Das müssen Sie tun, wenn Amazon plötzlich den Händler-Account schließt

Amazon hat das Hausrecht auf seiner Seite

Fälle wie der von Johann Mitterbauer ­machen im „Seller Central“-Forum von Amazon oder in einschlägigen Händlergruppen auf Facebook regelmäßig die Runde. Aufgebrachte Händler berichten von plötzlichen, grundlosen Account-Sperren, von unfreundlichen bis inkompetenten Amazon-Mitarbeitern, die widersprüch­liche Informationen verbreiten, von durch Willkür gefährdeten Existenzen. ­Eine Händlerin erzählte der ­Redaktion sogar von Ware im Wert von mehreren Tausend Euro, die sie via Fulfillment by Amazon (FBA) bei Amazon gelagert und über den Marktplatz verschickt habe – und die Amazon nun nach einer Account-Sperre und zweimaliger Aufforderung, eine Lagergebühr für die aufgrund der Sperre unverkäuflichen Artikel zu entrichten, vernichtet habe.
Nur wenige Fälle gestalten sich so eindeutig wie der von Mr. Music, in dem sich auch Amazon selbst schwertat, plausible Gründe für den Ausschluss des unbescholtenen Händlers zu finden.

Unberechtigte Account-Sperren sind die Ausnahme

„Auch wenn Problemfälle bei Amazon Marketplace immer hohe Wellen schlagen, muss man eines klar sehen: Für deutlich mehr als 90 Prozent der Händler funktioniert Amazon sehr gut und weitgehend reibungslos“, stellt Mark Steier klar, der selbst die Wortfilter-Gruppe auf Facebook, eine Plattform für Marktplatz-Händler aller Art, moderiert und in Streitfällen mit Amazon oft schlichtend eingreift. „Und in 90 Prozent der Fälle, in ­denen es Probleme gibt, liegt irgendein Versäumnis auf Händlerseite zugrunde, welches dann eine Reaktion von Amazon auslöst – im Regelfall die Sperrung des ­Accounts, bis das Versäumnis geklärt ist.“ Viele Händler unterschätzten die Genauigkeit, mit der Amazon seine eigenen, ­detaillierten Regeln interpretiere. Eine Sperrung könne schon aufgrund von aus Händlersicht kleinlichen Gründen ­erfolgen, bestätigt der Händlerbund, bei dem fast täglich Beschwerden von Amazon-Händlern wegen Account-Sperrungen auf dem Tisch der Rechtsabteilung landen.
„Oft sind es formelle Probleme: Es fehlt beispielsweise eine Telefonnummer im Impressum, oder notwendige Zahlungsinformationen sind nicht hinterlegt, Händler-Unterlagen wie Gewerbescheine oder Steuernummern fehlen“, berichtet Yvonne Bachmann, Rechtsanwältin beim Händlerbund. „Üblicherweise sind solche Probleme nach wenigen Tagen geklärt. Handelt es sich dagegen um Verstöße ­gegen die sehr umfangreichen Amazon-Richtlinien, kann es aber auch ­Monate dauern, bis das Problem gelöst wird. Oder die Sache endet für den Händler mit einer lebenslangen Account-Sperre.“ Eine weitere Schwierigkeit: Oft liegen die Versäumnisse, die zu der Sperre geführt haben, Monate oder sogar Jahre zurück.
Noch problematischer kann es für den betroffenen Händler werden, wenn bei Amazon Patent- oder Plagiatsbeschwerde gegen eines seiner Produkte eingereicht wurde. „Erst kürzlich hatten wir einen Händler, der auf Amazon seine eigenen Handyhüllen verkauft hat – bis ein anderer Hersteller Patentbeschwerde gegen ­seine Produkte eingelegt hat. Da Amazon als Verkaufsplattform bei Patentverletzungen mithaftet, wurde der betroffene Händler natürlich sofort gesperrt“, erzählt Bachmann. „Allerdings hat er mittlerweile mithilfe eines Patentanwalts zweifelsfrei nachgewiesen, dass die Beschwerde gegenstandslos ist. Trotzdem hat Amazon seinen Account noch nicht wieder freigeschaltet. Der Händler zählt mittlerweile Verluste im sechsstelligen Bereich.“ 
Auch wenn sich die betroffenen Händler durch solche Sperren ungerecht behandelt fühlen: In all diesen Fällen ist Amazon berechtigt, die Aktivitäten des Händlers auf dem Marktplatz zu unterbinden. „Denn im B2B-Bereich gilt Vertragsfreiheit: Amazon hat über seinen Marktplatz das Hausrecht und kann einzelne Händler, die gegen die internen Regeln verstoßen, ohne Angabe von Gründen ausschließen“, betont die Händlerbund-Rechtsanwältin. Zum gleichen Schluss kam auch der IT-Fachanwalt Peer Fischer, der die einzelnen der Redaktion vorliegenden Fälle von ­Account-Sperrungen konkret geprüft hat (siehe Interview). Im B2B-Bereich sei der Vertragsstand eben frei verhandelbar – und die Amazon-AGB juristisch gesehen noch weitgehend unerforschtes Gebiet.




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