Grobe Datenschutzverstöße 11.01.2021, 10:00 Uhr

Notebooksbilliger.de muss Millionen-Bußgeld bezahlen

Weil er Mitarbeiter in geschützten Räumen ohne deren Einverständnis gefilmt haben soll, muss der Multichannel-Händler Notebooksbilliger.de eine Strafe von 10,4 Millionen Euro zahlen. Der Händler hält die Summe für zu hoch. Auch der Bitkom springt dem Händler bei.
(Quelle: shutterstock.com/Ralf Liebhold)
Der Elektronikhändler Notebooksbilliger.de soll wegen unzulässiger Videoüberwachung von Mitarbeitern 10,4 Millionen Euro Bußgeld zahlen. Niedersachsens Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel teilte mit, die Praxis des Unternehmens mit Hauptsitz in Sarstedt bei Hannover sei ohne Rechtsgrundlage über mindestens zwei Jahre gelaufen. Kameras hätten dabei Arbeitsplätze und Aufenthaltsbereiche des Personals sowie Lager und Verkaufsräume erfasst. Auch Kunden seien auf Aufnahmen in Wartebereichen zu sehen.
Notebooksbilliger.de wies die Vorwürfe zurück und legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Es handelt sich nach Angaben Thiels um die höchste verhängte Summe in ihrem Bereich bei solch einem Verstoß seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Die Firma habe die Videokontrolle inzwischen "rechtmäßig ausgestaltet".
Die Argumentation von Notebooksbilliger.de, man habe mit dem bisherigen System den Warenfluss verfolgen oder möglichen Diebstählen vorbeugen wollen, greife aus ihrer Sicht aber nicht, erklärte Thiel. Die Maßnahme sei weder auf einen engeren Zeitraum noch auf konkrete Beschäftigte oder Verdachtsfälle bei Straftaten begrenzt worden. Vor umfassenderen Schritten müssten außerdem immer erst "mildere Mittel" wie etwa Taschenkontrollen erwogen werden. Neben Online-Kanälen betreibt Notebooksbiliger.de auch stationäre Geschäfte. Etliche Aufnahmen sollen länger als zwei Monate gespeichert worden sein.
"Videoüberwachung ist ein besonders intensiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, da damit theoretisch das gesamte Verhalten eines Menschen beobachtet und analysiert werden kann", meinte die niedersächsische Datenschutzbeauftragte. "Die Beschäftigten müssen ihre Persönlichkeitsrechte nicht aufgeben, nur weil ihr Arbeitgeber sie unter Generalverdacht steht." Thiel berief sich auch auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. Und im konkreten Fall sollen Kunden teils miterfasst worden sein - etwa in "Sitzbereichen, die offensichtlich zum längeren Verweilen einladen sollen".

"Überzogenes Bußgeld"

Notebooksbilliger.de hält sowohl die Begründung als auch das Bußgeld selbst für deutlich überzogen. Dessen Höhe stehe "in keiner Relation zur Größe und Finanzkraft des Unternehmens sowie zur Schwere des angeblichen Verstoßes", ließ Chef Oliver Hellmold mitteilen. "Bei verschwundener oder beschädigter Ware werden die gespeicherten Aufzeichnungen allenfalls nachträglich auf Hinweise untersucht. Dieses Vorgehen ist bei Versand- und Logistikunternehmen Standard."
Der Bußgeldbescheid müsse aufgehoben werden, forderte Hellmold. Zudem habe sein Unternehmen bereits "eng kooperiert, um eine vollständige Compliance mit der DSGVO auch aus Sicht der Behörde sicherzustellen". Dass Notebooksbilliger.de seine Beschäftigten systematisch per Kamera beaufsichtigen solle, komme einer "haltlosen Unterstellung" gleich: "Zu keinem Zeitpunkt war das Videosystem darauf ausgerichtet, das Verhalten der Mitarbeiter oder deren Leistungen zu überwachen." Die Firma lässt sich nun von spezialisierten Anwälten vertreten.
René Sandor, Experte für Datenschutzrecht bei der Wirtschaftskanzlei CMS, erklärte, grundsätzlich dürften Arbeitgeber ihre Beschäftigten "nicht ins Blaue hinein" beobachten. "Das gilt vor allem für Rückzugsbereiche wie Aufenthaltsräume. Die Videoüberwachung darf erst recht nicht vorsorglich zur Abschreckung eingesetzt werden, denn das würde die Vertrauensbasis im Arbeitsverhältnis untergraben."
Auch der Branchenverband Bitkom hält das verhängte Bußgeld für unverhältnismäßig, wenn man alle gegebenen Tatbestände und Umstände in diesem konkreten Fall betrachtet. Der Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder kritisiert vor allem die Ausrichtung auf den Umsatz bei der Berechnung der Strafsumme, was bei geringen Margen manche Unternehmen in den Ruin treiben könne. Er prangert weiterhin die generelle Unverhältnismäßigkeit und das fehlende Augenmaß vieler Datenschutzbehörden bei vorherigen Datenschutzverstößen an.




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