Finanzen 08.04.2020, 10:15 Uhr

Liquide bleiben in der Corona-Krise

Im Kampf mit den Folgen der Corona-Krise sollten Händler auch weiter in die Zukunft blicken und sich mit einer Liquiditätsanalyse Klarheit verschaffen.
(Quelle: wutzkohphoto/shutterstock)
Viele Händler sehen sich durch die Corona-Krise vor bislang ungekannte Herausforderungen gestellt, nicht nur was die ausbleibenden Umsätze angeht, sondern auch die unternehmerische Planung für die kommenden Monate. Die BBE Handelsberatung aus München hat exklusiv für die Leser von Telecom Handel eine falltypische Simulation eines mittelständischen Unternehmens erstellt, in der man die Auswirkungen der Geschäftsschließungen gut nachvollziehen kann. Die Simulation wurde mit dem sogenannten Lockdown-Liquiditäts-Cockpit des Unternehmens durchgeführt.

Schwierige Bedingungen

Die Eckdaten: Analysiert wurde ein stationärer Elektrofachmarkt mit 800 Quadratmetern Fläche mit den Sortimenten Unterhaltungselektronik (TV, Audio und Video), Telekommunikation, PC, Tonträger und entsprechendem Zubehör. Der Schwerpunkt liegt bei TV und Mobilfunk.
Als Ausgangssituation für die Berechnungen diente hierbei ein repräsentatives, mittelständisches und (unter normalen Umständen) wettbewerbsfähiges TK-/UE-Unternehmen mit rund 5,1 Millionen Euro Umsatz. Die Simulation geht davon aus, dass dieses Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt alle Maßnahmen zur Kosteneinsparung (zum Beispiel durch Kurzarbeit) eingeleitet hat und die Geschäftsunterbrechung maximal bis Ende April 2020 andauert.
„Das öffentliche Leben wird voraussichtlich auch im Mai noch nicht voll anlaufen“, so Sebastian Deppe, Mitglied der Geschäftsleitung der BBE Handelsberatung. Die Umsätze in der Simulation liegen nach der Wiedereröffnung nur bei etwa 50 Prozent des Vorjahres, im Juni immer noch 40 Prozent unter dem Vorjahr. Durch die wirtschaftliche Situation und die allgemeine Verunsicherung kann laut BBE davon ausgegangen werden, dass sich Verbraucher zurückhaltend verhalten, was zu weiteren Umsatzauswirkungen führt. Ende des Jahres ist aufgrund der Veränderungen bei Reiseausgaben und der Bereitschaft, sich wieder etwas zu gönnen, wahrscheinlich sogar mit höheren Umsätzen zu rechnen, so die Prognose von BBE.
Im Ergebnis zeigt die Simulation, dass bereits in den kommenden Wochen für dieses repräsentative Unternehmen Liquiditätslücken entstehen. Die Spitzen werden im April und Juni 2020 erreicht. Rückzahlungen durch Kurzarbeitergeld (KuG) entlasten zwar im Mai die Liquidität, doch auch nach Juni 2020 bleibt die Situation sehr angespannt. Eine Finanzierung der Lücke über kurzfristige Finanzmittel führt zu weiteren Kosten. Der Wareneinkauf kann in dieser Branche besser als beispielsweise bei Mode gesteuert werden.
Somit greifen kurzfristig im August die Kosteneinsparungen, je nach Frequenz kann zudem weiter KuG effizient eingesetzt werden. Dadurch ergibt sich laut BBE aber auch ein wesentlicher Nachteil, der zu einer zweiten Liquiditätslücke gegen September und Oktober 2020 führt: Denn wenn die Nachfrage wieder steigt oder sogar gegen Jahresende überdurchschnittlich stark zunimmt, steigen auch die Personal- und Werbekosten. Nicht weniger gravierend sind die längerfristigen Belastungen, die auch dann noch auf das Unternehmen zukommen werden, wenn das öffentliche Leben wieder angelaufen ist. Insgesamt rät Deppe dazu, besser heute als morgen einen entsprechenden Plan für das komplette Jahr aufzustellen, um entsprechend agieren, und nicht nur reagieren zu können.
Die komplette Analyse inklusive Liquiditätsplan können Sie hier downloaden.

Interview: Deshalb ist eine Liquiditätsanalyse wichtig

Telecom Handel sprach mit Sebastian Deppe, Mitglied der Geschäftsleitung der BBE Handelsberatung, über die wichtigsten Schritte für Händler in der Krise
Telecom Handel: Viele TK- und UE-Händler wissen nicht, wie sie die kommenden Monate überstehen sollen. Welche Maßnahmen empfehlen Sie?
Sebastian Deppe, Mitglied der Geschäftsleitung BBE Handelsberatung
Quelle: BBE
Sebastian Deppe: Sofortmaßnahmen wie Kurzarbeit oder Beantragung staatlicher Mittel sind inzwischen bei den meisten Händlern gesetzt. Auch Werbekosten können während der Schließung eingespart werden und – wenn möglich – die damit verbundenen Warenbestellungen. Entscheidend für die weiteren Monate sind jetzt vor allem Gespräche mit Vermietern und Banken. Und dafür ist die Transparenz, die Darstellung der veränderten Situation entscheidend. Kundenseitig gilt es, neben der Stammkundenansprache vor allem Firmenkunden noch intensiver zu betreuen.
Weshalb ist die Erstellung eines Liquiditätsplans in dieser Situation so wichtig?
Deppe: Auch für vormals gesunde Un­ternehmen ist die Situation kritisch. Ein klassischer Liquiditätsplan sagt darüber zu wenig aus. Ein Vorher-Nachher-Szenario bringt Klarheit, warum bestimmte Maßnahmen wann notwendig sind.
Welche Vorgehensweise empfehlen Sie Händlern konkret?
Deppe: Stundungen lassen viele Einzelhändler aufatmen. Dadurch werden aber Liquiditätsengpässe möglicherweise nur verlagert. Gerade gesunde Händler unterschätzen die Gefahr, denn auch diese Gruppe betrifft die Zeitverzögerung. Wir empfehlen daher allen Händlern, jetzt auf Basis ihrer bisherigen Planzahlen einen Liquiditätsplan für mindestens zwölf Monate zu erstellen. So können sie frühzeitig Lücken erkennen, den konkreten Bedarf ermitteln und gezielt mit Finanzpartnern, Lieferanten und gegebenenfalls ihrer Einkaufskooperation sprechen. Dabei muss man aber stets bedenken: Stundungen und Valuta-Verlängerungen sind nur aufschiebende Mittel. Es ist jetzt wichtig, die Zahlungsströme richtig zu steuern.
Welche Besonderheiten gibt es in diesem Fall bei Händlern im TK- und UE-Segment im Vergleich zu anderen Branchen?
Deppe: Ich kann hier vier Besonderheiten beispielhaft nennen. Erstens die hohe Relevanz von Boni-Zahlungen, deren Vereinbarungen ja noch auf den gänzlich anderen Bedingungen vor der Krise basieren: Was ist, wenn vereinbarte Absätze nicht erzielt werden können, um bereits einkalkulierte Boni-Zahlungen zu realisieren? Sind Nachverhandlungen möglich und inwieweit kommt die Industrie dabei dem stationären Handel entgegen? Zweitens die Abhängigkeit von Werbekostenzuschüssen: Können die zugesicherten WKZ für die erste Jahreshälfte auch in der zweiten verwendet werden? Drittens: Bereits heute agieren sowohl der TK- als auch der UE-Einzelhandel sehr sensibel hinsichtlich der Spanne. Welches Potenzial kann hier noch darüber hinaus abgeschöpft werden? Und zuletzt: Derzeit sind Verbraucher, die tendenziell den stationären Handel bevor­zugen, verstärkt online unterwegs. Kommen diese nach der Krise wieder zurück? Diese Fragestellung hat entscheidenden Einfluss auf die Umsatz- und Liquiditätsplanung für die Folgemonate.




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