Knowhow 17.11.2015, 13:00 Uhr

Inkassoverfahren: Richtig mahnen und fordern

Die Ware ist beim Kunden angekommen, doch der bezahlt die Rechnung nicht - für ­jeden Online-Händler ein Ärgernis und der Moment, um ein Inkassoverfahren einzuleiten.
(Quelle: Fotolia.com/Axel Bueckert)
Guten Tag, sicherlich haben Sie einfach nur vergessen, unsere Rechnung vom 8. Oktober 2015 in Höhe von 263 Euro zu begleichen.“ Mit einer freundlichen Zahlungserinnerung beginnt ein mehrstufiger Mahnprozess, wenn Kunden bei Online-Händlern Waren bestellen, aber nicht fristgerecht bezahlen. Verpufft diese Payment-Erinnerung wirkungslos, folgt ein weiteres Schreiben, manchmal auch ein drittes. Spätestens dann wird es aber auch Zeit, ­einen Inkassodienstleister oder eine ­Anwaltskanzlei einzuschalten.
Laut einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen unter seinen Mitgliedern sind Online-Händler stärker als andere Branchen ­davon betroffen, dass Rechnungen nicht beglichen werden. 44 Prozent der BDIU-Mitglieder berichten, dass der Online-Handel "Probleme mit der Rechnungstreue der Kunden" habe. Es zeigt sich, dass 18- bis 24-Jährige Rechnungen schlechter begleichen als über 25-Jährige. Gläubiger jüngerer Verbraucher sind laut BDIU-Umfrage am häufigsten die ­Online- und Versandhändler.
Beim Eintreiben von offenen Forderungen wird zwischen einem vorgerichtlichen Inkasso und einem gerichtlichen Mahnverfahren unterschieden. Beim vorgerichtlichen Inkasso geht es um die Kommunikation mit dem Schuldner: Warum zahlt er nicht? Welche individuelle Lösung kann ihm angeboten werden, damit der Händler doch noch zu seinem Geld kommt? Fruchtet jedoch alles nichts, geht der Fall an das zuständige Gericht. Der Antrag auf einen Mahnbescheid leitet ein gerichtliches Mahnverfahren ein. Sein Zweck ist die Verjährung zu hemmen und einen Titel zu erwirken, der die Forderung absichert. Dieser ist dann 30 Jahre lang gültig.
Möchte sich ein Händler mit dem Mahnwesen und dem Inkasso nicht selbst auseinandersetzen, kann er es auslagern. Zahlreiche Inkassodienstleister buhlen um Online-Händler als Kunden. Die PNO Inkasso AG bezeichnet ihren Ansatz beispielsweise als "Mediativinkasso". Der Dienstleister tritt als neutrale Vermittlungsinstanz an die Schuldner heran und erarbeitet mit ihnen eine geeignete Zahlungslösung.
"Dadurch wird die Geschäftsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner nicht noch weiter strapaziert und die Parteien können sich noch in die Augen schauen", erklärt Alfons Winhart, Vorstand von PNO Inkasso, das Prinzip. Das Unternehmen betreibt das Portal Mahnbescheide.de. Dort wird erklärt, wie ein Mahnverfahren abläuft, und es kann online ein Mahnbescheid beantragt werden.
Auch Forderungsmanagement-Anbieter Kruk Deutschland will in einen "vertrauensvollen und partnerschaftlichen Dialog" mit dem betroffenen Verbraucher treten. Das Unternehmen wurde 1998 in Breslau ­gegründet und ist seit 2011 an der Warschauer Börse notiert. Neben dem Kerngeschäft Forderungsmanagement gehören unter anderem eine Anwaltskanzlei, das polnische Schuldnerregister "Erif" und eine ­Detektei zur Unternehmensgruppe.

Anbindung an Shop-System

Der europäische Zahlungsbefehl wird in allen Mitgliedsländern anerkannt - außer in Dänemark
Quelle: EU
Um die Datenübergabe aus dem ­Online-Shop zum Inkassodienstleister möglichst komfortabel zu gestalten und Aufträge anzustoßen, haben ­einige Anbieter wie Mediafinanz oder Coeo Inkasso Module für Shop- und Warenwirtschaftssysteme entwickelt. Mediafinanz bietet beispielsweise ein Inkasso-Plugin für Prestashop, Shopware, ePages und andere Shop-Systeme an.
In Kürze kommen Module für JTL und Softengine dazu. Ein typisches Szenario beim Einsatz des Moduls in Prestashop läuft so ab: Der Händler definiert, nach wie vielen Tagen eine unbezahlte Bestellung in den Status "Zahlungserinnerung" oder "Mahnung" übergehen soll - oder wann mit der Schufa gedroht werden soll. Wenn gewünscht, versendet Mediafinanz daraufhin automatisiert eine Zahlungserinnerung oder eine Mahnung im Namen des Händlers. Der Dienstleister stellt dafür editierbare Textvorlagen bereit.
Aus der Bestellübersicht heraus kann der Händler ausstehende Forderungen mit einigen Klicks an Mediafinanz zur Bearbeitung weiterleiten. In der Inkassoübersicht sieht er, welche Forderungen an den Dienstleister gegeben wurden und wie der aktuelle Stand der einzelnen Forderungen ist. Zahlt ein Kunde die Rechnung, meldet der Händler die Begleichung in der ­Inkassoübersicht an Mediafinanz oder storniert das Verfahren.
Der Download und der Einsatz des Inkasso-Plugins sind für den Händler kostenfrei. Mediafinanz betont, dass der Händler keine langfristige vertragliche Bindung bei der Inanspruchnahme der Inkassodienstleistung eingehe. Ein Erfolgshonorar oder eine Negativ­pauschale werden ebenfalls nicht erhoben. Mediafinanz behält ausschließlich die ­Inkassogebühren ein. Der Forderungs­betrag des Händlers wird an den Händler überwiesen.
In der Praxis wird das Modul mehrheitlich von kleinen und mittelständischen Händlern genutzt. Größere Unternehmen oder solche mit komplexerer ERP-Struktur binden Zahlungsdienstleister direkt an.

Zahlverfahren gut wählen

Damit es erst gar nicht oder nur zu wenigen unbeglichenen Forderungen kommt, spielt das Angebot an möglichen Zahlverfahren eine wichtige Rolle. Verbraucher bevorzugen zwar den Kauf auf Rechnung, doch für Händler birgt dieses Zahlverfahren ein Risiko.
Der Online-Shop Drucker.de bietet deshalb Privatkunden keinen Kauf auf Rechnung an, sondern arbeitet mit Vorkasse, Paypal und Sofortüberweisung.
Einen anderen Weg geht der Online-Händler Danto.de. Für den abgesicherten Kauf auf Rechnung und den Kauf per Lastschrift hat der Haushaltswaren-Shop den Zahlungsdienstleister Billpay eingebunden. Zwar bietet Danto.de auch andere Zahlverfahren an, doch Rechnungskauf und Lastschrift seien die klassischen Zahlverfahren, die ans Forderungsmanagement gehen, so die Begründung.
Danto.de betrachtet es als großen Vorteil, sich nicht selbst um das Mahnwesen und das ­Inkasso kümmern zu müssen. Das übernimmt Billpay. Dafür erhält der Dienstleister eine Transaktionsgebühr und einen prozentualen Anteil vom Warenwert, wenn der Kauf zustande gekommen ist.
Überschuldung ist der Hauptgrund, warum Konsumenten ihre Rechnungen nicht zahlen, gefolgt von unkontrolliertem Konsumverhalten. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Wegen der guten Konjunktur und des Rückgangs der Arbeitslosenzahlen gehen die Verbraucherinsolvenzen zurück - auf rund 82.000 Fälle im Jahr 2015 nach 86.298 Fällen im Jahr 2014. Gut möglich, dass das einen positiven Einfluss auf die Zahlungsmoral der Online-Shopper hat.




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