Marktreport Breitband 16.05.2011, 11:58 Uhr

Darf es noch etwas mehr sein?

Egal ob VDSL, Glasfaser, HSPA, LTE oder Satellit, die Anbieter schrauben die Download-Raten immer weiter nach oben. Nie zuvor gab es mehr Möglichkeiten, schnell online zu gehen - der Handel kann davon nur profitieren.
Was waren das früher noch für Zeiten: Wer vor 15 Jahren ins Internet gehen wollte, etwa um etwas bei Yahoo zu suchen oder sich seine erste E-Mail-Adresse einzurichten, musste neben einem PC und einem 56K-Modem vor allem zwei Dinge besitzen – viel Zeit und Geduld. Denn nach dem Klick auf den Button zur Herstellung der Internet-Verbindung werkelte das Modem erst einmal – deutlich hörbar – eine gewisse Zeit, bis dann nach und nach die ersten Fragmente der Webseite auf dem Bildschirm erschienen. Manch einer erinnert sich noch mit einem nostalgischen Lächeln an die quietschenden und knackenden Verbindungsgeräusche des Modems, zurückwünschen dürfte sich diese Steinzeit des Web allerdings sicher niemand.
Für einige Menschen ist das Modem aber nach wie vor trauriger Alltag, denn immer noch haben etliche tausend Haushalte in Deutschland keinen Zugang zum schnellen Internet. Die Kluft ist groß zwischen den Großstädten, in denen teilweise mehr als 100 MBit/s erreicht werden, und den sogenannten weißen Flecken auf dem Land. Dabei geht es längst nicht mehr nur um den Zugang zu E-Mails oder die gelegentliche Suche im Internet. „Leistungsfähige Breitbandanschlüsse sind die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, wirtschaftliches Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit“, bringt Frank Wölbern, Leiter der EWE-Tel-Geschäftsregion Ems-Weser-Elbe, die Situation auf den Punkt.

LTE und UMTS/HSPA

Um diese Kluft zu überwinden, hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr neue Frequenzen für die Nutzung des Internet via Mobilfunk versteigert, am Ende zahlten die vier Netzbetreiber Telekom, Vodafone, O2 und E-Plus 4,4 Milliarden Euro. Mithilfe der nächsten Mobilfunkgeneration LTE sollen die Versorgungslücken endlich geschlossen werden, so der Wille der Bundesnetzagentur. Die Telekom und Vodafone haben schon mit der aktiven Vermarktung begonnen. Auch bei O2 ist man sich sicher: „2011 steht im Zeichen von LTE“, so Marc Irmisch, Vice President Small & Medium Enterprises and SoHo, Telefónica Germany.
Dennoch haben die Münchner es noch nicht geschafft, entsprechende Tarife auf den Markt zu bringen, und verzichten damit bislang auf das Geschäft in den Gebieten ohne Breitbandzugang. Dies ist insofern etwas unverständlich, als gerade die potenziellen Kunden in diesen Gebieten nach schnellen Internet-Anschlüssen regelrecht lechzen dürften. Das Geschäft machen vorerst nur die Telekom und Vodafone. „Durch unseren Netzausbau erschließen wir dem Handel immer neues Vermarktungspotenzial“, so Markus Jodl, Unternehmenssprecher der Telekom. Er spricht dabei von „mehreren hunderttausend Haushalten“, die erstmals die Chance auf Breitbandversorgung erhalten. Indes – die neue Mobilfunkgeneration soll nicht allein zur Versorgung der weißen Flecken dienen, sondern auch in Großstädten für schnelle Datenverbindungen über mobile Endgeräte und zu Hause sorgen.
UMTS/HSPA
LTE tritt damit in direkte Konkurrenz mit der etablierten Technologie HSPA, die alle vier Netzbetreiber in den Ballungsräumen inzwischen mehr oder weniger gut ausgebaut haben. E-Plus, lange Zeit beim Thema Datennutzung äußerst zurückhaltend, will gar bis Ende 2012 das „beste Datennetz aus Sicht des Kunden“ aufgebaut haben, so CEO Thorsten Dirks. Doch auch wenn die Düsseldorfer fraglos eine gewaltige Aufholjagd beim Netzausbau gestartet haben, so dürften auch in einem Jahr die wenigsten Kunden bei der Frage nach dem besten Datennetz das von E-Plus an erster Stelle nennen. Dazu hat der Konzern das Thema „Mobile Data“ zu lange zu stiefmütterlich behandelt. Diesen Eindruck aus den Köpfen der Kunden zu bekommen wird sehr schwer.
Auch wenn LTE mit den deutlich höheren Bandbreiten aufwarten kann – bis dato gibt es noch keine Anwendungen, die dem Kunden einen Mehrwert, insbesondere bei der mobilen Nutzung, gegenüber HSPA bieten. „LTE wird sich am Markt etablieren – sowohl bei der Erschließung der sogenannten weißen Flecken als auch bei mobilen Anwendungen“, ist sich Oliver Wasserkordt, Head of Business Unit Product- and Customer Management bei Versatel, sicher. Er schränkt aber gleichzeitig auch ein: „Langfristig dürfte sich HSPA als dominierende Technologie für mobile Datenanwendungen durchsetzen.“

DSL und Glasfaser

So schnell die Mobilfunk-Technologie mittlerweile auch ist, in einem Punkt sind sich die Breitbandanbieter einig: Der feste Anschluss über DSL, Kabel oder Glasfaser wird auch in Zukunft der bevorzugte Zugangsweg für die Konsumenten sein, wenn sie zu Hause ins Internet gehen wollen. Die stärkste Verbreitung hat hier nach wie vor DSL, auch wenn die Zahl der Kunden nur noch sehr langsam wächst und bei manchem Anbieter sogar rückläufig ist. „DSL wird sicherlich auch in den nächsten drei Jahren die dominante Technologie am Markt bleiben“, sagt auch Ekkehard Stadie, Partner bei der Strategieberatung Simon-Kucher & Partners. Mittlerweile sind bei DSL Anschlüsse mit bis zu 16 MBit/s Standard, Telekom und Vodafone setzen aber seit einiger Zeit verstärkt auch auf VDSL mit Download-Raten von 25 MBit/s oder 50 MBit/s.
Die derzeit prominenteste Anwendung, die solche Geschwindigkeiten erforderlich macht, ist hochauflösendes IPTV – seit kurzem sogar in 3D. Die Telekom setzt hier auf ihr Zugpferd Entertain und hat mit enormen Marketinggeldern den Markt für echtes Internet-TV erschlossen. Vodafone hat zwar zur CeBIT ein Konkurrenzprodukt vorgestellt, verzichtet aber, wie auch Telefónica Germany, auf große Werbekampagnen.
Für den Handel ist das Thema IPTV im Gegensatz zum mittlerweile eher stockenden DSL-Geschäft aber ein durchaus lohnendes, wie auch Jörg Herweck, Vorstand des Distributors Herweck, meint: „Der Fachhändler sollte sich auf Produkte konzentrieren, die Geld in die Kasse bringen. Mit dem Verkauf eines T-Entertain-Anschlusses beispielsweise lassen sich bis zu 300 Euro verdienen.“
Glasfaser
Doch nicht nur Anbieter mit eigenem IPTV-Produkt haben schnelle Datenleitungen im Programm, auch City-Carrier wie NetCologne und M-net bieten den Kunden Tarife mit bis zu 100 MBit/s an. Diese setzen dabei auf die Glasfaser-Technologie und bauen dafür stetig ihre Netze aus. „Auf mittlere Sicht wird nichts an glasfaserbasierten Breitbandnetzen vorbeiführen“, so Anton Gleich, Geschäftsführer von M-net, gegenüber Telecom Handel.
Bei der Vermarktung setzen die lokalen Anbieter stark auf den Handel, M-net akquiriert extra für das Thema Glasfaser neue Partner. „Die haben allerdings einige Qualitätskriterien zu erfüllen“, erklärt Gleich. Welchen Stellenwert die Glasfaseranbindung in Zukunft einnehmen wird, zeigt unter anderem auch das Engagement der Telekom: Seit Anfang des Jahres läuft der Ausbau bis zum Haus (FTTH) in zehn deutschen Städten.

Kabel und Satellit

Während die DSL-Anbieter für viel Geld ihre Netze für höhere Geschwindigkeiten aufrüsten, können die Kabelanbieter mit relativ geringem Einsatz ihre TV-Netze auf 100 MBit/s und mehr bringen. „Wir haben bei einem Feldtest in Hamburg gezeigt, dass wir schon jetzt mehr als 1 GBit/s liefern könnten“, sagt Marc Mikulcik, Vice President Retail bei Kabel Deutschland. Anfangs von den DSL-Anbietern eher belächelt, haben sich die Kabelkonzerne inzwischen zur ernst zu nehmenden Konkurrenz entwickelt: Im vergangenen Jahr entschieden sich 39 Prozent aller Breitband-Neukunden für einen Kabelanbieter. Händler, die heute noch keine Kabelangebote im Sortiment führen, verzichten auf viele Kunden und viel Geld.
Satellit
Immer noch ein Nischenprodukt ist die Satellitenverbindung. Anfangs war die Hardware sehr teuer und die Installation musste vom Fachmann erledigt werden. Die Tarife lagen preislich deutlich über den DSL-Produkten und lieferten gleichzeitig nur magere Bandbreiten. Heute ermöglichen neue Satelliten bis zu 10 MBit/s im Download, und auch Hardware und Grundgebühr sind nicht mehr unerschwinglich. „Internet via Satellit ist flächendeckend verfügbar, jedoch nicht flächendeckend bekannt“, beschreibt Daniel Steinlein, Managing Director der Internetagentur Schott, das größte Problem des Sat-Zugangs. Für Händler mit der nötigen Expertise ist diese Zugangstechnologie durch die niedrigeren Preise richtig interessant geworden, zumal die Margen auch aufgrund der Installation attraktiv sind.
Fazit: Es geht voran
Auch wenn die Boom-Zeiten bei DSL vorüber sind und mancher diesen Zeiten nachtrauert, ist schnelles Internet nach wie vor einer der Umsatzbringer – auch für den Handel. Und: Nie zuvor gab es so viele verschiedene Möglichkeiten, mit Highspeed ins Web zu gehen. Das Modem hat ausgedient.

Interview mit Ekkehard Stadie

Ekkehard Stadie ist Partner bei der globalen Strategieberatung Simon-Kucher & Partners. Er leitet hier das Competence Center „Telecommunications/Online Business“.
Telecom Handel: Herr Stadie, wie schätzen Sie die Entwicklung auf dem Breitbandmarkt aktuell ein?
Ekkehard Stadie: Ich denke, wir stehen vor dramatischen Veränderungen des Breitbandmarktes. Preisvorteile greifen als Kaufargument immer mehr ins Leere, Geschwindigkeiten sind zunehmend gefragt. Kabelanbieter stehen bei diesem Thema aktuell deutlich an erster Stelle. 
Telecom Handel: Welche Bedeutung messen Sie den einzelnen Technologien in Zukunft zu?
Stadie: DSL wird sicherlich auch in den nächsten drei Jahren die dominante Technologie im Markt bleiben. Ich erwarte langfristig einen Marktanteil von 50 Prozent. Denn DSL erfüllt perfekt die Anforderungen der breiten Masse, allerdings als rückläufige Technologie.  Kabel ist sicherlich der Aufsteiger und DSL in Sachen Geschwindigkeit und Servicestabilität überlegen. Alle heute sinnvollen Anwendungen für Privatkunden kann Kabel realisieren.
Telecom Handel: Welche Rolle wird das Thema Glasfaser spielen?
Stadie: Glasfaser ist die große Unbekannte für den Privatkundenmarkt. Die Anbieter sollten hier zunächst aktiver auf das Segment B2B setzen. Glasfaser ist der Nachfolger der Telkos für DSL. Aber massentauglich wird es in den nächsten Jahren wohl noch nicht.
Telecom Handel: LTE ist momentan in aller Munde. Kann diese Technik das Festnetz komplett ersetzen?
Stadie: Ich sehe es eher als eine ergänzende Technologie. Einerseits ergänzend für Anbieter, wenn keine Alternativtechnologie vorhanden ist, andererseits ergänzend für Nutzer mobiler Anwendungen. In abgeschwächter Form gilt das sicherlich auch für HSPA.
Telecom Handel: Satellit ist als einzige Technologie überall verfügbar. Welche Zukunftschancen haben diese Angebote?
Stadie: Satellit ist eine reine Ergänzung. Diese Technologie an sich hat keinen Mehrwert gegenüber den anderen. Ihr Einsatz erfolgt als letztes Mittel, wenn andere Technologien nicht greifen.
Telecom Handel: Welche Herausforderungen und welche Chancen ergeben sich dabei gegenwärtig und in Zukunft für den Fachhandel?
Stadie: Wenn es gut läuft, wird das an den Handel ausgeschüttete Provisionsvolumen konstant sein. Ein positiver Effekt ergibt sich durch den Verkauf der neuen Technologien. Negative Auswirkungen kann der stärkere Zwang zur Vertriebskostenersparnis mit sich bringen, insbesondere beim Vertriebskanal Online und bei der kombinierten Vermarktung von Mobilfunk und Breitband.




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