06.03.2012, 17:37 Uhr

Im Interesse des Handels

Händlerbeiräte stärken die Position des Handels bei Carriern und auch Distributoren. Einige Händler kritisieren jedoch die schwindende Bedeutung des Channels.
(Quelle: endostock-Fotolia.com)
Seit zwölf Jahren ist Torsten Böhm im Händlerbeirat der Telekom, seit vier Jahren leitet er als Vorsitzender dieses Gremium, in dem die Interessen des Handels gegenüber dem Bonner Carrier vertreten werden sollen. Und wenn Anfang März ein neuer Vorsitzender gewählt wird, stellt er sich wieder zur Verfügung.
„Offen gestanden habe ich lange darüber nachgedacht, ob ich noch einmal kandidiere“, erklärt er schmunzelnd im Gespräch mit Telecom Handel. Letztlich habe er sich aber dafür entschieden, denn: „In den Jahren hat sich gezeigt, dass ein Händlerbeirat auch bei großen Unternehmen viel bewegen kann.“ Und er nennt einige Beispiele: So wurde zum Jahreswechsel die kostenpflichtige Hotline für Händler durch eine kostenlose ersetzt; oder die integrierte Kundenansicht für Telekom-Partner, dank derer sie jetzt mehr Einsicht in die Kundendaten haben und so besser Zusatzprodukte anbieten können – Stichwort Cross-Selling.
„Das sind echte Mehrwerte für uns Händler, die wir als Beirat vorantreiben konnten“, so der Geschäftsführer der Hifiboehm GmbH im sächsischen Plauen. Der Beirat der Telekom ist eine Institution am Markt – er wurde bereits 1999 gegründet. Das Ziel: „Ein Gremium zu schaffen, das bei der Gestaltung und der Vermarktung der Telekom-Produkte aktiv für den Handel und die Marken der Telekom mitwirkt, um die Leistungsfähigkeit der belieferten Händler des TK-Marktes zu fördern und zu verbessern“, so die Telekom. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist die kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Telekom – und der Status als Telekom-Partner.
Neben dem Bonner Unternehmen haben auch weitere Carrier sowie einige Distributoren entsprechende Gremien ins Leben gerufen – um durch die Erfahrung des indirekten Vertriebs näher am Markt zu sein und auch, um die Beziehung zum Channel zu stärken. Hier sind einige Beispiele.

Der Dialog mit dem Handel

E-Plus hat im Februar 2007 den jetzigen Beirat gegründet, vertreten sind darin allerdings nur Partnershop-Inhaber. „Mit dem Händlerbeirat haben wir ein Organ im Unternehmen, mit dem wir den direkten Dialog mit der Geschäftsführung fördern und schneller neue Marktentwicklungen spüren können“, so die offizielle Begründung.
Vodafone wiederum hat Ende 2007 den sogenannten „SalesDialog“ ins Leben gerufen. Er setzt sich aus spezialisierten Mobilfunkfachhändlern bis zu Vertretern der Großfläche zusammen. „Der Dialog liefert wertvolle Ergebnisse für die Vermarktung der Vodafone-Produkte in den Fachgeschäften und für den Fachhandel in Deutschland“, erklärt ein Unternehmenssprecher.
Auch Telefónica Germany hat 2010 seinen früheren Beirat durch den „O2 Partnershop Circle of Voice“ ersetzt. Der Beirat soll vor allem zur Stärkung des direkten Austauschs zwischen den O2-Partnershop-Betreibern und dem Vertriebsmanagement dienen. Bei der Wahl der Beiratsmitglieder und auch der Zielsetzung gibt es allerdings einige Unterschiede. Sowohl bei E-Plus als auch bei Telefónica Germany wählen die Partner einer Region ihre Vertreter im Beirat selbst aus. Bei der Telekom und auch bei Vodafone entscheidet der Carrier, wer die Interessen der Händler vertreten soll.
Eine andere Händler-Zielgruppe im Visier hat indes Mobilcom-Debitel. Der Service-Provider hat im November 2009 ein Gremium für Business-Vermarkter gegründet – einen Beirat für die Händler, die die Privatkunden-Produkte der Büdelsdorfer verkaufen, gibt es nicht. „Unser Händlerbeirat ist ausschließlich im Segment Geschäftskunden tätig“, erklärt Berndt Pföhler, Bereichsleiter Vertrieb und Mitglied der Geschäftsführung bei Mobilcom-Debitel. Die Schwerpunkte dieses Beirats liegen auf den Themen Tarife beziehungsweise Tarifoptionen, Service und Dienstleistungen sowie Prozessoptimierung zwischen dem Handel und Mobilcom-Debitel.

Händlerbeiräte: Pro und Contra

Den Austausch mit dem indirekten Vertrieb sucht auch Also Actebis: Der fusionierte Distributor hat im vergangenen Jahr einen neuen Händlerbeirat ins Leben gerufen, der das frühere Gremium von NT plus ersetzt.
Damit einher ging laut Steffen Ebner, Head of Purchasing & Vendor Sales Service TC bei Also Actebis/NT plus, eine neue Zielsetzung: Früher habe sich der Beirat vor allem mit operativen Details wie dem Sortiment oder der Preisgestaltung beschäftigt, heute stehen andere Themen auf der Agenda der zweimal pro Jahr stattfindenden Treffen.
„Jetzt stehen neue Trends im Markt, der Best-Practice-Austausch und die Suche nach konkreten, neuen Geschäftsfeldern sowie die Definition von künftigen Kundenzielgruppen im Vordergrund“, erklärt Ebner. Und er nennt ein Beispiel – das Thema vernetztes Haus: Die Zusamenarbeit mit RWE sei maßgeblich durch die Händlervertretung vorangetrieben worden, berichtet Ebner. Der Händlerbeirat als Vertretung des Channels im Unternehmen – ein Erfolgsrezept für alle Beteiligten?
„Ich habe mich vor einigen Jahren aus der Beiratsarbeit komplett zurückgezogen“, erklärt Axel Schlüter gegenüber Telecom Handel. Der Grund: „Die Arbeit des Beirats wurde oft falsch verstanden, mehr im Sinne der Eigenwerbung als im Sinne der Händlerlandschaft.“
Dazu kommt: „Früher waren die Beiräte das Aushängeschild der Distributoren – heute werden durch Zeitdruck Entscheidungen abgesegnet und häufig nicht mehr mit entwickelt. Wir Händler brauchen keinen Pseudobeirat, sondern echte Unterstützung, vor allem für kleinere Händler“, erklärt Schlüter weiter. Er ist Geschäftsführer der AMS Telekom GmbH, betreibt zwei Ladengeschäfte und ein Systemhaus in Westfalen, war unter anderem im Beirat eines großen Distributors tätig.

Sinn und Unsinn eines Gremiums

Frank Schipper, Geschäftsführer eines Euronics-XXL-Markts in Lüdinghausen, Nordrhein-Westfalen, stimmt Schlüter zu – zumindest in Teilen. „Es gibt allgemein weniger Händlerbeiräte, und viele Unternehmen konzentrieren sich dabei auf die eigenen Filialen oder Partnershops.“
Der freie Mobilfunkfachhandel habe dabei an Bedeutung verloren – werde in die zweite oder gar dritte Reihe gedrängt (siehe Interview). Ein weiteres Indiz für den Bedeutungsschwund des Handels ist für ihn: Einige Handy-Hersteller wie beispielsweise Nokia oder Motorola, die früher sehr starke Interessensvertretungen des Handels hatten, haben diese in den vergangenen Jahren gestrichen.
Aber auch der Telekom-Beiratsvorsitzende Torsten Böhm räumt ein: „Natürlich gibt es immer zwei Interessenslagen. Unsere Aufgabe ist es, die Schnittmenge der gemeinsamen Interessen immer weiter zu vergrößern.“ Allein deshalb lohne sich auch der Aufwand, in den Gremien vertreten zu sein. Als Beiratsvorsitzender hat er einige Pflichttermine – die Teilnahme auf den Sitzungen, an Workshops sowie Arbeitskreisen und Beteiligung an Pilotprojekten, um neue Produkte zu testen. „Monetär rechnet sich das nicht, aber es ist immer wichtig, sich für eine Sache einzusetzen“, betont er.
Um dann noch zwei Wünsche in Richtung Telekom zu äußern: „Es wäre schön, wenn der Beirat frühzeitig in neue Projekte einbezogen würde, manchmal geschieht dies zu spät, wenn eine Entscheidung schon gefallen ist.“ Die Beiräte seien aber näher am Markt und könnten oftmals besser einschätzen, ob ein Tarif oder Produkt sich verkaufen lässt. Und der zweite Wunsch? Böhm lächelt: „Kontinuität, sowohl in der Strategie als auch bei den Verantwortlichen für den Vertrieb.“ 

Interview mit Frank Schipper

Telecom Handel: Herr Schipper, Sie sind im Euronics Aufsichtsrat und waren früher in den Händlerbeiräten von Motorola und E-Plus. Warum engagieren Sie sich in diesen Gremien?
Frank Schipper: Ich möchte am Markt etwas bewegen, auch um mein Geschäft zu stärken. Viele Kollegen beschweren sich immer nur, ich aber bin und war in diesen Gremien, um auch ein wenig Einfluss auf die Zukunft zu nehmen.
Telecom Handel: Die Möglichkeiten der Beiräte sind allerdings begrenzt, ist das nicht frustrierend?
Schipper: Klar, es ist kein Wunschkonzert der Händler, dem die Industrie blind folgt. Da muss jeder realistisch bleiben. Manchmal dauert es Monate, oft sogar Jahre, bis sich beide Parteien auf einen Konsens einigen können. Und natürlich kommt es vor, dass Anregungen und Wünsche der Händler auch ungehört bleiben und überhaupt nichts passiert. Aber sollte man sich deshalb grundsätzlich aus dieser Arbeit zurückziehen? Ich finde, nein.
Telecom Handel: Dennoch ist der Aufwand nicht zu unterschätzen, schließlich gibt es regelmäßige Treffen und Konferenzen …
Schipper: … aber auch nicht der Nutzen. Als Beirat erfahre ich beispielsweise vieles deutlich früher als der Rest der Händler. Dieser Wissensvorsprung hilft mir auch in meiner Geschäftsplanung. Zudem ist der Kontakt zum Unternehmen, gleichgültig ob Carrier oder Hersteller, intensiver. Auch das kann hin und wieder ein Vorteil sein.
Telecom Handel: Früher, so sagen viele Händler, hatten die Beiräte eine starke Stimme – heute haben viele Unternehmen diese Gremien ganz abgeschafft. Stimmen Sie dem zu?
Schipper: Ja, allgemein gibt es weniger Händlerbeiräte und viele konzentrieren sich auf die eigenen Filialen oder Partnershops. Das ist für mich auch ein deutliches Zeichen dafür, dass der freie Mobilfunkhandel an Bedeutung verloren hat und in die zweite oder gar dritte Reihe gedrängt wird. Säße er im Beirat, so würde er den Finger auf die Wunde legen, und das möchten die wenigsten. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass die Unternehmen und Netzbetreiber erkennen, wie wichtig ein ausgewogener Wettbewerb über alle Kanäle ist. Im Moment gibt es leider nicht überall ‚Waffengleichheit‘.