So läuft der illegale Online-Handel im Darknet

Die Bedeutung von Nutzerbewertungen

Eine besondere Bedeutung kommt in Kryptomärkten den Nutzerbewertungen zu, die die Käufer nach dem Erwerb eines Produkts abgeben können. Das Feature ermöglicht eine Art Quadratur des Kreises: Das für Geschäftsbeziehung notwendige Vertrauen kann auch dort hergestellt werden, wo niemand sein Gegenüber kennt und Betrug normalerweise nicht sank­tioniert werden kann. Für Händler, die länger im Geschäft bleiben wollen, wirkt das System der Darknet-Ökonomie disziplinierend. Auf den Händlerprofilen sind alle Bewertungen öffentlich aufgelistet und die Zahl der negativen und positiven Kommentare wird gegenübergestellt. Große Händler kommen oft auf mehr als 98 Prozent positive Bewertungen.
Marktplatzbetreiber im Darknet verweisen gern stolz auf die positiven Auswirkungen dieses Reputationssystems, ­zumindest für den Drogenmarkt. Der ­Betreiber von Hansa Market etwa sagt: "Darknet-Märkte reduzieren Straßengewalt, zudem ist die Qualität der Substanzen deutlich höher, da die meisten Märkte ein Bewertungssystem für Händler haben. Wer minderwertige Qualität verkauft, wird in Zukunft kaum mehr Umsätze machen können." Auf der Straße hingegen müsse man nehmen, was man gerade kriegt. Das klingt zuerst nach plumpem Selbstmarketing. Plausibel ist aber zumindest, dass es sich für professionelle Verkäufer rächen würde, Käufer zu betrügen.
Auch der Wettbewerb zwischen den einzelnen Marktplätzen wird sehr professionell ausgetragen. Fast alle Kryptomärkte haben Affiliate-Programme, die auf einem vertrauten Prinzip basieren: Wer über ­einen speziellen Link einen neuen Käufer oder Händler wirbt, der dann Umsätze ­generiert, bekommt eine Provision. Einige Marktplätze haben Marketingverantwortliche, die für Pressearbeit und für Social Media zuständig sind, vor allem für die ­relevanten Kanäle, das "Branchen-Blog" Deepdotweb und die Diskussionsplattform Reddit, auf der viele Administratoren eigene Marktplatz-Threads haben.
Auch an Dienstleistern zur Unterstützung des kommerziellen Ökosystems fehlt es nicht. Sogenannte Bitcoin-Mixer helfen dabei, alle Geldströme von und zur Plattform zu verschleiern. Mit Grams existiert eine Produktsuchmaschine fürs Darknet, die Listings verschiedener Marktplätze zusammenführt. Wie bei Google lassen sich dort kleine Textanzeigen über den organischen Treffer schalten. Mit dabei: ein Händlervergleichsportal, auf dem die Händlerbewertungen verschiedener Plattformen aggregiert werden.

Dark-Commerce kupfert beim E-Commerce ab

"Die Abläufe sind in der Tat heute bei ­legalen und illegalen Online-Handelsplattformen sehr ähnlich", meint Rolf Haas von Intel Security. Viele im Darknet befindlichen Online-Handelssysteme ­seien extrem professionell aufgebaut. IT-Experte Marc Ruef wundert es gar nicht, dass Dark Commerce und E-Commerce sich so ähneln: "Diese Konzepte haben sich in der normalen Digital-Wirtschaft bewährt, und man hat sich daran gewöhnt. Da versucht man in der Schattenwirtschaft, ähnlich zu funktionieren."
Mit den Augen eines heutigen Internet-Nutzers wirken viele Angebote aber doch gewöhnungsbedürftig. Zumindest in Sachen Usabi­lity scheint das Dark Commerce ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein.
Ruef glaubt, dass es in den nächsten ­Jahren zu einer Angleichung an den klassischen E-Commerce kommen wird und zu einer weiteren Professionalisierung: Fokus auf Usability, bessere Features und mehr Dienstleister. "Es wird spannend sein zu sehen, ob die Entwicklung im Dark Commerce gleich abläuft, sich die gleichen Geschäftsmodelle herausbilden, man die gleichen Chancen wittert und die gleichen Fehler macht."




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