Verkehrsdaten 18.04.2011, 10:55 Uhr

Neue Wege gegen den Stau

Anbieter wie Navteq oder TomTom setzen verstärkt auf dynamische Verkehrsdaten aus mehreren Quellen, um die Navigation am Stau vorbei zu gewährleisten. Dabei werden immer mehr Methoden für die Ermittlung genutzt.
Sich elektronisch navigieren zu lassen ist schön, doch wenn einen die geplante Route geradewegs in den nächsten Stau führt, nützt auch das beste System nichts. Deshalb sind Verkehrsinformationen inzwischen ein wichtiges Feature der meisten Navigationssysteme und Smartphone-Programme. Doch wie genau sind solche Informationen, und wie gelangen sie dann auf die Endgeräte? Am Beispiel des Service des Karten- und Diensteanbieters Navteq hat sich Telecom Handel auf eine Reise durch die Welt der Verkehrsdaten begeben.
Traditionelle Methoden
Seit vielen Jahren bekannt sind die Verkehrsfunkmeldungen im Radio, die ursprünglich meist von den deutschen Landesmeldestellen kamen. Sie sind häufig ungenau und veraltet, da sie auf Berichten von Staumeldern, einigen wenigen Überwachungskameras und der Polizei basieren. Für spezielle Warnhinweise wie die auf Geisterfahrer, die von anderer Technik nicht erfasst werden können, sind solche „menschlichen“ Meldungen auch heute noch unverzichtbar.
Außerdem nutzen die Anbieter von Verkehrsdaten Sensoren: Die Messtechnik an tausenden Autobahnbrücken gehört der Navteq-Tochter DDG und erfasst neben der Verkehrsmenge auch die Geschwindigkeit der Fahrzeuge. Die Methode ist zwar am Messpunkt sehr genau, aber viel zu teuer, um zum Beispiel auch Bundesstraßen und Stadtgebiete flächendeckend zu erfassen.
Eine dritte Quelle sind Pkw und Lkw, die selbst ihre anonymisierten Positionsdaten an die Zentrale senden – die sogenannten Floating Car Data (FCD). Dazu gehören bei Navteq zum Beispiel 70.000 BMW-Fahrzeuge mit Connected Drive, die dies per automatisierten SMS erledigen. Der Fahrer merkt davon nichts und hat auch keine Extrakosten zu befürchten. Dieses Verfahren ist allerdings recht teuer für den Betreiber, der die Übertragung bezahlen muss.

Immer aktueller

Zu diesen Methoden, die für Autobahnen ein ausreichendes Bild der Verkehrslage ergeben können, haben sich in den letzten Jahren einige Verbesserungen gesellt, mit denen die Abdeckung optimiert wird. Navteq verfolgt dazu zwei Ansätze.
Einmal ist das die Generierung von Verkehrsinformationen aus den Bewegungsdaten von Mobilfunknutzern. Millionen T-Mobile-Kunden lassen sich über das Funknetz orten und ihre Bewegungsmuster interpretieren, eine ähnliche Methode verwendet der Konkurrent TomTom bei seinem Dienst HD Traffic mit Vodafone. Dabei entstehen anonymisierte Informationen, die nur erkennen lassen, dass sich jemand mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt, aber nicht, wer sich da bewegt. Diese Ergebnisse fließen in Muster ein, die bei Veränderungen der Geschwindigkeit Aussagen über Staus ermöglichen, was automatisiert erfolgen kann. Allerdings ist die Genauigkeit der Positionierung im Mobilfunknetz nicht so hoch wie bei GPS per Satellit, was vor allem in Städten eine Rolle spielt.
Als Alternative gibt es deshalb auch sogenannte „Spurdaten“ von GPS-Geräten: Lieferanten sind unter anderem Fahrzeuge gewerblicher Anwender wie Paketdienste oder Taxis sowie GPS-Empfänger in Handys und Navigationsgeräte mit Mobilfunk-Modul. Navteq greift etwa auf GPS-Daten von Nokia und Navigon zurück. Dank der rasant zunehmenden Verbreitung solcher Endgeräte gibt es inzwischen eine ausreichende Datenbasis, zudem sind die Positionsangaben extrem genau.
Richtig interpretieren
Wichtig ist, dass die Vielzahl an Daten, die ständig in den Zentren der Anbieter gelangt, auch richtig interpretiert wird, denn es gibt immer wieder Muster in den Bewegungsbildern, die keinen Regeln folgen. So ist der innerstädtische Verkehr durch Ampeln geprägt, deren Rotphasen gerade im Berufsverkehr auch schon als Stau interpretiert werden könnten. Selbst ein Müllwagen in einer einspurigen Straße kann im Berufsverkehr für kurzzeitigen Stillstand sorgen. Trotzdem würde wohl niemand deswegen gleich eine neue Route planen.
Außerdem müssen die Ursachen für Verkehrsstörungen – soweit bekannt – mit in die Auswertung einbezogen werden. Sperrungen haben zum Beispiel andere Konsequenzen als kurze Blockierungen einzelner Spuren. Dienste wie HD Traffic zeigen deshalb bei den Verkehrsmeldungen meist auch die Ursache des Staus im Display und rechnen den zeitlichen Mehraufwand für Umfahrungen aus.
Das fertig aufbereitete Produkt liefern Dienstleister wie Navteq oder TomTom dann an Kunden aus der Industrie oder nutzen es selbst für ihre Angebote. Neben diesen beiden Platzhirschen gibt es mit Inrix aus den USA einen weiteren Anbieter von Verkehrsinformationen, der jetzt auf den europäischen Markt drängt.

So kommt?s an

Wenn die Daten vom Anbieter aufbereitet sind, müssen sie nur noch an die Endgeräte verschickt werden. Der TMC (Traffic Message Channel) und der erweiterte Dienst TMCpro setzten hier lange Jahre den Standard. Den Radio-Datenkanal TMC gab es kostenlos zu vielen Navigationssystemen und Stand-alone-Navigatoren dazu, während für den erweiterten Service TMCpro mit mehr und genaueren Informationen entweder eine Abogebühr oder ein Aufschlag auf den Kaufpreis der Navi-Hardware fällig wurden. Der Hauptnachteil dieser als Datenkanal für Radios konzipierten Übertragung ist die begrenzte Datenmenge, die dem heutigen Verkehrsaufkommen mit einer Vielzahl von Meldungen kaum noch gerecht wird.
Deshalb nutzen die Anbieter inzwischen Mobilfunk zur Übertragung der Informationen, zum Beispiel indem sie dafür die SIM-Karten in manchen Highend-Navigationssystemen verwenden. Auch die Autohersteller verbauen in ihren höherwertigen Fahrzeugen zunehmend SIM-Karten, die ausschließlich zum Datentransfer dienen. Der Besitzer merkt davon manchmal nicht einmal etwas. Smartphones können die Verkehrsdaten ohnehin einfach über das Netz abrufen und in Navi-Software wie Ovi Maps von Nokia, TomTom oder den Navteq Mobile Navigator integrieren. Einer freieren Fahrt steht damit nichts mehr im Wege.




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