Gastkommentar 02.12.2015, 13:15 Uhr

So lohnt sich Click & Collect für Händler

Die Debatte um Click & Collect geht in die letzte Runde: Handelsexperte Marcus Diekmann appelliert an jeden, "der Handel und Multichannel Ernst nimmt - und kein Geld zu verlieren hat".
Gastkommentar von Marcus Diekmann
In den letzten Tagen habe ich auf meinen Vorstoß in Sachen Click & Collect viele Rückmeldungen von Händlern erhalten, die ebenfalls schlechte Erfahrungen mit der Funktion gemacht haben.
Viele Kritiker meiner Worte hingegen preisen den Service blind als Hoffnungsträger, ohne das Ganze kritisch zu hinterfragen. Dies erinnert stark an 2010, als sich selbst der kleinste Händler in der Pflicht sah, einen teuren Online-Shop zu installieren, ohne echte USP’s für den Kunden zu schaffen und somit wettbewerbsfähig zu sein. Die Effekte sind bis heute spürbar; die Konsolidierung greift um sich.
Auch bei Click & Collect ist Fakt: für die meisten Handelskonzepte ist die Funktion aktuell unnütz und teuer. Kosten und Ertrag stehen schlicht nicht im Verhältnis.

Der Kunde bewertet den Nutzen

Aber zum Glück müssen keine Berater den Erfolg bewerten. Nein, der Kunde entscheidet. Wenn ein Händler wegen der Preis-, Produkt- und Servicepolitik des Online-Handels auf der Fläche Frequenzrückgänge erleidet, dann kann der Kunde auch nicht durch Click & Collect zurück in die Filiale gelockt werden.
Click & Collect funktioniert aktuell nur bei stark preisgetriebenen und verknappten Angeboten, mit Eigenmarken von Retailern, wenn sie sehr gut distribuiert sind, bei beratungsintensiven, investiven Konsumgütern und wenn die Lieferkosten zum Preis unverhältnismäßig sind. Und selbst hier gibt es nur wenige Händler, die heute mehr als sieben Prozent ihres Gesamthandelsumsatzes über Click & Collect abwickeln.
Auch muss man wissen, dass ein bedeutender Anteil aller Click & Collect-Bestellungen aus der eigenen Filiale stammen, und zwar weil Artikel vor Ort ausverkauft sind und auf diesem Weg nachgeordert werden. Dies konnte ich bei 15 von 19 von mir analysierten Controlling-Reports feststellen.

Kosten im Blick

Wer Click & Collect in Betracht zieht, muss sich auch knallhart mit den Kosten beschäftigen. Denn damit der Service funktioniert, bedarf es zusätzliche Lagerfläche - und das bei begrenztem Stauraum im Laden. Außerdem müssen Top-Artikel bis zu vierzehn Tage aus dem Bestand herausgenommen und zur Abholung vorgehalten werden. Alternativ muss ein separater Click & Collect-Bestand auf Risiko eingekauft werden - und das ohne rechtlich gesicherte Abholgarantie.
Darüber hinaus müssen Verkäufer geschult werden, um den viel beworbenen Zusatzverkauf durch Click & Collect tatsächlich realisieren zu können. Als technische Voraussetzungen muss es natürlich eine ordnungsgemäße digitale Bestandsführung geben. Aber auch unabhängig von Click & Collect ist diese für den Handel der Zukunft unabdingbar.

Kunde sucht produktbezogen

Handelsexperten sind sich zumindest in einer Sache einig: Es wird immer stärker produktbezogen gesucht und nicht händlerbezogen. Die Loyalität zum Händler nimmt ab. Wenn man also über Click & Collect nachdenkt, muss man diesem Trend auch gerecht werden, und auf zentralen Produktsuchmaschinen aktiv sein, wie Ebay und Locafox, bei denen der Kunde das Produkt als Online-Alternative auch stationär in der Nähe finden kann. So muss der Händler auch keinen eigenen Content (Produktfotografie und Text) aufbereiten.

Multichannel-Strategien bewusst entscheiden

Wer wirklichen Multichannel betreiben möchte, muss sich entscheiden, ob er ein regionales oder überregionales Online-Angebot schaffen möchte, ob die eigene Produkt- und Preispolitik online wettbewerbsfähig ist und somit eine wirkliche Chance im transparenten Internethandel hat. Wenn er das nicht hat, was auf die Mehrzahl der deutschen regionalen Händler heutzutage zutrifft, dann ist er gut beraten, sich online zu spezialisieren - zum Beispiel auf Themen, Angebote oder Highlights. Diese Spezialisierung reduziert wiederum automatisch die Click & Collect-Möglichkeiten.
Für die großen Filialisten kann Click & Collect also dann eine sinnvolle Erweiterung sein, wenn man seine anderen Hausaufgaben im Internethandel gelöst hat und diese Funktion als einen weiteren Service integriert. Diese Erweiterung hat dann aber noch nichts mit einer echten Killer-Vertriebsstrategie zu tun und darf nicht überbewertet werden. Die Kosten sind dann in vielen Fällen als Marketinginvestition zu betrachten und dementsprechend auch so zu bewerten (Kosten / Wirkung).

Der Kampf um die letzte Meile

Der Kunde von heute möchte jederzeit auf die größtmögliche Produktauswahl zum bestmöglichen Preis zugreifen können - und das zum schnellsten Zeitpunkt. Im Kampf um die letzte Meile gewinnt der Handel nicht dadurch, dass er den verlorenen Kunden in den Laden zwingt. Er muss den Kunden wiedergewinnen, indem er neben Sortimentskompetenz Kundenbindungsprogramme etabliert, seinen regionalen Vorteil ausspielt, seine Produkte noch schneller zu ihm bringt und bei Bedarf um Montageservices erweitert. Das ist die echte Herausforderung des Handels.




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