Highspeed-Surfen mit 5G 05.03.2015, 16:50 Uhr

MWC-Review: Die Entdeckung der Schnelligkeit

Das Mobilfunknetz der Zukunft, 5G, führt wohl zu einer vollkommen neuen Art der Internet-Nutzung. Auf dem Mobile World Congress wurde darüber heiß diskutiert.
Die Frau senkt den Kopf und geht in die Knie. Dann steht sie wieder auf, hebt die Hand zum Gruß, lächelt freundlich und winkt in die Runde. Der Roboter neben ihr ist folgsam wie ein Schoßhund. Eifrig macht der stählerne Bolide jede Turnübung nach, zeitgleich wie beim Synchronschwimmen wirkt die Szenerie. Nur bei der Mimik hapert es – doch darum geht es hier, am Messestand von SK Telecom, nicht.
Die Botschaft, die der koreanische Netzbetreiber mit seiner Demonstration verbreiten will, bezieht sich auf die Geschwindigkeit, mit der elektronische Sensoren am Körper Daten sammeln und mit kaum merklicher Verzögerung via Funk übertragen. Damit symbolisiert der Carrier die Möglichkeiten eines Netzes, über das in Barcelona viel diskutiert wurde: 5G, das Netz der fünften Generation.

Startschuss 2020

2020 geht es aller Voraussicht nach los mit dem superschnellen Netz, das Bandbreiten von 7,5 GBit/s erreichen soll – und damit die Frage nach der Übertragungsgeschwindigkeit unwichtig werden lässt (zum derzeitigen Stand siehe Kasten: Die Netze von heute). Aus Sicht von Bruno ­Jacobfeuerborn ist das bereits „um die Ecke“: Deshalb hat der Technikchef der Telekom Deutschland und Chairman des NGMN Board (Next Generation Mobile Networks) auf dem MWC ein „White Paper“ zur Einführung von 5G vorgestellt.
Anders als so mancher Netzausrüster vermeidet es das NGMN Board dabei, auf mögliche Details zur Technik einzugehen. Ziel sei es vielmehr zunächst, einen globalen Standard zu etablieren. „Wir wollen quasi eine gemeinsame, globale Sprache – denn Kommunikation kennt keine Ländergrenzen“, so Jacobfeuerborn. Aus seiner Sicht sollte die Technik den „Use Cases“, also den Anwendungsszenarien der potenziellen Nutzer folgen. Diese werden bereits reichlich diskutiert, etwa im Gesundheitswesen oder der Automobilbranche.
Um 5G beispielsweise in der Steuerung selbstfahrender Autos einzusetzen, müsste die Latenzzeit auf den Bereich von einer Millisekunde fallen, verbunden mit einer extremen Verlässlichkeit. Wollte man 5G auch in der Luftfahrt nutzen, so müssten die bisherigen Grenzen von 350 bis 500 km/h für die Geschwindigkeit eines Mobilfunkteilnehmers deutlich erhöht werden.
Und wenn das „Internet of Things“ (IoT) so realisiert wird, wie es viele heute erwarten, kommt man im Jahr 2020 vielleicht auf 50 bis 100 Milliarden Geräte, die irgendwie den Weg ins Netz finden müssen – mit der Konsequenz, dass deutlich mehr Funkzellen erforderlich sind: Gut möglich, dass alle 100 Meter ­eine kaum sichtbare Basisstation steht, die im Übrigen auch noch eine deutlich energieeffizientere Datenübertragung ermöglichen muss als heute.

Die EU will mitreden

Während auf dem Mobile World Congress also eifrig über Standards und Technik für 5G diskutiert wurde, ist parallel dazu auch die politische Diskussion über die Netzneutralität wieder voll aufgeflammt. Bereits wenige Tage vor dem MWC verkündete die US-Regulierungsbehörde, hier besonders strikt vorgehen zu wollen.
Da war EU-Kommissar Günther Oettinger in Barcelona schon ein wenig offener. So könne er sich vorstellen, dass „zeitsensi­ble Spezialservices gedeihen könnten“, für die dann andere Regeln gelten würden.
Noch konkreter wurde Thorsten Dirks, CEO von Telefónica Deutschland: „Wir brauchen, um die neuen Dienste realisieren zu können, sogenannte ‚Qualitätsklassen‘, und zwar ‚on top‘ zum diskriminierungsfreien Netzzugang.“ Aus Sicht von Dirks ist dies eine logische Entwicklung aus den unterschiedlichen Anforderungen, die zukünftig erfüllt werden müssen: „Stellen Sie sich einmal vor, Sie sitzen irgendwann einmal in einem selbstfahrenden Auto. Dann sind die Daten für die Steuerung einfach deutlich wichtiger als der Musikstream für die mitfahrende Tochter“, so Dirks.
Sowohl Oettinger als auch die CEOs der europäischen Netzbetreiber pochten in Barcelona zudem auf die Notwendigkeit von klaren Regeln sowie einheitlichen Bedingungen für alle Player, die in Europa Geschäfte machen wollen. Ziel sei, der EU eine starke Stimme zu geben und die „nationalen Silos“ abzuschaffen, so Oettinger. Gerade die Kleinstaaterei auf dem alten Kontinent verhindere Erfolge – wie sie von amerikanischen Unternehmen wie Goo­gle oder Face­book zuletzt erzielt wurden.
Dirks wird sogar noch deutlicher: Diese US-Firmen hätten „die erste Halbzeit der Digitalisierung haushoch gewonnen“. Falls es Europa nicht schaffe, einen „Single Digital Market“ mit einem einheitlichen Rechtsrahmen zu etablieren, so würde auch noch die zweite Halbzeit und damit das komplette Spiel um die Digitalisierung verloren gehen. Dirks befürchtet dabei immense Folgen, nicht nur für die Telco-Branche: „Da es hier jetzt um Industrie 4.0 geht, würden wir in Europa einen Großteil unserer Industrie verlieren.“

Google als neuer MVNO

In Barcelona war es indes wieder einmal eine Ankündigung von Google, die für Bewegung im Markt sorgen könnte. So bestätigte Android-Chef Sundar Pichai Gerüchte, dass das Unternehmen in Zukunft als virtueller Netzbetreiber (MVNO) eigene Mobilfunkzugänge vermarkten wolle. Auch wenn Google bislang angibt, „kein Netzbetreiber im großen Stil werden zu wollen“ – allein wenn der Web-Gigant ins Spiel kommt, dürften die Warnlampen bei den Carriern durchaus angehen.
Besonders interessant ist das Unterfangen von Google vor allem in Zusammenhang mit der Einführung der „Embedded SIM“. Diese fest eingebaute SIM-Variante soll die bisherige netzbetreibergebundene SIM-Karte Schritt für Schritt ablösen und „over the Air“ nach Bedarf einem bestimmten Carrier zugeordnet werden. Die Idee dabei ist, dass in der künftigen „Internet of Things“-Ära viele Abermilliarden „Dinge“ ans Netz angebunden werden sollen und der Kunde diese Aktivierung softwaremäßig selbst vornehmen kann – ganz ohne Plastik.




Das könnte Sie auch interessieren