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IP-Telefonie 14.10.2025, 09:32 Uhr

Mitel holt IP-Telefonproduktion nach Deutschland

Der Business-Kommunikationsanbieter reagiert auf Lieferkettenprobleme und setzt auf „Made in Germany". Gigaset übernimmt die Fertigung – mit Folgen für den europäischen Markt.
Hillson Cheung, President of Telecommunication Products VTech, und Martin Bitzinger, Senior-Vizepräsident, Produktmanagement Mitel
(Quelle: Mitel)
Mitel verlagert die Produktion seiner IP-Telefone nach Deutschland. Der weltweit agierende Anbieter für Business-Kommunikation hat eine Vereinbarung mit Gigaset unterzeichnet, um künftig rund eine Million Endgeräte pro Jahr im Werk in Bocholt fertigen zu lassen. Die Entscheidung ist eine direkte Reaktion auf die zunehmenden Unsicherheiten in globalen Lieferketten und soll gleichzeitig die Lieferzeiten für europäische Kunden deutlich verkürzen.
„Globale Lieferketten stehen zunehmend unter Druck. Wir gehen bewusst proaktive Schritte, um Qualität und Verlässlichkeit für unsere Kunden zu sichern", sagt Martin Bitzinger, Senior Vice President Product Management bei Mitel. „Mit deutscher Ingenieurskunst steigern wir die Produktqualität und schaffen Planbarkeit für den Betrieb kritischer Kommunikationsinfrastrukturen." Die Aussage macht deutlich, dass es nicht nur um Kostenoptimierung geht, sondern um strategische Absicherung in einer Zeit, in der geopolitische Spannungen und komplexe Logistik die Verfügbarkeit von Hardware gefährden können.
Die Fertigung in Deutschland stärkt die Position Mitels vor allem in Europa. Kürzere Transportwege bedeuten schnellere Reaktionszeiten bei Lieferengpässen, geringere CO₂-Emissionen und mehr Kontrolle über die Produktionsprozesse. Für Fachhändler und Systemhäuser, die auf verlässliche Verfügbarkeit angewiesen sind, ist das ein handfester Vorteil. Wer heute ein Projekt plant, will nicht Monate auf Hardware warten – ein Problem, das in den vergangenen Jahren immer wieder aufgetreten ist.

Arbeitsteilung zwischen Mitel und Gigaset

Das Produktionsmodell basiert auf klarer Arbeitsteilung: Mitel entwickelt die Hardware und bleibt Eigentümer der Software, die die Geräte steuert. Gigaset übernimmt die Fertigung am Standort Bocholt. Diese Aufteilung ermöglicht es Mitel, die technische Kontrolle zu behalten und gleichzeitig von der Fertigungsexpertise und den hochautomatisierten Prozessen von Gigaset zu profitieren.
„Wir freuen uns sehr, unsere Partnerschaft mit Mitel weiter auszubauen und mit unserer Produktion in Bocholt ein starkes Signal für Qualität, Zuverlässigkeit und ‚Made in Germany' zu setzen", sagt Ralf Lueb, Senior Vice President Global Sales & Marketing bei Gigaset. „Mit unserer hochautomatisierten und präzisionsorientierten Fertigung bieten wir Mitel-Kunden in Europa und weltweit die Gewissheit schnellerer Lieferzeiten, höchster Qualitätsstandards und langfristiger Planungssicherheit."
Die Fertigung in Bocholt erfüllt die Anforderungen des Trade Agreement Act (TAA) – ein Standard, der für Kunden in regulierten Branchen und für öffentliche Aufträge in bestimmten Regionen entscheidend sein kann. Gerade bei kritischen Infrastrukturen, etwa in Behörden, Krankenhäusern oder Energieversorgern, spielen Compliance-Anforderungen eine wichtige Rolle. Mit der TAA-Konformität öffnet Mitel sich zusätzliche Märkte, in denen asiatische Fertigung ausgeschlossen ist.
Das Modell gewährleistet zudem eine nahtlose Integration in das gesamte Portfolio von Mitel. Die Geräte sind auf die Hybridkommunikationsstrategie des Unternehmens abgestimmt, die klassische Telefonie mit modernen Cloud- und Softwarelösungen verbindet. Perspektivisch sollen KI-gesteuerte Funktionen integriert werden – ein Bereich, in dem Mitel sich als Innovationstreiber positionieren will.

Gigaset übernimmt die Fertigung von Mitel-IP-Telefonen
Quelle: Mitel

Tischtelefone bleiben relevant – trotz Mobiltrend

Die Entscheidung, weiterhin massiv in die Produktion von IP-Telefonen zu investieren, mag auf den ersten Blick überraschen. Schließlich dominieren Smartphones und Softphones die Diskussion über moderne Unternehmenskommunikation. Doch die Realität in vielen Branchen sieht anders aus: Tisch- und Schnurlostelefone bleiben für zahlreiche Unternehmen unverzichtbar.
Laut Frost & Sullivan liegt das weltweite Marktvolumen bei rund zwei Milliarden US-Dollar. Getrieben wird die Nachfrage durch einfache Handhabung, Geschwindigkeit und die zentrale Rolle von Festnetztelefonen in Notfallszenarien sowie im operativen Frontline-Bereich. Wer in einer Produktionshalle, einem Lager oder an der Rezeption arbeitet, braucht ein Gerät, das sofort verfügbar, robust und zuverlässig ist – kein Smartphone mit Akkulaufzeitproblemen oder App-Updates.
„Mitels Entscheidung, die Produktion von Endgeräten nach Deutschland zu verlagern, stärkt nicht nur die eigene Lieferkette, sondern auch die Bindung an Europa", sagt Chris Pennell, Industry Principal bei Frost & Sullivan. „Das ist ein strategisch wichtiger Schritt, der Qualität, Wettbewerbsfähigkeit und Kundenzufriedenheit langfristig absichert." Die Analyse macht deutlich, dass es hier nicht um Nostalgie geht, sondern um eine nüchterne Bewertung der Marktanforderungen.
Gerade in stark regulierten oder sicherheitskritischen Umgebungen – etwa in Krankenhäusern, Behörden oder Industrieanlagen – sind dedizierte Telefone oft Vorschrift. Sie funktionieren auch bei Stromausfall, wenn eine Notstromversorgung vorhanden ist, und sie lassen sich zentral verwalten und überwachen. Für Systemhäuser, die solche Umgebungen betreuen, sind verlässliche Lieferketten und hohe Qualitätsstandards entscheidend.

Strategische Bedeutung für den ITK-Handel

Für den ITK-Handel und Systemhäuser hat die Produktionsverlagerung mehrere Implikationen. Erstens: Die Lieferfähigkeit wird stabiler. Wer in den vergangenen Jahren mit Lieferengpässen bei Hardware zu kämpfen hatte, weiß, wie sehr das Projektgeschäft belasten kann. Kürzere Lieferketten aus Deutschland reduzieren dieses Risiko spürbar.
Zweitens: „Made in Germany" ist ein Verkaufsargument. Gerade bei öffentlichen Auftraggebern und in sicherheitskritischen Bereichen kann die Herkunft der Hardware entscheidend sein. Wer nachweisen kann, dass Geräte in Europa gefertigt werden, hat bei Ausschreibungen oft bessere Karten.
Drittens: Die Partnerschaft zwischen Mitel und Gigaset zeigt, dass sich die Branche neu aufstellt. Nach Jahren der Verlagerung nach Asien kehren Fertigungskapazitäten zurück nach Europa – nicht aus Protektionismus, sondern aus strategischem Kalkül. Die Risiken globaler Lieferketten sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, sei es durch Handelsstreitigkeiten, Pandemien oder geopolitische Spannungen. Unternehmen, die sich breiter aufstellen, minimieren diese Risiken.
Für Fachhändler bedeutet das mehr Planungssicherheit. Wer heute ein Projekt mit mehreren hundert IP-Telefonen plant, kann auf verlässlichere Lieferzeiten setzen. Das erleichtert die Kalkulation und reduziert das Risiko, Vertragsstrafen zahlen zu müssen, weil Hardware nicht rechtzeitig verfügbar ist.

Umweltbewusste Produktion als Zusatzargument

Gigaset hebt in seiner Kommunikation auch die umweltbewussten Fertigungsprozesse hervor. Kürzere Transportwege reduzieren den CO₂-Fußabdruck, hochautomatisierte Prozesse minimieren Ausschuss und Energieverbrauch. Für Unternehmen, die ihre eigene Nachhaltigkeitsstrategie ernst nehmen, kann das ein zusätzliches Argument sein, sich für Mitel-Geräte zu entscheiden.
Nachhaltigkeit ist längst kein reines Marketingthema mehr. Viele Ausschreibungen im öffentlichen Sektor enthalten mittlerweile konkrete Anforderungen an die Umweltbilanz der eingesetzten Produkte. Wer hier punkten kann, verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil.

Ausblick: Mehr als ein Produktionsstandort

Die Verlagerung der Fertigung nach Deutschland ist mehr als eine logistische Entscheidung. Sie signalisiert, dass Mitel den europäischen Markt ernst nimmt und bereit ist, in lokale Strukturen zu investieren. Das unterscheidet das Unternehmen von Wettbewerbern, die rein auf globale Fertigung setzen.
Für die ITK-Branche in Deutschland könnte die Entscheidung von Mitel und Gigaset Signalwirkung haben. Wenn andere Hersteller nachziehen, könnte das mittelfristig zu einer Rückverlagerung von Fertigungskapazitäten führen – mit positiven Effekten für Lieferketten, Qualität und Arbeitsplätze. Ob sich dieser Trend durchsetzt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Die Ausgangslage hat sich jedenfalls verändert: Verlässlichkeit und Kontrolle über die Lieferkette wiegen heute schwerer als reine Kostenoptimierung.




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