Nokia-Interview 05.11.2012, 11:50 Uhr

"Die Kunden brauchen Zeit"

Telecom Handel sprach mit Sebastian Ulrich, Deutschland-Chef von Nokia, über die Markteinführung der neuen Lumia-Smartphones, die Rolle des TK-Fachhandels und die strategischen Partnerschaft mit Microsoft.
Der Ex-Marktführer Nokia will mit seinen neuen Smartphones mit Windows Phone 8 die Wende im Smartphone-Geschäft schaffen. Wie das gelingen soll, erklärt Sebastian Ulrich, der das deutsche Geschäft der Finnen leitet.
Telecom Handel: Vor gut einem Jahr brachte Nokia mit dem Lumia 800 sein erstes Windows-Smartphone auf den Markt. Wie fällt Ihre Bilanz heute aus
Sebastian Ulrich: Es hat sich grundsätzlich gezeigt, dass es richtig war, mit Microsoft ein weiteres Betriebssystem in den Markt zu bringen. Als Herausforderer im Markt haben wir aber noch viel Arbeit vor uns. Grundsätzlich brauchen die Kunden Zeit bei der Einführung eines neuen Produktes, bis sie in der Masse registriert haben, dass es da ist und eine Alternative darstellt.
Telecom Handel: Der Start der neuen Generation erfolgt Anfang November. Ist das nicht zu spät für das Weihnachtsgeschäft?
Ulrich: Keineswegs, denn die heiße Phase im Dezember und vor allem auch die Zeit unmittelbar nach Weihnachten, in der viel Geld ausgegeben wird, können wir mit ausreichend Geräten im Handel nutzen.
Telecom Handel: Warum sollten Consumer diese neuen Produkte kaufen?
Ulrich: Wir wollen uns in unserer Kommunikation noch stärker als bisher auf drei Kernthemen konzentrieren: Das hervorragende Design der Geräte, die umfassenden Location-Dienste wie die Navigation und die beste Kamera in einem Smartphone.

Farben - ein Instrument zur Differenzierung

Telecom Handel: Wie ist denn die neue Designphilosophie mit den bunten Farben angenommen worden?
Ulrich: Sehr gut, denn wir haben damit ein Instrument zur Differenzierung: Wenn Sie im Shop ein Regal mit fünf Metern Smartphones haben, gehen Konsumenten normalerweise zuerst dahin, wo ihnen etwas auffällt. Bei den neuen Modellen forcieren wir das Thema noch mit weiteren Farben. Zwischen 40 und 50 Prozent der Produkte werden schon heute nicht mehr in Schwarz verkauft.
Telecom Handel: Sie legen einen Schwerpunkt auf die Kamera. Wie kann der Handel deren Eigenschaften vermitteln?
Ulrich: Wir setzen sehr stark auf Trainings des Verkaufspersonals, denn am PoS muss man diese Fähigkeiten einfach zeigen. Dem Endkunden kann der Verkäufer auch mal mehrere Produkte neben dem Lumia 920 zum Ausprobieren in die Hand geben – dann sieht man, dass wir die beste Kamera im Markt haben.
Telecom Handel: Wie viele Trainings führen Sie durch?
Ulrich: Letztes Jahr haben wir im Weihnachtsgeschäft 5.000 Mitarbeiter trainiert, dieses Jahr wollen wir sogar 8.000 schaffen. Seit der ersten Vorstellung der Produkte führen wir das durch.
Telecom Handel: Bringen Sie wie letztes Jahr wieder Live-Geräte in den Handel?
Ulrich: Ja, es ist eine Grundvoraussetzung, dass jemand, der Lumia-Produkte vermarktet, ein Live-Gerät am PoS hat. Dieses hat auch einen Retail-Mode, der durch Inhalte und Aktivitäten auf dem Display zeigt, wie es in der Nutzung aussieht, und der nachts einen Reset durchführt. Außerdem geben wir viele Geräte direkt an die Partner, damit diese die Smart­phones selbst nutzen und erleben können.

"Bisher haben wir die Party praktisch allein mit Microsoft geschmissen"

Telecom Handel: Bei Windows-Phone-8 bringen sich mit Samsung und HTC wieder verstärkt Konkurrenten mit eigenen Produkten ein. Ist das ein Problem für Nokia?
Ulrich: Nein, denn mehr Konkurrenz bringt das Thema Windows Phone insgesamt nach vorne. Bisher haben wir doch die Party praktisch allein mit Microsoft geschmissen. Ich habe aber lieber einen etwas geringeren Anteil von einem großen Kuchen als fast alles von einem sehr kleinen Kuchen.
Telecom Handel: Und dass HTC mit „Referenzgeräten“ wirbt, stört Sie auch nicht?
Ulrich: Man muss das in der Bedeutung relativieren. Wir haben eine strategische Partnerschaft mit Microsoft und Sie werden in der Kampagne von Microsoft auch Lumia-Smartphones prominent platziert finden. Wir bekennen uns hundertprozentig zu Windows Phone, das belegt die Bedeutung dieser Partnerschaft. Wir brauchen Microsoft und sie brauchen uns, um gemeinsam das Betriebssystem voranzubringen.
Telecom Handel: Die Einstandspreise bei Windows-Phone-Geräten sind noch recht hoch …
Ulrich: Für den Bereich von 70 bis 100 Euro haben wir als Alternative unsere Asha-Geräte, die auch Smartphones sind. Wir wollen Windows-Modelle in neue Preisklassen bringen, aber es gibt bestimmte Hardware-Anforderungen, die dem im Wege stehen. Künftig werden wir bei etwas über 150 Euro den Einstieg mit einem vollwertigen Windows Phone wie dem Lumia 610 haben.
Telecom Handel: Sind die neuen Modelle jetzt die „letzte Chance“ für Nokia?
Ulrich: So würde ich das nicht sehen. Der Erfolg eines Betriebssystems braucht seine Zeit, auch bei Android ging das nicht von heute auf morgen. Wir arbeiten kontinuierlich daran, den Erfolg zu erreichen und sehen auch deutliche Fortschritte in der Kundenwahrnehmung und -beurteilung. Dazu trägt ein Smartphone wie das Lumia 920 natürlich maßgeblich bei.




Das könnte Sie auch interessieren