Firefox OS 07.11.2013, 12:00 Uhr

Der Fuchs wagt sich aus dem Bau

Die ersten Smartphones mit dem neuen Betriebssystem Firefox OS kommen auf den Markt. Telecom Handel erklärt, wie das Betriebssystem aufgebaut ist - und welche Nutzergruppen die Entwickler ins Visier genommen haben.
Android-Handys gibt es inzwischen für 80 Euro und ein Windows Phone kostet nur knapp das Doppelte: Braucht die Smartphone-Welt also noch ein weiteres mobiles Betriebssystem, das vor allem auf die Einsteiger zielt? Diese Frage dürfte man sich auch in der Software-Schmiede Mozilla hinreichend gestellt haben, und doch wagt sich das Konsortium mit seinem Firefox OS nun in mobile Welten: Die ersten Smartphones von Alcatel/TCT und ZTE sind verfügbar und Carrier wie Telefónica sowie die Telekom starten die globale Vermarktung.
Doch hierzulande halten sich die großen Netzbetreiber noch zurück, lediglich die Telekom lässt den Fuchs bei ihrer Tochter Congstar aus dem Bau und verkauft dort das Smartphone Alcatel One Touch Fire ab sofort für 89,90 Euro ohne Vertrag und SIM-Lock. Zu Beginn gibt es das Firefox-Gerät nur im Online-Shop des Discounters, später sollen auch andere Kanäle wie der Fachhandel bei der Vermarktung dazukommen, erklärte Congstar-Geschäftsführer Martin Knauer gegenüber Telecom Handel. Über die geplanten Verkaufszahlen wollte man sich lieber nicht öffentlich äußern, in dieser frühen Phase sind wohl keine Wunder zu erwarten.
Anlässlich des deutschen Marktstarts konnten wir mit Andreas Gal, ­Vice President Mobile Engineering bei Mozilla, über die Strategie des Konsortiums sprechen: Er ist überzeugt, dass das neue Betriebssystem vor allem den Bedarf von Einsteigern in die Smartphone-Welt erfüllt. Dieser Markt sei in vielen Ländern stark im Wachsen begriffen und werde mit Android und iOS nicht hinreichend bedient, so Gal.
Neben den Einsteigermodellen der Klasse unter 100 Euro sollen nach dem Willen der Firefox-Macher nächstes Jahr aber auch höherwertige Smartphones und Tablets mit dem Firefox-Betriebssystem ausgerüstet werden. So ist für den Mozilla-Manager Gal der Weg auf den Markt über Einstiegsmodelle vor allem eine strategische Entscheidung: „Wir wollen die nächste Milliarde Menschen ins digitale Zeitalter bringen, und das geht nicht mit teuren Highend-Smartphones", erklärt er.
Vor allem der offene Charakter des Betriebssystems wird von den Machern als Unterscheidungsmerkmal herausgestellt. Firefox OS basiert komplett auf HTML5, deshalb gebe es bereits eine große Auswahl von Inhalten im Internet. Auch das Erstellen von Apps soll damit für Entwickler sehr einfach sein.
Das System selber ist in drei Schichten vom Kern über die ­HTML5-Engine bis zu den Apps aufgebaut. Das soll ermöglichen, auf den beiden oberen Ebenen Änderungen und Updates schnell und einfach durchzuführen, ohne gleich das ganze System ändern zu müssen. Dazu Gal: „Sie können ein neues Betriebssystem heute nicht mehr von Null aufbauen, deshalb setzen wir auf die Möglichkeiten, die das Internet bereits bietet. So haben wir mehr Apps als alle anderen Player." Er verweist auch auf die breite Verfügbarkeit von Inhalten in Sprachen, die von den traditionellen App-Stores der Konkurrenz kaum bedient würden. Hier gebe es etwa in Afrika, Osteuropa und Südamerika viel Potenzial.

Firefox OS: Offenheit ist wichtig

Das System selber gibt sich höchst flexibel und kann stark den Bedürfnissen der Anwender oder auch Netzbetreiber angepasst werden. Außerdem ist die Nutzung anderer Dienste und sozialer Netzwerke möglich.
So lassen sich etwa Facebook, Twitter oder diverse E-Mail-Provider einbinden. Viele Merkmale betonen die Offenheit, so können etwa DRM-freie Songs aus dem Musikplayer heraus per Fingerdruck über Blue­tooth an Freunde weitergegeben werden.
Zum Navigieren wird Here von Nokia genutzt, wobei der Anwender Karten offline auf dem Gerät speichern kann. Eine Besonderheit ist die Anpassung der Suche an die Bedürfnisse der Nutzer: Wenn zum Beispiel in das Suchfeld der Name einer Fußballmannschaft eingegeben wird, erscheinen nicht nur passende Apps, sondern auch mediale Inhalte wie Bilder oder Videos. Diese können dann zum Beispiel über den Marketplace genannten App-Store von Mozilla erworben werden.
Endgeräte mit Firefox OS: Auswahl noch mager
Für eine schnelle Verbreitung des Betriebssystems ist eine attraktive Palette an Smartphones nötig: In Deutschland gibt es aktuell allerdings nur das One Touch Fire­ des chinesischen Herstellers TCL, der seine Geräte in Europa unter der Marke Alcatel One Touch vermarktet. In einigen Ländern Südamerikas und in Spanien verkauft Telefónica zudem das ZTE Open, das aber nach Aussagen des Herstellers in nächster Zeit eher nicht nach Deutschland kommen wird. Entwickelt werden Firefox-Smartphones offenbar auch von LG und Sony, außerdem arbeite der Zulieferer Foxconn an einem Tablet, so Gal.
Beim ersten Test machte das Alcatel One Touch Fire für den Preis von knapp 90 Euro einen ordentlichen Eindruck, konnte aber kaum begeistern. Das kompakte Gehäuse ist solide und wirkt dank bunter Farben auch optisch ansprechend. Allerdings erscheint der recht kleine 3,5-Zoll-Bildschirm mit seiner Auflösung von 320 x 480 Pixeln doch etwas antiquiert und reagiert auch nicht immer gleich auf Eingaben.
Gespart wurde zudem an der Kamera, die große Probleme hat, sobald die Lichtverhältnisse etwas dunkler werden, und die auf eine Fotoleuchte verzichtet. Der interne Speicher hat genau wie der Arbeitsspeicher gerade einmal 512 MB, zumindest gibt es einen MicroSD-Slot zur Erweiterung. Der 1.400-mAh-Akku scheint recht gute Leistungen zu bringen, im Test hielt er im Standby-Betrieb fast eine Woche durch.
Auch wenn die Menüs nicht immer schnell wechseln und sich das Starten von Apps öfter verzögert, ist die Bedienung doch einfach und weitgehend intuitiv möglich. Auch die umfassende Individualiserbarkeit der Screens kann gefallen.




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