Nachhaltigkeit 25.05.2023, 12:10 Uhr

Mobilfunk-Infrastruktur: Einfach mal abschalten

Mobilfunk-Netzbetreiber und Ausrüster unternehmen einige Anstrengungen, um Energie und Rohstoffe zu sparen.
Fast 100.000 Funktürme in Deutschland brauchen Platz und Energie.
(Quelle: Vodafone)
Viel Metall, viel Kunststoff und viele ­Kabel, dazu noch ständiger Stromdurst: Ein Mobilfunkturm ist auf den ersten Blick wenig umweltfreundlich. Doch auch Netzbetreiber und Infrastrukturausrüster stehen vor der Herausforderung, nachhaltiger zu wirtschaften – zum einen, weil es ihre Kunden und die Politik fordern, aber auch, um eigene Kosten zu senken. So werden laut Ericsson weltweit jährlich mehr als 25 Milliarden US-Dollar Stromkosten von Mobilfunknetzen verursacht.
„Betreiber stehen vor der Aufgabe, Netze zu entwickeln, die sowohl Privat- als auch Unternehmenskunden bestmöglich bedienen und gleichzeitig auf das Ziel der CO2-Neutralität einzahlen. Heißt, Betreiber sollten beim 5G-Ausbau nicht nur auf maximale Leistung abzielen, sondern die Kompatibilität mit der nachhaltigen Entwicklung mitdenken“, sagt beispielsweise Michael Lipka, Senior Manager Technology Strategy beim Netzwerkausrüster Huawei.
„Wir wollen bis spätestens 2040 vollständig klimaneutral sein. Im März 2023 haben wir uns ein neues Zwischenziel gesetzt: Bis 2030 wollen wir die CO2-Emissionen bereits um 55 Prozent gegenüber 2020 senken“, betonte Telekom-Chef Timotheus Höttges bei der Vorstellung des aktuellen Berichts zum Thema Nachhaltigkeit.
Im bayerischen ­Dittenheim testet die Telekom Wind- und Sonnenenergie zur Versorgung eines Funkturms.
Quelle: Deutsche Telekom
Angesetzt werden kann dabei in allen ­Bereichen, vom Material der physischen Komponenten über die bedarfsgerechte Aussteuerung des Netzbetriebs bis hin zu den Rechenzentren und ihrem Energiebedarf. Beim Stromsparen haben sich die Netzbetreiber ehrgeizige Ziele gesetzt: O2 Telefónica etwa will den Stromverbrauch pro Byte zwischen 2015 und 2025 um mindestens 87 Prozent senken. Das Unternehmen stand nach eigenen Angaben bereits Ende 2022 bei 81,4 Prozent Reduktion und verwendet ausschließlich Ökostrom.

KI hilft beim Sparen

Dabei bringt 5G Vorteile, denn die Technologie ist deutlich effizienter als ihre Vorgänger. Der größte Verbrauch falle dabei noch immer im Kernzugangsnetz (RAN) an, so ein Bericht von Ericsson. Michael Lipka: „Der Einsatz einer Intelligenz ermöglicht es, ­einen großen Schritt in Richtung Energieeffizienz zu gehen: Die KI sagt Energiespareffekte voraus und ist in der Lage, bei einem erhöhten Verkehrsaufkommen schlafende Ressourcen sofort aufzuwecken und Leistung zu erbringen.“ Auch O2 Telefónica will nachts und an ländlichen Standorten bei geringer Last einen Stand-by-Modus einsetzen. Vodafone testet den „dynamischen Energiespar-Modus“ aktuell an 100 Stationen und weist auf Einsparpotenziale von bis zu 30.000 Kilowattstunden am Tag hin.
Ein weiterer Weg ist der Einsatz von Solarzellen und Windrädern zur Versorgung von Funktürmen, hier haben der Ausrüster Ericsson und die Telekom bereits einen Standort in den Testbetrieb übernommen, an dem zwölf Quadratmeter Solarmodule und eine Windturbine unter idealen Wetterbedingungen bereits einen autarken Betrieb der Antenne ermöglichen.
Die Antenne 6646 von Ericsson vereint drei 5G-Bänder und spart somit sowohl Strom als auch Material.
Quelle: Ericsson
Zudem können nachhaltigere Materialien verwendet und durch die Kombination der Sendeeinrichtungen für mehrere Netze weniger Teile eingesetzt werden. Die 5G-Antenne 6646 von Ericsson vereint die Frequenzen 900, 800 und 700 MHz in einem Gerät. Im Vergleich zu Single-Sektor-Antennen sei der Stromverbrauch um 40 Prozent geringer, die physische Last auf dem Sendemast sogar um 60 Prozent, da die Antennen mit 38 Kilogramm deutlich weniger wiegen als Vorgängermodelle.

Zurück in den Kreislauf

Wenn Sendeeinrichtungen ihre Lebenszeit überschritten haben oder aus anderen Gründen abgebaut werden müssen, nutzt beispielsweise O2 Telefónica ein spezialisiertes Recycling-Unternehmen für die schnelle und effiziente Verwertung. Aus dem Elek­tro­nikschrott werden wertvolle Rohstoffe wie Eisen, Aluminium und Buntmetalle weitestgehend zurückgewonnen. Die Telekom will bis zum Jahr 2030 Netztechnik in Europa vollständig in den Kreislauf zurückführen.
Wie KI-Algorithmen den Betrieb eines Mobilfunkstandorts optimieren können, zeigt die KI „Lexicon“. Sie sammelt Erfahrungen von Ericsson-Experten weltweit, um Unregelmäßigkeiten zu identifizieren und Probleme wie fehlerhafte Komponenten vorausschauend zu lokalisieren. Damit können Mobilfunk-Netzbetreiber Kosten bei der Instandhaltung der Netze sparen.
Diese Bemühungen sind ein Wettlauf ­gegen die Zeit. Denn das rasant wachsende Datenvolumen in den Netzen frisst viel Strom. Laut dem Ericsson Mobility Report ist allein von 2020 auf 2021 der Datenverkehr um 42 Prozent gestiegen. Und der Trend hält an: Im Jahr 2027 soll jedes Smartphone in ­Westeuropa im Durchschnitt 51 GB Daten im Monat nutzen. Netzbetreiber haben dafür ­Streaming-Dienste wie Netflix oder YouTube als Verantwortliche ausgemacht und wollen sie an den Kosten beteiligen.
Technische Lösungen jenseits dieser netzpolitischen Debatte kann vielleicht erst die nächste Mobilfunkgeneration 6G bieten, die ab dem Jahr 2030 an den Start gehen könnte und bei deren Entwicklung Nachhaltigkeit eine Hauptrolle spielen soll.