegliedert.

RingCentral drängt auf den Markt

In der Zwischenzeit gehört Atos/Unify zu den zahlreichen Kooperationspartnern des US-Anbieters RingCentral – neben Avaya, Alcatel-Lucent Enterprise, Mitel und auch einigen Netzbetreibern. Ziel ist, die UCaaS-Angebote von RingCentral an Bestands- und auch Neukunden der Partner zu vermarkten. Die Amerikaner haben viel Geld für diese Option auf Marktanteile ausgegeben, ob sich das Investment am Ende lohnen wird, muss sich zeigen.
Das Beispiel zeigt, dass nicht nur Akquisitionen den Markt vorantreiben, sondern auch Partnerschaften.




Das könnte Sie auch interessieren