Smartphone-Vergleichstest 03.02.2010, 10:01 Uhr

Kampf der Betriebssysteme

Telecom Handel hat drei aktuelle Smartphones mit verschiedenen Betriebssystemen unter die Lupe genommen. Motorola Milestone, Nokia N97 mini oder Samsung B7620: Wer macht das Rennen?
Der Kampf der Smartphone-Betriebssysteme wird immer intensiver: Neben neuen Kandidaten wie Android, Maemo und demnächst Bada von Samsung stemmen sich die Platzhirsche Symbian und Windows Mobile gegen die Konkurrenz. Wir haben drei aktuelle Smartphones ausgewählt, die jeweils eine ähnliche Bauweise mit Touchscreen und QWERTZ-Tastatur aufweisen, sich aber durch die Betriebssysteme grundlegend unterscheiden: das Nokia N97 mini, das Motorola Milestone und das Samsung B7620 Giorgio Armani.
Meilenstein für Motorola
Das Milestone ist Motorolas Versuch eines Comebacks auf dem Handy-Markt und entsprechend wichtig für den US-Hersteller. Es bietet als erstes Gerät Android in der aktuellen Version 2.0. Einer der Hauptkonkurrenten ist das mit Symbian ausgerüstete Nokia-Topmodell N97, das jetzt auch in einer neuen, kompakteren Version namens N97 mini vorliegt, die wir getestet haben. Etwas aus der Reihe tanzt das B7620 Giorgio Armani von Samsung, das mit dem prestigeträchtigen Logo des italienischen Modeschöpfers versehen ist, aber dennoch als Windows-Mobile-6.5-Smartphone mit Tastatur auch Business-Kunden ansprechen soll. Technisch ähnelt es dem Omnia Pro B7610 der Koreaner.
In der Gestaltung sind sich alle drei Kandidaten mit ihren großen Touchscreens in Kombination mit klappbaren QWERTZ-Tastaturen sehr ähnlich. Doch bei näherem Hinsehen und erst recht bei der Benutzung zeigen sich große Unterschiede. Üppige Dimensionen bringen alle drei Geräte mit, wobei das Nokia etwas kleiner als die beiden anderen Kandidaten ist. Mit seinen 138 Gramm ist es vor allem deutlich leichter, während Motorola und Samsung mit über 160 Gramm echte Brocken sind.
Dafür stimmen aber auch bei allen dreien die Verarbeitung und die Materialien. Das Samsung dürfte mit seinem Armani-Schriftzug auf der Oberseite und dem Akkudeckel sowie einem Rahmen in Gold nicht unbedingt den Geschmack zurückhaltender Zeitgenossen treffen. Das Nokia und vor allem das Motorola, bei dem die Rückseite gummiert ist, wirken da dezenter. Dafür gewinnt Samsung den Preis fürs beigelegte Zubehör, denn neben den üblichen Accessoires wie einem Headset und Datenkabel finden sich eine Ledertasche und ein Ersatzakku samt Ladestation im Paket.

Smartphone-Vergleichstest: Kampf der Giganten

Gerüstet für Vieltipper
Gut ist, dass sich alle drei Geräte über den Mini-USB-Anschluss laden lassen; vor Staub geschützt ist dabei nur der Stecker des Samsung. Es ist zudem der einzige Kandidat mit MicroSD-Slot am Gehäuse und nicht unter dem Akkudeckel. Beim Motorola muss zum Tausch der Speicherkarte sogar der Akku entnommen werden.
Für Vieltipper gibt es bei allen drei Telefonen seitlich ausziehbare QWERTZ-Tastaturen, die Mechanismen unterscheiden sich allerdings: So lässt sich das Display des Milestone nicht klappen, so dass Tastatur und Anzeige auf gleichem Niveau liegen. Beim Nokia klappt das Display etwas schwergängig in einen Winkel von etwa 30 Grad nach oben, ähnlich wie bei einem Laptop. Das Samsung bietet über zwei Scharniere beide Möglichkeiten – entweder eine Ebene oder die 30-Grad-Stellung. Auch hinsichtlich der Größe zeigen sich die Tastaturen sehr unterschiedlich: Die größten Tasten weist das Samsung auf, gefolgt vom Motorola, die kleinsten das Nokia. Dessen Tasten lassen sich trotzdem am besten drücken, da sie klar voneinander abgehoben sind.
Beim Samsung liegt die obere Reihe zu nah am Gehäuse, wenn dieses geklappt ist. Das Motorola hat etwas unklare Druckpunkte. Das gilt auch für die große Menütaste neben der Tastatur. Nokia und Samsung haben sich dagegen für vier Cursortasten zur Navigation durch die Menüs entschieden. Bei den Tasten auf der Oberseite gibt es ebenfalls Unterschiede: Nokia und Samsung bieten lediglich eine Menütaste sowie die Tasten zum Abheben und Auflegen, während das Motorola gleich vier Direktzugriffe als Soft-Touch-Tasten mitbringt – nur eben nicht die beiden wichtigen Telefontasten.
Viel Platz auf der Anzeige
Schön große Displays haben ebenfalls alle drei zu bieten, wobei das des Nokia mit einer Diagonale von 8,2 Zentimetern am kleinsten ist, während das Samsung 8,9 und das Motorola opulente 9,4 Zentimeter Diagonale aufweisen. Die Qualität ist immer sehr gut; Motorola und Samsung haben indes bei der Auflösung die Nase vorn, da sie mindestens 480 x 800 Pixel bieten, während das Nokia „nur“ 360 x 640 Pixel hat. In der Realität sind Unterschiede aber kaum erkennbar. Am hellsten und kontraststärksten wirkt die AMOLED-Anzeige des Samsung. Die Touchscreens von Nokia und Samsung sind resistiv, wobei die Anzeige des Nokia am besten reagiert, während das Samsung und das Motorola mit seinem kapazitiven Display Touchscreen-Eingaben manchmal nicht auf Anhieb erkennen.

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Ein Stift zur Bedienung ist in den aktuellen Versionen der jeweiligen Betriebssysteme aber nicht mehr nötig, denn die Schaltflächen sind fast immer groß genug, um mit einem Finger bedient werden zu können. Selbst bei Windows Mobile in der aktuellen Version 6.5 wurde das alte Manko der winzigen Pull-down-Menüs abgestellt, zudem erleichtern Elemente der Samsung-eigenen Benutzeroberfläche die Bedienung. Dafür bieten Motorola und Samsung jeweils drei verschiedene Startbildschirme, über die Symbole und Widgets nach Belieben verteilt werden können und zwischen denen der Anwender per Fingerstrich wechseln kann.
Beim Surfen erweist sich das Motorola mit seiner Multitouch-Bedienung am komfortabelsten und es hat auch einen rasanten Browser. Im Samsung kommt ein schneller, aber nicht ganz so komfortabel zu bedienender Opera-Browser zum Einsatz. Das Nokia hebt sich optisch durch einen recht kleinteiligen Startbildschirm ab, der viele individuelle Zugriffe bietet, was aber Übung im Erkennen der Symbole erfordert. Auch die Symbian-typischen Menüs sind weit verzweigt und hinken optisch der Konkurrenz etwas hinterher.
Was Arbeitsgeschwindigkeit und Speicher betrifft, könnten alle drei manchmal etwas schneller sein: Das Nokia nimmt sich wie von Symbian gewohnt seine Auszeit beim Starten, ist dann aber mit seinem ARM-Prozessor mit 434 Megahertz halbwegs schnell. Das Herz des Motorola soll 550 Megahertz erreichen – und es gibt in der Realität kaum Verzögerungen. Das Samsung nutzt sogar einen 800-Megahertz-Prozessor, was allerdings nicht verhindert, dass beim Aufrufen von Menüs manchmal kleine Verzögerungen auftreten. Trotzdem ist es derzeit noch eines der schnellsten Windows-Mobile-Handys.
Bei der Ausstattung hat keiner der drei Hersteller gegeizt: Alle bieten acht Gigabyte Speicher – wobei Motorola diesen über eine beigelegte MicroSD-Karte und nicht intern bereitstellt. Alle haben WLAN und schnelle Daten: Das Nokia hat dabei „nur“ 3,6 MBit/s im Downlink und kein HSUPA zu bieten. Die beiden Konkurrenten erreichen dagegen die derzeit in deutschen Netzen möglichen Höchstgeschwindigkeiten im Down- und Uplink, beim Motorola sind es theoretisch sogar 10 und 5,76 MBit/s.

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Alle drei Kameras haben fünf Megapixel Auflösung, die Qualität der Bilder ist allerdings sehr unterschiedlich. Wenig Freude macht das Motorola, bei dem die Fotos zu große Unterschiede zwischen hellen und dunklen Flächen zeigen. Außerdem ist die Speicherzeit hier mit rund zwei Sekunden am längsten. Das Samsung hat eine extrem kurze Auslöseverzögerung und sehr authentische Farben.
Noch besser ist das Nokia mit seiner Zeiss-Optik, bei dem die Wiedergabe einfach am realistischsten erscheint. Zudem arbeitet der Autofokus am genauesten. Navigieren können alle drei Smartphones, wobei die auf dem Milestone installierte Testversion der neuen hauseigenen Google-basierten Software Motonav von Motorola einen sehr guten Eindruck machte. Während das N97 mini immerhin Nokia Maps bietet, muss der Kunde zum Samsung eine Fremdsoftware dazukaufen.
Ein leidiges Smartphone-Thema sind die Akkus. Motorola und Nokia bieten hier zumindest noch ordentliche Leistungen. Sie müssen bei intensiver Benutzung im Schnitt alle zwei Tage ans Netz. Das Samsung schneidet mit seinem voluminösen 1.500-mAh-Akku hier klar über dem Durchschnitt ab, da es mehrere Tage durchhält.

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Trio mit vielen Stärken
Erstaunlich ist unterm Strich, wie stark sich alle drei Smartphones in Szene setzen können; sie gehören eindeutig zum Besten, was es im Moment in diesem Segment auf dem deutschen Markt gibt. Die Funktionsvielfalt lässt dabei selbst ein aktuelles iPhone alt aussehen.
Das Samsung gewinnt den Test deutlich, weil es kaum Schwächen zeigt und sehr viel Leistung und Ausstattung bietet. Störend ist nur das mächtige Gehäuse, zudem sind Windows Mobile und der Armani-Look vielleicht nicht jedermanns Sache.
Das Milestone stellt ein gelungenes Comeback für Motorola dar, es kann mit den anderen Android-Handys auf Anhieb mithalten und bietet einige neue Ideen. Durch die Tastatur setzt es eigene Akzente. Das N97 mini von Nokia belegt, dass Symbian noch nicht zum alten Eisen bei den Betriebssystemen gehört, wenn man es wie hier mit einer guten Hardware kombiniert. Vor allem dank des kompakteren Gehäuses und der edleren Anmutung ist es die bessere Wahl gegenüber dem alten N97 und auch dem starken, aber riesigen N900.



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