Mobilfunk für Senioren 12.04.2010, 17:13 Uhr

Telecom Handel testete Münchner TK-Shops

Zwei Vertreter der Generation 65 plus testeten den Service in Münchner Mobilfunkshops. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Tarifberatung ist
in vielen Fällen unbefriedigend, Verkäufer gehen nur selten auf die Bedürfnisse der „Golden Ager“ ein.
Wie steht es um die Beratungsqualität in Mobilfunkshops? Telecom Handel machte den großen Service-Test und schickte zwei Münchner der Generation 65 plus – Anna Schuster und ihren Partner Bernd Müller – Mitte März zum Mystery-Shopping in die Innenstadt. Das Ziel: Die beiden Probanden sollten sich als „Handy-Neulinge“ ausgeben und testen, ob die Verkäufer in den Netzbetreibershops sowie im freien Handel auf die Bedürfnisse von Senioren eingehen – ein leicht zu bedienendes Handy sowie einen Tarif für Wenigtelefonierer.
Die Erwartung war groß, schließlich gelten „Golden Ager“ als lukrative Zielgruppe, nur die Hälfte der über 65-Jährigen besitzt ein Handy. Doch haben viele Senioren Berührungsängste mit moderner Technologie und sind deshalb auf gute Beratung angewiesen. Können die Verkäufer die beiden Testpersonen überzeugen?
13.00 Uhr – Mobilcom-Debitel
„So viele Fachbegriffe“, stöhnt Anna Schuster nach dem ersten Boxenstopp im Mobilcom-Debitel-Shop am Münchner Karlsplatz. „Kostenairbag, Grundgebühr und und und – wer soll das alles verstehen?“ Zwar hat sich der Verkäufer bemüht, ihr die wichtigsten Begriffe zu erklären, doch noch immer ist die Verwirrung groß. Anders sieht es bei der Hardware aus, hier gibt es eine klare Empfehlung: Erste Wahl ist ein Samsung E1310, „das soll sehr einfach zu bedienen sein“, berichtet Schuster.
Erst auf Nachfrage habe ihr der Verkäufer ein Seniorenhandy der Marke Emporia empfohlen, aber eben nur mit Einschränkungen, es sei zu schwer und eigentlich brauche sie das nicht. „Für ein Senioren-Handy bin ich wohl noch nicht tatterig genug“, lächelt Schuster ein wenig geschmeichelt. Doch welches Gerät würde sie nehmen? Das weiß sie trotz der Empfehlung nicht, sie konnte beide Modelle nicht testen, das Emporia-Handy war sogar in einer Vitrine versteckt. Alles in allem „eher unbefriedigend“, findet die Münchnerin.

Mobilfunk für Senioren: Telecom Handel testete Münchner TK-Shops

13.30 Uhr – Saturn
Für die nächste Station hat sich ihr Partner Bernd Müller viel vorgenommen. „Es gibt auch Handys mit GPS-Funktion, das wäre ideal für meine Frau, die einfach keinen Orientierungssinn hat.“ Bei Saturn will er sich erkundigen, was diese GPS-Handys können und was sie kosten. Wie üblich ist es schwer, beim Retailer einen Ansprechpartner zu finden, auch an einem Dienstagnachmittag im März ist der Laden voll. „Wir suchen ...“ – „Können Sie ...?“ – „Wer ist zuständig für ...?“ Erst nach mehreren Anläufen findet sich ein Verkäufer, der sich mit Handys auskennt. „Dann aber war die Beratung toll“, berichtet Müller, der früher selbst als Verkäufer gearbeitet hat.
Er fühlt sich bestens aufgehoben, der junge Mann am PoS zeigt ihm verschiedene Handymodelle – auch Seniorenhandys – die für seine Partnerin geeignet wären. „Ursprünglich wollten wir ja keinen Schnickschnack“, schmunzelt Anna Schuster, „doch als wir dann sahen, wie gut die Bilder einer Handykamera sind, kam ich doch ins Grübeln, dann könnte ich meine Enkelin auf dem Spielplatz fotografieren.“
Schuster ist auf den Geschmack gekommen, ob der Vielzahl der angebotenen Geräte allerdings weiter „unentschlossen“. Anders Bernd Müller, er findet die Beratung „hervorragend“. Besonders schätzt er die vielen Vorführgeräte bei Saturn, „so konnte ich zum Beispiel sehen, wie man mit einfachen Handgriffen die Schrift auf dem Display größer stellt“.
14.00 Uhr – Vodafone
Dann geht es weiter in einen Vodafone-Shop. Hier übernimmt Telecom Handel-Redakteurin Nadja Schaefer die Rolle der Tochter von Anna Schuster. Positiv: Der Verkäufer spricht vor allem mit der Kundin und versucht nicht, über die jüngere Begleiterin seinen Vertrag an die Frau zu bringen. „Die Produkt- und Tarifberatung war allerdings äußerst fragwürdig“, kritisiert die Redakteurin.
Der Verkäufer versucht die Test-Shopperin zu einem 60-Minuten-Paket zu überreden, obwohl sie eingangs deutlich gesagt hatte, sie würde kaum telefonieren. Der Hinweis, vielleicht würde ein Prepaid-Paket besser zur Kundin passen, wird ignoriert. „Der Verkäufer ging nicht auf die Bedürfnisse der Kundin ein“, lautet Schaefers Urteil.

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15.00 Uhr – Base
Gute Beratung, wenn auch etwas aufdringlich, wird den Testern im Base-Shop geboten. Dieses Mal mimt Telecom Handel-Redakteurin Waltraud Ritzer die Tochter von Müller. Das Angebot des Verkäufers ist in der Tat verlockend: zwei Verträge mit jeweils zwei Zusatzoptionen von Mein Base, dazu zwei Nokia-Klapphandys gratis. „Und mit dem Vertrag können Sie kostenlos miteinander telefonieren“, versucht der Verkäufer die Kunden zum Abschluss zu überreden. Die Standardantwort, „wir überlegen es uns noch“, bringt ihn dann aber ein wenig in Rage, er will die Kunden nicht gehen lassen.
Als die Testkäufer schließlich ihr Geheimnis lüften und ihm erklären, er sei gerade „Opfer“ eines Mystery-Shoppings, wirkt er richtiggehend erleichtert. „Pencil-Selling, Abschlussfrage – an alles habe ich gedacht, ich wusste einfach nicht, was ich falsch gemacht habe“, sagt er. Er ist im Übrigen der einzige Verkäufer, der die Kunden offen nach ihrem Eindruck fragt und auch interessiert zuhört, als sie ihm erklären, er sei während der Abschlussfrage ein wenig aufdringlich gewesen.
„Es ist schwer, ich bin noch weit von meiner heutigen Quote entfernt“, erklärt er darauf bedauernd. Um dann noch einmal, und diesmal mit einer gehörigen Portion Charme, nachzuhaken, ob denn nicht doch noch eine Chance auf einen Vertrag bestünde, „denn das Angebot ist wirklich super“. Nun ja, ein guter Verkäufer zeichnet sich auch durch Hartnäckigkeit aus.
15.30 Uhr – O2
Eine „halbe“ Katastrophe ist der nächste Versuch, diesmal bei Telefónica O2. Die Testkäufer werden erst einmal ignoriert, obwohl der Laden keineswegs voll ist. Bei der Beratung ergibt sich dann ein zweigeteiltes Bild: Anna Schuster bekommt ein ganz passables Angebot präsentiert, vorgetragen von einem ein wenig leidenschaftslosen, aber recht kompetenten Verkäufer. Ganz anders ihr Partner Bernd Müller: „Die wollten mir ein Paket mit 100 Minuten andrehen, obwohl ich von Anfang an sagte, ich wolle nur wenig telefonieren. Eine Unverschämtheit, dieser Verkäufer wollte mich über den Tisch ziehen.“ Müller ist erbost.

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16.30 Uhr – Telekom
Beim nächsten Versuch, diesmal ist es ein Telekom-Shop, treten Schuster und Müller wieder als Paar auf. Wie so oft bei der Telekom ist der Laden voll, und es dauert lange, bis die Kunden an die Reihe kommen. Doch die Verkäuferin war „äußerst nett und kompetent“, wie Anna Schuster meint. Auch ihr Partner Müller ist angenehm überrascht, „die wusste wenigstens, wovon sie spricht“. Absolut lieblos sind indes die Verkaufsunterlagen. Die beiden Probanden bekommen die Kopie eines Folders, auf der die Hälfte fehlt. Dann doch bitte lieber den Originalprospekt.
17.30 Uhr – Handy Shop Neuhausen
Die nächste Station liegt in einem anderen Stadtteil, am Rotkreuzplatz in Neuhausen. Der HSN-Shop ist ganz gut besucht, ein junger Verkäufer nimmt sich dennoch schnell Zeit für Anna Schuster. Ebenso schnell kommt er zum Punkt und bietet Schuster einen Mein-Base-Tarif an, mit einer Zusatzflat und in Verbindung mit einem einfachen Nokia-Klapphandy – inklusive Handyversicherung.
Für Fragen und Antworten nimmt er sich nur wenig Zeit – beispielsweise bei der Frage, ob es auch Schadenersatz bei Diebstahl gebe. Seine Antwort, „natürlich“, ist schlicht falsch – worauf ihn leider erst die Kundin hinweisen muss. Generell geht ihm die Beratung recht locker von der Hand. Zu locker, findet Anna Schuster. Sie hätte sich schlicht mehr Zeit für das Gespräch gewünscht.
Dies war die letzte Station. Nach einem langen Nachmittag sind die beiden Mystery-Shopper Schuster und Müller müde und auch enttäuscht, Schuster wählt ein Brecht-Zitat, um ihre Eindrücke zu beschreiben: „Der Vorhang zu und alle Fragen offen.“

Das erwarten Senioren von einer kompetenten Beratung

  • Auf Augenhöhe mit den Kunden: Die Vielzahl der Angebote überfordert die meisten Kunden, ältere Menschen aber ganz besonders. Deshalb ist es bei dieser Zielgruppe besonders wichtig, die Tarife einfach und verständlich zu erklären.
  • Weniger ist oftmals mehr: Kunden, die vor allem erreichbar sein möchten, brauchen keine Fullflat in alle Netze. Wer diese dennoch anbietet, betrügt den Kunden – und verliert ihn.
  • Die richtige Hardware: Senioren schätzen einfache Bedienbarkeit, eine übersichtliche Menüführung, große Tasten sowie ein gut beleuchtetes, kontrastreiches Display. Weitere Kriterien für den Handykauf sind laute Klingeltöne sowie eine gute Sprachqualität, eventuell noch eine Notruffunktion. Aber auch Design und Gewicht spielen bei der Auswahl eine große Rolle.
  • Keine Dummys: Niemand kauft gerne die Katze im Sack, vor allem Mobilfunkneulinge möchten im Shop testen, wie das Handy bedient wird. Vorführgeräte erleichtern deshalb die Kaufentscheidung.




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