Kritik an staatlichen Hilfen 12.02.2021, 11:02 Uhr

Altmaier lädt zu Corona-Wirtschaftsgipfel

Wirtschaftsminister Peter Altmaier lädt zu einem „Corona-Wirtschaftsgipfel“ am kommenden Dienstag - und wird sich wohl einiges anhören müssen. Wirtschaftsverbände haben klare Erwartungen an das Treffen.
(Quelle: Bernd von Jutrczenka / dpa)
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lädt Verbände auch angesichts schwerer Kritik aus der Wirtschaft an der schleppenden Umsetzung von Hilfen während der Corona-Krise zu einem "Wirtschaftsgipfel" ein.
Wie eine Sprecherin mitteilte, wird Altmaier am kommenden Dienstag mit mehr als 40 Verbänden über die aktuelle Lage der Wirtschaft, die Beschlüsse von Bund und Ländern, die Wirtschaftshilfen und mögliche Öffnungsperspektiven sprechen.
Wirtschaftsverbände hatten einen solchen "Gipfel" seit längerem gefordert. Die Beschlüsse von Bund und Ländern über eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März waren zum Teil heftig kritisiert worden. Verbände kritisierten, Gastgewerbe, Tourismus und dem Mittelstand fehlten klare Perspektiven.
Seit längerem warnen Verbände außerdem davor, viele Firmen im Lockdown würden finanziell nicht mehr lange durchhalten. Deswegen müssten staatliche Hilfen schnell fließen. So sagte die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, die zugesagten Novemberhilfen seien bei rund 40 Prozent der Betriebe, noch nicht vollständig zur Auszahlung gekommen.

Bessere Rahmenbedingungen und Perspektiven für KMUs gefordert

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte der Deutschen Presse-Agentur, der "Wirtschaftsgipfel" sei längst überfällig. "Er kommt allerdings ein Jahr zu spät." Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse ein Wirtschaftskabinett einrichten. "Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen brauchen bessere Rahmenbedingungen und eine klare Öffnungsperspektive."
Nach langem Warten seitens der Wirtschaft wurde die Antragstellung für die Überbrückungshilfen III am vergangenen Mittwoch freigeschaltet, wie das Wirtschaftsministerium mitgeteilt hatte. Die ersten Abschlagszahlungen sollen demnach ab dem 15. Februar starten. Abschlagszahlungen sind Vorschüsse auf spätere Zahlungen. Bei der Überbrückungshilfe werden fixe Betriebskosten erstattet.
Merkel stellte sich vor den Finanz- und Wirtschaftsminister. "Ich weiß, wie viele Menschen auf das Geld warten", sagte sie bei einer Regierungserklärung im Bundestag. Die "sehnlichst erwarteten" Anträge auf die Überbrückungshilfe III könnten nun gestellt werden.
Auf Zwischenrufe im Plenum erwiderte Merkel, Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hätten versprochen, dass im Februar die Anträge gestellt werden könnten und ab März die Auszahlung durch die Länder erfolge. "Das, was versprochen wurde, ist eingehalten und trotzdem ist es für die Betroffenen eine wahnsinnig lange Zeit gewesen und ich bin froh, dass das jetzt so ist, wie es ist."

Wirtschaft hofft auf Öffnungsperspektiven

Die Wirtschaft hat unterdessen klare Erwartungen an das Corona-Treffen mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und hofft auf Öffnungsperspektiven und Verbesserungen bei den Hilfszahlungen.
"Wenn das nun nur ein Trostgipfel sein soll, ergibt das keinen Sinn", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, der Deutschen Presse-Agentur. Es müssten am Ende des "Wirtschaftsgipfels" echte Ergebnisse stehen.
"Das Gesamtpaket der Hilfsmaßnahmen passt auch nach monatelangen Debatten noch immer nicht. Während die Hilfen im Schneckentempo unterwegs sind, rasen die Insolvenzen durch die Fußgängerzonen." Genth sagte, er erwarte von Altmaier echte Perspektiven und wirkungsvolle Hilfspakete. "Nicht mehr und nicht weniger."
Das Handwerk pocht auf eine "inzidenzbasierte Öffnungsstrategie". Dafür müsse schnellstmöglich ein Öffnungsplan her, der die Schwellenwerte konkretisiere und in dem festgelegt werde, ab welchen Werten und unter welchen Bedingungen Betriebe ihre Arbeit wieder aufnehmen können, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Sonntag).

„Es braucht einen Automatismus“

Familienunternehmen hoffen auf eine offene Diskussion über die Hilfszahlungen und einen regional flexiblen Stufen-Öffnungsplan. "Wer darf wann wieder öffnen beziehungsweise muss eventuell auch wieder schließen, wenn die Infektionszahlen es erfordern", sagte der Präsident des Verbandes Die Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée. Eine regelbasierte Strategie würde willkürliche Einzelfallentscheidungen überflüssig machen. "Es braucht einen Automatismus. Damit würde man den Bürgern und Betrieben zumindest eine Perspektive eröffnen."
Ein klares Ausstiegsszenario fordert auch die Immobilienwirtschaft. Angesichts von Monatskosten von 34 Milliarden Euro allein im Handel seien verbindliche Aussagen zum Wann und Wie einer Öffnung nötig, gleiches gelte für Hotelimmobilien, sagte der Präsident des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft ZIA, Andreas Mattner, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
HDE-Vertreter Genth sagte weiter, mit Blick auf die Verlängerung des Lockdowns dürften Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro nicht weiter von der Überbrückungshilfe ausgesperrt sein. Das "ist nicht nachvollziehbar und richtet im Einzelhandel schweren Schaden an. Und für kleinere Betriebe muss dringend eine Möglichkeit zur Auszahlung eines Unternehmerlohns geschaffen werden. Ansonsten droht hier vielen Inhabern der Gang zum Sozialamt." Gut sei, dass es jetzt Abschreibungsmöglichkeiten gebe, jedoch bisher nur für Winterware im Modehandel und nicht allgemein für Saisonware: "In der Ausgestaltung aber ist das insgesamt deutlich zu kompliziert. Und bei den Dezemberhilfen darf nicht nur die Gastronomie profitieren, mit dieser Ungleichbehandlung muss Schluss sein."
Aus Sicht von FDP-Fraktionsvize Michael Theurer müssten Wirtschaftsminister Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) den Wirtschaftsgipfel gemeinsam bestreiten. Noch besser wäre es, wenn auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) teilnehmen und damit ein Zeichen pro Wirtschaft setzen würde. Am Ende des "Gipfels" "müssen konkrete belastbare Ergebnisse stehen, die zu schnellen Verbesserungen bei den betroffenen Unternehmen führen".



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