26.09.2011, 08:15 Uhr

"Verkaufen ist wie fliegen"

Im Exklusivinterview mit Telecom Handel spricht Susan Hennersdorf, Leiterin Privatkundenvertrieb bei Vodafone Deutschland, über die Vermarktungsstrategie von Vodafone TV und LTE.
Telecom Handel: Für die diesjährige IFA wurde ein Video mit Ihnen produziert, auf dem Sie sagen, Verkaufen sei wie Fliegen…
Susan Hennersdorf: Erfolgreiches Verkaufen, ja. Damit meinte ich, dass es Situationen  gibt – und die Messe war eine davon –, in denen gemeinsame Verkaufs- und Erfolgserlebnisse einen nach oben bewegen. Fast so, als würde man fliegen. Das Schöne am Vertrieb ist, dass man schnell und zeitnah Feedback bekommt, vom Kunden wie vom Vertriebspartner. Ich für meine Person brauche das. Daher bin ich persönlich auch mindestens drei Tage die Woche in der Fläche unterwegs, beim Kunden. Hier bei den Menschen sehe ich meine Aufgabe. Ich bin eben die erste Verkäuferin. Das muss ich Woche für Woche unter Beweis stellen.
Telecom Handel: Aha, Sie betrachten sich sozusagen als Fluglehrer …
Hennersdorf: Nein, nicht als Lehrer, sondern eher als Zuhörer. Es ist viel besser, wenn frau die Dinge selbst gehört hat, als wenn man sie gefiltert bekommt. Ich nehme vor Ort vieles auf und bringe das dann intuitiv in die Entscheidungen mit ein.
Telecom Handel: Was für Erfahrungen haben Sie denn vor Ort gemacht?
Hennersdorf: Zum Beispiel, dass es total viel Spaß macht, etwas zu bewegen und auf die Schnelle zu agieren. Von daher lege ich auch sehr viel Wert auf die regionale Ausstellung des Vertriebs.
Telecom Handel: Wie haben Sie den Vertrieb denn strukturiert?
Hennersdorf: Wir haben acht Niederlassungen, die jeweils von einem Niederlassungsleiter gesteuert werden. Dieser überschaut die Region ganzheitlich. Das heißt, er ist in der Lage, alle Kanäle übergreifend zu orchestrieren. Zusätzlich habe ich in unserer Zentrale Veränderungen vorgenommen, die die kanalübergreifende Flächenorganisation widerspiegeln. Jeder Mitarbeiter in der Fläche hat genau einen Ansprechpartner in der Zentrale, welche als Servicecenter für die Flächenorganisation dient.

Vorteile für den Handel

Telecom Handel: Welche Vorteile hat das für die Händler vor Ort?
Hennersdorf: Das hat eine Menge Auswirkungen, zum Beispiel bei der Margen- und Konditionssteuerung oder der Marketingunterstützung. Wir haben viel Zeit investiert, darüber nachzudenken, welche Rolle eigentlich welcher PoS in unserem Gesamtorchester besitzt. Nicht jeder kann und will alle Produkte gleich effektiv vermarkten. Daher sollte beispielsweise auch das PoS-Material individuell zusammengestellt sein. Auf die regionale bis hin zu PoS-bezogenen Aussteuerung haben wir nun einen viel besseren Blick.
Telecom Handel: Welche Themenschwerpunkte wollen Sie in nächster Zeit setzen?
Hennersdorf: Es gibt drei große strategische Themen, die unser Unternehmen bewegen – und damit auch unseren Vertrieb. Das erste Thema ist LTE. Für uns ist LTE das Zukunftsnetz überhaupt. Wir setzen klar auf mobile Lösungen und sind der Auffassung, dass LTE so zuverlässig und schnell wie DSL ist. Von daher gehen wir davon aus, dass LTE im Privatkundenbereich mittelfristig das Festnetz ablösen wird. Das ist unser Anspruch und auch unser kommerzielles Ziel.
Telecom Handel: Noch steckt LTE ja in den Kinderschuhen…
Hennersdorf: Das kann man so nicht sagen. Wir waren die ersten, die LTE schon im Dezember letzten Jahres kommerziell in Deutschland angeboten haben und der technologische Ausbau schreitet massiv voran. Wir können heute schon rund fünf Millionen Haushalte in ganz Deutschland in mehreren Tausend Orten und Gemeinden mit LTE versorgen. Und wir könnten noch viel mehr Basisstationen in Betrieb nehmen, brauchen dafür aber noch den Stempel der Bundesnetzagentur. Beim Regulierer stapeln sich die Anträge im Eingangskorb. Unser Netz-Ausbau geht also in Highspeed voran, dass passt zum Mobilfunknetz der Zukunft. Schon heute können Kunden bei Vodafone hybride 3G/4G-LTE-Datensticks kaufen, d.h. im LTE-versorgten Gebiet surft der Kunde im 4G-Modus, überall sonst in 3G. Auch 4G-Smartphones folgen in wenigen Monaten. Und nach den weißen Flecken, die beispielsweise in NRW wie politisch gefordert beseitigt sind, bringen wir LTE jetzt auch in die Städte wie derzeit in Düsseldorf. Dabei gibt es nicht nur aus Kundensicht, sondern auch aus Vermarktungssicht viele Vorteile.

Vermarktung des TV-Angebots

Telecom Handel: Welche sind das? Und welche Rolle spielt dabei der Fachhandel?
Hennersdorf: Der Fachhandel ist der Kanal, der die Fläche, also die ländlichen Gebiete, abdeckt. Von daher ist der Fachhandel für uns der Hauptvermarktungspartner von LTE. Er hat die Nähe zum Kunden und regionales Markt-Know-how.
Telecom Handel: Also kein Vertrieb über Call-Center oder das Internet?
Hennersdorf: Jeder Touch-Point hat eine klare Aufgabe und eine klare Rolle im Orchester des Vertriebs. Und in ländlichen Regionen sehen wir den Fachhandel im Vermarktungsschwerpunkt. LTE ist nichts, was Sie online verkaufen. Das Produkt ist hoch erklärungsbedürftig. Wir brauchen die Kompetenz der Menschen vor Ort. Wir brauchen verdrahtete Leute, die mit den Bürgern kommunizieren und einen gewissen Status im Ort haben. Und das trifft auf den Fachhandel mehr zu als auf alle anderen Kanäle.
Telecom Handel: Was sind neben LTE die anderen beiden großen strategischen Themen, von denen Sie vorhin sprachen?
Hennersdorf: Das zweite große Thema ist das Thema Fernsehen. Wir setzen im TV-Bereich auf eine hybride Lösung…
Telecom Handel: …die Sie erst mit großer Verzögerung starten konnten.
Hennersdorf: Das stimmt. Allerdings ist so ein Hybridmodell deutlich anspruchsvoller als andere Lösungen. Insofern haben wir das erst einmal länger getestet. Manchmal braucht es seine Zeit, bis ein Produkt ausgereift ist. Wenn der Fernseher schwarz bleibt, verzeiht einem das kein Kunde. Manchmal ist es auch ganz gut, wenn man nicht der Erste ist.

Die Rolle von Prepaid im Handel

Telecom Handel: Wie werden Sie Ihr TV-Produkt vermarkten?
Hennersdorf: Unser Vermarktungsansatz ist, Vodafone TV insbesondere dort zu vermarkten, wo man auch Fernseher vermarktet. Das ist kein Versandhandelsprodukt. Man muss es zeigen können, und die Händler müssen einen Warenbestand haben. Der „Fernseherverkäufer“ kennt sich mit Themen wie die klassische Verfügbarkeitsabfrage noch nicht so gut aus, aber dazu werden wir viel in Schulungen investieren. Zudem haben wir ein spezielles Produkt für die Fernsehabteilung geplant. Hier kann der Händler seinen Kunden die Vodafone TV Set Top Box auch als „stand alone“-Lösung ohne Vodafone-Anschluss anbieten. Bei einem UVP von 299,-€ kann der Kunde über seinen bestehenden Anschluss die Box nutzen. Möchte er später das komplette Leistungsspektrum, wie z.B. die Videothek oder die zahlreichen HD-Sender über den IP-Kanal von Vodafone TV nutzen und bucht den dafür notwendigen Vodafone Anschluss, erhält er 249,-€ zurückerstattet.
Telecom Handel: Welche Rolle spielt dann der TK-Fachhandel?
Hennersdorf: Für den TK-Fachhandel ist das ein wunderbares Add-on-Thema, gerade in Hinblick auf LTE. Der Händler kann sagen: Jetzt hast du LTE gekauft, jetzt kaufe für zehn Euro mehr auch noch ein Fernsehprogramm, das einfach funktioniert. Das ist ein unschlagbares Verkaufsargument. Letztlich werden wir alles über alle Kanäle vermarkten. Unserer Erfahrung zufolge braucht der Fachhandel vielleicht etwas länger, bis er Fahrt aufnimmt. Aber wenn er erst einmal Fahrt aufgenommen hat, hat er einen viel größeren Hebel als unsere direkten Kanäle. Übrigens: Auch das dritte Thema zielt voll auf den Fachhandel ab…
Telecom Handel: Um was handelt es sich?
Hennersdorf: Dabei geht es um den Ausbau unseres Debit-Tarifportfolios. Hier werden die Karten im Markt derzeit ja neu gemischt. Gerade im Fachhandel spielt das Thema mittlerweile eine ganze andere Rolle als noch vor ein oder zwei Jahren. Der Händler hat hier die Möglichkeit der Bündlung mit freier Ware. Dies auch vor allem bei Smartphones, die Datentarife und damit ein innovatives Netz benötigen. Der Handel weiß am besten, welche Geräte sich vor Ort gut verkaufen lassen und braucht eben den passenden Tarif dazu. Insbesondere mit dem Smartphone Fun haben wir hier eine Lösung. Allerdings werden wir nie eine Preispositionierung anbieten wie E-Plus, sondern immer ein wertiger Anbieter bleiben. Allein schon wegen unseres Netzes zählen wir unsere Prepaid-Tarife auch nicht zu den Discount-Tarifen.

Neue Wege in der Distribution?

Telecom Handel: Die Deutsche Telekom hat auf der IFA angekündigt, ihre Vertriebsoberfläche mit Shop-in-Shops in branchenfremden Bereichen wie Zeitschriftenläden erweitern zu wollen. Hat auch Vodafone entsprechende Ambitionen?
Hennersdorf: Eine Distributionsausweitung in Richtung alternative Kanäle kann ich mir eher mit unserer Marke o.tel.o vorstellen, weniger mit der traditionellen roten Marke – und schon gar nicht bei Produkten wie Vodafone TV. Allerdings arbeiten auch wir ständig an unserem Store-Design und den Modulen, etwa bei der Fragestellung, wie man Tablets am besten präsentiert. Das ist händlerische Routine, die uns ständig beschäftigt.
Telecom Handel: Bei unseren Leserwahlen beklagt der Fachhandel häufig, dass er nicht genügend Einsicht in die Daten der Kunden hat und nicht zuletzt damit keine Gleichbehandlung aller Vertriebskanäle erfolgt. Wann wird sich hier endlich etwas ändern?
Hennersdorf: Generell wissen alle unsere Kanäle, auch die direkten, immer zu wenig über den Kunden. Allerdings ist das systemtechnisch ein unglaublich komplexes Thema. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Voraussetzungen für eine integrierte Kundensicht zu schaffen. Jetzt haben wir ein Projekt angestoßen, bei dem das, was der Kunde auf seiner Rechnung sieht, auch in allen Kanälen zu sehen ist. Meine Vision wäre, dass ein Kunde, der online ordert, die Ware beim Fachhandel abholen kann und umgekehrt ein Produkt, das im Fachhandel gerade nicht vorrätig ist, nach Hause geschickt wird.




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