M-Payment 22.11.2012, 11:38 Uhr

Die Geldbörse öffnet sich

Seit Jahren sagen Marktforscher dem M-Payment großes Wachstum voraus, doch in der Realität bewegt sich das Thema vor allem auf dem Niveau ­diverser Feldversuche. Jetzt bringen neue Anbieter und Technologien endlich Schwung ins Bezahlen mit dem Smartphone.
Dass die Deutschen beim Bezahlen deutlich häufiger als andere Nationen auf Bargeld statt auf Karten setzen, haben Umfragen immer wieder belegt. So auch eine im Oktober publizierte Studie der Bundesbank, nach der 53 Prozent der Privatpersonen am liebsten bar bezahlen. Mit 28 Prozent folgt die Girocard (die frühere EC-Karte) an zweiter Stelle, Kreditkarten mit gerade einmal sieben Prozent noch weit dahinter. Im Durchschnitt hatte jeder der Befragten 103 Euro an Bargeld dabei.
Das ist die Realität, gegen die eine neue Art des Bezahlens antritt: 2013 könnte das Jahr werden, in dem M-Payment, also das mobile Bezahlen von Waren oder Dienstleistungen per Handy oder Smartphone, seinen Durchbruch haben könnte. Dazu ist allerdings noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten – in der Bundesbank-Studie, die 2011 durchgeführt wurde, gab es praktisch niemanden, der solche Methoden nutzte, auch wenn sie fast der Hälfte der Befragten bekannt waren.
Die Studie zeigt immerhin auch, dass vor allem mit zunehmendem Einkommen und in mittleren Altersgruppen die Bereitschaft zur bargeldlosen Zahlung per Kreditkarte steigt. Damit gibt es eine solvente Zielgruppe für M-Payment. Dazu müssen die Kunden aber die passenden Angebote bekommen, denn auch wenn Analysten den Erfolg des Handy-Payment seit Jahren vorhersagen, ist dieser in Deutschland noch nicht ansatzweise erkennbar. Seit einigen Monaten tut sich zumindest etwas auf dem Markt, und die durchaus vorhandenen technischen Bedingungen werden zunehmend in Pilotversuche und erste konkrete Projekte umgesetzt.
Dabei führen diverse Wege zum Ziel des mobilen Bezahlens: So kann dieses in der ersten Stufe ohne zusätzliche Hard- oder Software umgesetzt werden, etwa indem der Anwender eine Zahlung per SMS einleitet. Die Abrechnung kann dann über die Mobilfunkrechnung oder über eine beim Netzbetreiber vorliegende Bankverbindung erfolgen. Ein Beispiel hierfür ist Mpass, ein Projekt, an dem alle deutschen Netzbetreiber außer E-Plus beteiligt sind.

Bestätigung per SMS

In der nächsten Stufe können Apps mit Zahlungsfunktionen den Komfort für den Anwender erhöhen. Hier sind auch Kombinationen mit bekannten Zahlungsweisen möglich. Ein solches System ist etwa streetpay von Masterpayment. Hier steckt der Verkäufer einen Kartenleser auf sein eigenes Smartphone, der dann die Bezahlung einleitet. Diese muss nur noch per SMS vom Kunden bestätigt werden. Dieser Anbieter hat immerhin schon 12.000 Akzeptanzstellen­ im deutschen Handel. Das Berliner Start-up Payleven setzt ein ähnliches System ein.
Besonders einfaches Bezahlen, bei dem auch die Sicherheit gewährleistet ist, bieten Hardware-Lösungen, vor allem über den Kurzstreckenfunk NFC (Near Field Communication). Dieser Chip, der bereits in vielen Smartphones integriert ist oder über spezielle Cover nachgerüstet werden kann, ersetzt in Kombination mit einem weiteren sicheren Chip, der die kritischen Informa­tionen des Kunden speichert, und einer App praktisch die Brieftasche. Das mobile „Wallet“ fasst auf einer Oberfläche auf dem Gerät die wichtigen Funktionen und Einstellungen für den Kunden zusammen.
Telefónica Deutschland wiederum setzt nicht nur auf NFC-fähige Smartphones. Bei der dortigen Version von Mpass zum Beispiel kommt als Brückentechnologie, solange nicht genügend NFC-Smartphones im Markt verfügbar sind, der sogenannte Bezahl-Sticker zum Einsatz. Dabei handelt es sich um einen Aufkleber, der eine ähnliche Funktion­ wie eine kontaktlose Bankkarte hat, bestehend aus einem sicheren Chip und einem Funkmodul.
Aufgeklebt auf einem Handy löst der NFC-Sticker  die Transaktion am Bezahlterminal aus, wobei Beträge über 25 Euro per PIN-Eingabe zusätzlich bestätigt werden müssen. Ähnlich funk­tioniert das M-Payment-Angebot von E-Plus und der Targobank. Auch die Kombination­ mit einer SIM-Karte oder einer MicroSD-Karte, auf der sich ein sicheres Chip-Modul befindet, wie es heute in Kreditkarten und EC-Karten zum Einsatz kommt, ist eine Möglichkeit, Risiken zu verringern. Dieses sogenannte „sichere Element“ enthält die kritischen Daten des Anwenders.

Eine Frage der Sicherheit

Die Frage der Sicherheit ist für die Kunden entscheidend, wie eine Umfrage der Analysten von BearingPoint belegt, in der dieser Aspekt deutlich vor der flächendeckenden Verfügbarkeit eines M-Payment-Systems genannt wurde. Die Smart Payment Association stellt in einem Thesenpapier fest: „Damit die Kunden mobiles Bezahlen nutzen, muss die Sicherheit mindestens so hoch sein wie bei bisherigen Kartensystemen. Die Kette ist dabei nur so stark wie ihr schwächstes Glied." Aufkommende Zweifel – und sei es durch Einzelfälle – könnten dem Konzept entsprechend einen gewaltigen Image­schaden zufügen. Die größten Risiken in der Kette sind demnach das mobile Endgerät (Verlust, Diebstahl, falsche Bedienung), das mobile Netzwerk (Datenübertragung, Authentifizierung) und die Infrastruktur der Netzbetreiber (Sicherheit der Datensätze).
Handeln wird ortsunabhängig
Trotz der Herausforderungen könnte sich das Geschäft mit M-Payment nun endlich entwickeln. Die Analysten von Mücke­ Sturm Company sprechen trotzdem von einem „Everywhere Commerce" und rechnen für 2015 mit einem weltweiten Volumen von 32 Milliarden Euro bei NFC-Bezahlungen. Laut Juniper Research wird im Jahr 2017 jeder vierte Smartphone-Nutzer in Europa und den USA sein NFC-fähiges Gerät zum Bezahlen einsetzen.
Die Kernfrage für alle konkurrierenden Systeme wird es sein, eine kritische Masse an M-Commerce-Nutzern zu erreichen, die das jeweilige System auch attraktiv für die Annahmestellen macht. Denn diese müssen Hardware wie ein NFC-Terminal erst einmal installieren und somit zunächst in Vorleistung gehen. Doch auch sie werden von einfachen Zahlungsmöglichkeiten für Kunden profitieren, denn NFC kann Personal sparen und die Schlangen an den Kassen verhindern.

Mit kleinen Schritten in die Zukunft

Das Marktumfeld ist dabei sehr herausfordernd: „Der Markt um Mobile Payment ist von einem starken Konkurrenzkampf geprägt: Traditionelle Finanzinstitute, Telekommunikationsanbieter, aber auch führende Logistik- und Internetunternehmen versuchen, mit ihrem Angebot Standards zu setzen und so den Markt für mobiles Bezahlen zu dominieren“, so Christian Bruck, verantwortlicher Partner bei BearingPoint für den Beratungsbereich Mobile Payment. „Während der Markt für neue Akteure ein verlockendes Zusatzgeschäft ist, geht es für Banken um ihre bisherige Vorherrschaft im Zahlungsverkehr.“
Eine Erklärung, warum der Start der NFC-Nutzung so zögerlich verlief, gibt Jukka Yliuntinen, Global Head of NFC Solution bei Giesecke & Devrient: „Das Problem bei NFC war nicht die Technologie, sondern das Erreichen einer kritischen Masse. NFC und die Anwendungsszenarien dafür gab es die ganze Zeit. Die Schwierigkeit lag darin, die vielen verschiedenen Branchen wie Banken, Verkehr, Einzelhandel und Telekommunikation einzubeziehen. Am Ende haben Anwendungsentwickler und Handy-Hersteller immer darauf gewartet, dass der andere den ersten Schritt macht. Und da alle beteiligten Parteien auch erst mal in die Technologie investieren mussten, war weitere Zeit nötig.“
Mit Projekten wie dem drahtlosen Bezahlen „Touch and Travel“ bei der Deutschen Bahn gibt es jetzt zumindest ernst zu nehmende Ansätze. Auch die Partnerschaft der Deutschen Telekom mit Master Card, in deren Rahmen ein „mobile Wallet“ zunächst in Polen eingeführt werden soll, könnte bald auf dem deutschen Markt Früchte tragen. Doch bis Millionen Kunden ihre Transaktio­nen per NFC-Touch tätigen und das „Wallet“ die lederne Brieftasche ersetzt, werden wohl noch viele Jahre vergehen.




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