Betriebsübergabe 10.02.2010, 10:33 Uhr

Nachfolger dringend gesucht

Die wenigsten Unternehmer kümmern sich frühzeitig um einen passenden Nachfolger – Eine geregelte Geschäftsübergabe dauert im Schnitt bis zu fünf Jahre – Geeignete Kandidaten finden Eigentümer zunächst in der Familie oder unter den Mitarbeitern, aber auch extern.
von Wolfgang Kühn
Eigentlich hatte Jens Friedrichsen immer darauf spekuliert, dass sein Sohn oder seine Tochter eines Tages in das Geschäft mit Telefonanlagen, Netzwerkservice und Mobilfunk einsteigen würden. Schließlich sind die Umsätze gut, die Bestandskunden treu. Doch der Nachwuchs hatte andere Vorstellungen: Zehn, zwölf Stunden am Tag rackern, ab und zu auch am Wochenende oder an Feiertagen? „Sie haben wohl zu oft erleben müssen, dass das Familienleben häufig auf der Strecke bleibt“, erklärt der Hamburger. Die Tochter wurde Lehrerin, der Sohn arbeitet bei einem IT-Unternehmen in leitender Position.
Friedrichsen sucht jetzt extern nach einem Nachfolger. „Die Zeiten sind günstig für gut ausgebildete und wagemutige Fachleute“, sagt Konrad Zipperlen. Er leitet bei der IHK für München und Oberbayern den Bereich Existenzgründung Mittelstand. Und damit ist er auch Spezialist für alle Themen rund um die Nachfolgeregelung in kleinen und mittleren Betrieben. „Das Angebot für potenzielle Nachfolger steigt, denn immer mehr ausstiegswillige Firmenchefs sind auf externe Kandidaten angewiesen.“
Zwar ermittelte die Kammer, dass bei knapp über 70 Prozent aller Geschäftsübergaben der Nachfolger aus der eigenen Familie komme, doch die Tendenz sei rückläufig. Mehr noch: „Rund die Hälfte aller Firmenchefs, die 60 Jahre oder älter sind, haben noch keine Nachfolgeregelung getroffen.“ Das ist bedenklich. Denn für die Suche nach einem Nachfolger und die damit verbundenen Verhandlungen und Abwicklungen sollte ein Zeitrahmen von bis zu fünf Jahren einkalkuliert werden. Somit dürfte die Hoffnung von Händler Friedrichsen auf einen baldigen Ruhestand wohl platzen.
Sicher ist: Wenn das Ausscheiden aus dem Betrieb ansteht, ist langfristige Planung angeraten. Besonders die Unterstützung durch externe Fachleute ist unverzichtbar, wie Peter Frank, Unternehmensberater bei der BBE Handelsberatung, betont. Unabhängig von den Beratungsleistungen der BBE oder auch der regionalen Handelskammern „ist auf jeden Fall ein Steuerberater und bei den vertraglichen Vereinbarungen ein Rechtsanwalt einzuschalten“. Denn sonst stehe die Nachfolgeregelegung auf sehr wackligen Füßen.

Betriebsübergabe: Nachfolger dringend gesucht

Was ist ein Unternehmen wert?
Wer den Betrieb abgeben will, muss sich erst einmal im Klaren darüber sein, wo der Nachfolger herkommen soll. Scheiden die eigenen Kinder aus, bietet sich häufig die Chance, einen geeigneten Kandidaten unter den Mitarbeitern zu finden. Der sollte allerdings nicht nur über die fachlichen Qualifikationen verfügen, sondern auch über die notwendigen Finanzen. Denn mit der Übernahme eines Betriebes sind meist beträchtliche Kosten verbunden. Im Umkehrschluss sollte auch der Verkäufer den Wert des Betriebes sehr genau kennen. „Das ist leider nicht immer der Fall“, beklagt beispielsweise IHK-Berater Zipperlen. So scheitern mehr als 30 Prozent der Nachfolgeverhandlungen an der Finanzierbarkeit des Kaufpreises und 24 Prozent an der Höhe des Kaufpreises.
Denn häufig haben die Verkäufer eher illusorische Vorstellungen vom Wert des Betriebes. Nicht selten resultieren die Preisvorstellungen aus vergangenen Jahren. Dabei, so warnen Berater, liegt der realistische Wert meist unter der Hälfte der ursprünglich vorgestellten Summen. Nur die Ertragslage der vergangenen drei oder vier Jahre könne in die Verkaufskalkulation einfließen. Was in den Jahren zuvor investiert und erwirtschaftet worden ist, findet sich nur in den seltensten Fällen im Kaufpreis wieder. Als Basis für die Bewertung wird häufig das Drei- bis Fünffache des Jahresertrages als realistisch gesehen. Nur so ist es für den Nachfolger möglich, innerhalb einer Zeitspanne von etwa fünf Jahren die Kosten zu erwirtschaften.
Gut zu bewerten sind wiederum das Inventar und vor allem Material und Lagerbestände. Schwieriger wird es, den Kundenstamm in die Kalkulation aufzunehmen. Gerade bei dem in der TK-Branche äußerst wichtigen Punkt der Service- und Wartungsverträge ist zu beachten, von wie vielen großen Kunden der Geschäftserfolg der nächsten Jahre abhängt und wie lange die Verträge im Einzelnen noch laufen. Steigen die Kunden aus, so wäre dies ein beträchtliches Risiko für den Käufer.

Betriebsübergabe: Nachfolger dringend gesucht

Der Mitarbeiter übernimmt
Dass eine Firmenübergabe auch schnell gehen kann, zeigen indes Karl John und Daniel Walter. Sie sind in relativ kurzer Zeit handelseinig geworden. Der 55-jährige John hatte vor etwa zehn Jahren in Jahnsdorf bei Chemnitz einen TK-Fachhandel eröffnet. Später gliederte der Ingenieur noch ein Entwicklungsunternehmen, das unter anderem elektrische Steuerungen produziert, in das Unternehmen ein. 1996 stieg Daniel Walter in das Unternehmen ein und machte fünf Jahre später seinen Meister als Informationstechniker.
Walter konzentrierte sich ausschließlich auf den Unternehmensteil Telekommunikation. „Das war genau die richtige Arbeit für mich. Außerdem macht es mir Spaß, Kunden zu bedienen und vor Ort Installation, Service und Wartung durchzuführen.“ 2008 war es dann so weit: John verkaufte den TK-Bereich als eigenständiges Geschäft an Walter. „Alles in allem haben wir gerade mal ein Jahr benötigt, bis beide Betriebsteile unter dem Namen John geteilt waren“, erklärt der 30-jährige Geschäftsführer.
Vorteil bei den Verhandlungen war, dass John seinen Nachfolger für das TK-Geschäft schon lange kannte und Walter wiederum bei den Kunden längst eingeführt war. So konzentrierten sich beide auf das Wesentliche: „Als externe Hilfe hatten wir nur den Steuerberater eingebunden. Ansonsten schlossen wir einen Vertrag, der eventuelle Ansprüche an Garantie und sonstige Leistungen regelt. Und finanziell musste ich nur das Inventar bezahlen“, so Walter. Beide Partner sind, wie sie versichern, mit dieser Lösung gut gefahren.
Platz machen ist wichtig
Ob Familienmitglied, Mitarbeiter oder Externer – die Suche nach einem Nachfolger muss langfristig angelegt werden. „Frühzeitiges Planen, Festlegung des Übergabezeitpunktes, das sind wichtige Faktoren, die nicht fehlen dürfen“, so IHK-Berater Zipperlen. Speziell der Übergabezeitpunkt berge viele Tücken. „Nichts ist schlimmer als ein Altchef, der nicht loslassen kann, obwohl er den Betrieb an seinen Nachfolger verkauft hat“, warnt er. Zwar kann eine Übergangszeit sinnvoll sein. Aber dann muss sich der „Alte“ aus dem aktiven Geschäft verabschieden. n

Erste Schritte zur Nachfolgeregelung

Diese Aspekte sollten Alteigentümer und auch Nachfolger beachten:
  • Rechtzeitig planen: Einen geeigneten Nachfolger zu finden dauert seine Zeit. Von der Suche nach einem passenden Kandidaten über die Vertragsverhandlungen kann das Prozedere bis zu fünf Jahre in Anspruch nehmen.
  • Den Unternehmenswert bestimmen: In die Unternehmensbewertung fließen die unterschiedlichsten Faktoren ein – dazu gehören unter anderem sogenannte „harte Faktoren“ wie die Ertragslage der vergangenen drei bis vier Jahre, Inventar, Lagerbestände. „Weiche Faktoren“ bei der Unternehmensbewertung sind der Kundenstamm, die Beziehung zu Lieferanten oder der Ruf des Unternehmens. Letztere sind zwar schwerer zu bestimmen, fließen aber dennoch in die Unternehmensbewertung mit ein.
  • Externe Berater hinzuziehen: Unterstützung bei der Geschäftsübergabe bieten Kammern, Verbände und Kooperationen/Verbundgruppen an. Von Anfang an sollten Verkäufer den Steuerberater und gegebenenfalls einen Fachanwalt für die Ausarbeitung des Vertrages hinzuziehen. Weitere Infos mit Checklisten und vielen Tipps unter www.nexxt.org.
  • Zeitnah kommunizieren: Ist der Nachfolger gefunden, sollten Mitarbeiter, aber auch Kunden und Geschäftspartner rechtzeitig informiert werden. Wichtig ist die Botschaft, dass das Unternehmen in bewährter Weise weitergeführt wird.
  • Loslassen können: Oft fällt es dem Alteigentümer schwer, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Ein konkreter Zeitplan für die Übergabe – eventuell mit einer kurzen Übergangszeit – erleichtert den Rückzug aus dem Unternehmen.