Arbeitszeugnis 25.01.2010, 15:54 Uhr

Zwischen den Zeilen schreiben

Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein schriftliches Arbeitszeugnis – Beim qualifizierten Zeugnis ist Fingerspitzengefühl gefragt – Unbedachte Aussagen können dem Mitarbeiter unbeabsichtigt schaden oder sogar zu Regressansprüchen führen.
Wenn einem Mitarbeiter gekündigt wird oder dieser selbst kündigt, dann hat er Anspruch auf ein schriftliches Arbeitszeugnis. Für viele Chefs jedoch ist das Verfassen eines Zeugnisses eine ungeliebte Aufgabe, denn hier steckt – wie so oft – der Teufel im Detail. Bei groben Schnitzern können eine Klage vor dem Arbeitsgericht oder Regressforderungen drohen. „Jeder Arbeitgeber sollte in der Lage sein, ein vernünftiges Zeugnis zu verfassen. Ein Zeugnis ist schließlich auch eine Visitenkarte des Unternehmens“, meint Tanja Blum, Geschäftsführerin von Beckhäuser Personal & Lösungen in Würzburg. Was Arbeitgeber alles beachten müssen, hat Telecom Handel für Sie zusammengetragen.
Der Aufbau
Ein Arbeitszeugnis sollte in jedem Fall einer bestimmten Gliederung folgen (siehe Checkliste im Kasten unten rechts). Aufgeführt werden müssen unter anderem persönliche Angaben zum Arbeitnehmer, Angaben zu Art und Dauer der Beschäftigung, eine Beschreibung der Aufgaben, das Austrittsdatum sowie Unterschrift und Datum der Ausstellung. Zudem sollte das Zeugnis auf dem offiziellen Firmenbogen ausgestellt werden.
Die Aufgabenbeschreibung kann nach einer Einleitung stichpunktartig erfolgen – zum Beispiel: „Zu Frau Maiers Aufgaben in unserer Filiale in Musterstadt gehörten ...“ Bei der Aufzählung sollte man jedoch nicht jeden Handgriff erwähnen. „Die einzelnen Tätigkeiten sollten unter sinnvollen Oberbegriffen zusammengefasst werden“, führt Blum aus. So kann man beispielsweise administrative, vertriebliche und Einkaufsaufgaben bündeln. „Bei den Aufgaben blähen sich Zeugnisse oft unnötig auf, doch mehr als zwei Seiten sollte ein Zeugnis nicht umfassen“, ergänzt Blum.

Arbeitszeugnis: Zwischen den Zeilen schreiben

Die Beurteilung
Viel Fingerspitzengefühl ist beim qualifizierten Arbeitszeugnis gefragt. Denn im Gegensatz zum einfachen Zeugnis, das wertungsfrei die Tätigkeit und die Aufgaben des Arbeitnehmers lediglich bescheinigt, beurteilt das qualifizierte Zeugnis die Leistung und die Führung des Mitarbeiters. Bei der Beurteilung ist allerdings ein wichtiger Grundsatz zu beachten: „Ein Zeugnis muss wohlwollend sein, so dass das weitere Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschwert wird“, erklärt Thomas Prinz, Rechtsanwalt und stellvertretender Abteilungsleiter Arbeitsrecht bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Gleichzeitig muss das Arbeitszeugnis aber vollständig und wahrheitsgemäß sein. Aus diesen unter Umständen widersprüchlichen Anforderungen haben sich Standardformulierungen und Textbausteine entwickelt, die auch als „Zeugniscode“ oder „Zeugnisgeheimsprache“ bezeichnet werden und die sich in der Regel Noten zuordnen lassen. „Man sollte sich bewusst sein, dass die Zeugnissprache verklausuliert ist“, mahnt Anja Weiland, Personalchefin des Distributors Herweck, und ergänzt: „Wenn man einfach Klartext schreibt, bedeutet dies nicht, dass man dem Mitarbeiter einen Gefallen tut.“
Es gibt in der Tat eine ganze Reihe von Schlüsselbegriffen und -formulierungen, die bei Arbeitgebern die Alarmglocken aktivieren, wenn sie sie im Zeugnis eines Bewerbers lesen. „Die Begriffe ‚bemüht‘ oder ‚versucht‘ lassen in der Regel auf eine mangelhafte Leistung schließen“, erklärt Rechtsanwalt Thomas Bade, Arbeitsrechtsexperte des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE). „Dagegen zeigen beispielsweise die Formulierungen ‚stets zu unserer vollsten Zufriedenheit‘ oder ‚stets zu unserer vollen Zufriedenheit‘ eine überdurchschnittliche Leistung an.“
Auch das Weglassen von Elementen wie der abschließenden Dankes- und Bedauernsformel ist eine Möglichkeit, eine unterdurchschnittliche Leistung zum Ausdruck zu bringen. Schlechtere Benotungen als „Befriedigend“ dürfen im Übrigen nur in der Beurteilung von Einzelkriterien wie Arbeitsbereitschaft, -tempo oder -güte erfolgen. Die Gesamtbeurteilung des Mitarbeiters sollte immer mindestens „befriedigend“ ausfallen.

Arbeitszeugnis: Zwischen den Zeilen schreiben

Der Anspruch
Dass sich kein Arbeitgeber vor dem Ausstellen eines Arbeitszeugnisses drücken kann, dafür hat der Gesetzgeber gesorgt. Laut Paragraf 109 der Gewerbeordnung haben Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Der Anspruch ist einklagbar, verjährt aber, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht innerhalb einer bestimmten Frist anmeldet. Sofern die gesetzliche Regelverjährung gilt, beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre mit Ablauf zum 31. Dezember. „Wenn jedoch tarifvertragliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen greifen, dann kann der Zeitraum, in dem der Anspruch geltend gemacht werden muss, auch wesentlich kürzer ausfallen“, sagt Bade. In einigen Tarifverträgen ist die Ausschlussfrist auf drei Monate festgesetzt.
Abgesehen von einem Arbeitszeugnis bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses „kann ein Arbeitnehmer auch ein Zwischenzeugnis verlangen, wenn ein triftiger Grund vorliegt“, erklärt Blum. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Ende einer befristeten Beschäftigung naht oder der Vorgesetzte wechselt.
Die Praxis
Helfen beim Verfassen von Arbeitszeugnissen können zum Beispiel Ratgeber, in denen sich Standardtextbausteine finden, oder Software zur Zeugniserstellung. Auch im Internet ist das Angebot an Ratgeberseiten groß – jedoch sind nicht alle Anbieter seriös. Der HDE stellt für seine Mitglieder auf Anfrage ein Merkblatt zum Thema Zeugnis zur Verfügung. Zudem berät und unterstützt der Einzelhandelsverband auch bei der Zeugniserstellung.

Das Arbeitszeugnis - Form und Aufbau

Arbeitszeugnisse sind Urkunden, die eine bestimmte äußere Form aufweisen müssen. Kaffeeflecken, Durchstreichungen oder Knicke sind tabu, denn der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein sauberes und ordentliches Zeugnis. Es muss ferner auf dem normalen Firmengeschäftspapier erstellt werden, Firmenname und -anschrift müssen erkennbar sein. Auch der inhaltliche Aufbau des Arbeitszeugnisses muss bestimmte Kriterien erfüllen. Eine Übersicht, was bei einem qualifizierten Zeugnis nicht fehlen darf, liefert die folgende Checkliste:
1. Offizieller Briefbogen der Firma mit Firmenname und Anschrift
2. Überschrift: Zeugnis, Zwischenzeugnis, Ausbildungszeugnis etc.
3. Persönliche Angaben zum Arbeitnehmer: Name, gegebenenfalls akademischer Titel, Geburtsdatum, Wohnort
4. Art und Dauer der Beschäftigung
5. Aufgabenbeschreibung: Darstellung der ausgeführten Tätigkeit sowie gegebenenfalls wesentliche Stationen des Arbeitnehmers im Unternehmen
6. Erwähnung von Fortbildungen
7. Leistungsbeurteilung: Zunächst anhand verschiedener Einzelkriterien (Arbeitsbereitschaft, Tempo, Qualität etc.) und abschließend in einem zusammenfassenden Satz
8. Beurteilung der Führung: Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Vorgesetzten und Kunden
9. Austrittsdatum und auf Wunsch des Arbeitnehmers der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, zum Beispiel bei Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen
10. Schluss: Dankes- und Bedauernsformel sowie Wünsche für die Zukunft
11. Unterschrift und Datum der Ausstellung
12. Wichtig sind außerdem Sauberkeit sowie ein ordentliches Schriftbild ohne Schreibfehler