Marktreport Smartphone-Reparaturen 25.09.2012, 11:11 Uhr

Einschicken statt reparieren

Viele Hersteller setzen auf eine zentralisierte Abwicklung von Reparaturen über Dienstleister im In- und Ausland. ­Telecom Handel zeigt, wie der stationäre Fachhandel heute in das Reparaturgeschäft eingebunden ist.
So, wie es momentan aussieht, haben kleinere Reparatur-Center wohl wenig Zukunft?, schätzt Sven Günther die Lage auf dem Markt für Handy-Reparaturen ein. Er ist Mitarbeiter der Elektrohandel Schmidt eK, die im Großraum Dresden neben sechs Mobilfunkshops auch eine Reparaturwerkstatt in Radebeul betreibt. Verantwortlich dafür ist aus seiner Sicht die Politik vieler Hersteller: Diese wickeln Reparaturen mehr und mehr zentralisiert über große Dienstleister im In- und Ausland ab ? ein Problem für viele Mobilfunkhändler, die bisher in eigenen Werkstätten am Point of Sale (PoS) auch Garantiefälle bearbeiten konnten.
?Das Repair-Geschäft wird sich ? neben den großen Reparaturzentren ? zunehmend ins Internet verlagern?, führt Günther weiter aus. Noch ist das Unternehmen autorisierter Servicepartner von Nokia ? doch das ist bald Geschichte: Der finnische Hersteller hat mit Wirkung zum 30. November die Dienstleisterverträge vieler Servicepartner gekündigt.
Im Gespräch mit Telecom Handel begründet Ralf Heptner, Head of Nokia Care, diesen Schritt mit rückläufigen Reparaturzahlen und dem umfangreichen Produktportfolio, welches eine große Ersatzteilvielfalt erfordere und gleichzeitig ein hohes Planungsrisiko darstelle. Weiterhin sei der Umbau der Reparaturabwicklung nur ein Teil umfassender Änderungen im Konzern: ?Wir haben in den vergangenen Monaten viel getan, um Nokia mit entsprechenden Umstrukturierungen so schnell und agil zu machen, wie es die kontinuierlichen Herausforderungen des Marktes erfordern?, so Heptner.
Dennoch will sich Nokia beim Service nicht völlig aus der Fläche zurückziehen: ?Wir werden weiterhin ein konzentriertes Netz aus Nokia Competence Centern am PoS haben, dessen Schwerpunkt neben der Reparatur von Geräten im Kundensupport und der Beratung liegen wird.? Im neuen Modell von Nokia ist die ?Online-Reparatur? auf der Homepage die erste Anlaufstelle bei Fehlern. Dort steht den Kunden eine Schnellhilfe zur Verfügung, die dazu anleiten soll, Software-Probleme mittels Updates selbst zu beheben.
Liegt tatsächlich ein Schaden vor, der eine mechanische Reparatur erfordert, kann online ein Reparaturauftrag erstellt werden. Auch das nächstgelegene Nokia Competence Center oder der Fachhändler stehen den Kunden als Ansprechpartner zur Verfügung. Der Händler kann am PoS das Gerät annehmen und kostenfrei an ein Repair-Center weiterleiten.

Augen auf beim Ersatzteilkauf

Auch die Kommunikationsdienst GmbH mit Sitz in Eggersdorf bei Berlin, die neben Mobilfunk- und Festnetzverträgen auch die entsprechende Hardware, Faxgeräte und Funksprechanlagen vermarktet, war früher zertifizierter Repair-Partner mehrerer Herstel­ler ? so von Motorola, HTC, Nokia und Sony Ericsson, wie Geschäftsführer Ludwig Riegenring im Gespräch mit ­Telecom Handel berichtet. Sony ? mittlerweile ohne Ericsson ? hat bereits Ende vergangenen Jahres die Bearbeitung aller Reparaturen, die Eingriffe in die Mechanik oder Elektronik erfordern, zentralisiert.
Grund dafür: Ohne Spezialwerkzeug seien die Reparaturmöglichkeiten an Smartphones sehr eingeschränkt, wie Norbert Grund, Director Customer Service bei Sony Central Europe ausführt. Am PoS gehe es vielmehr darum, Software-Probleme zu beheben und den Kunden bei der ?Eigenleistung? zu unterstützen. Denn: ?Die Stärke des Handels liegt in der Beratung und Hilfe für den Kunden.? Ludwig Riegenring hält dagegen: ?Die Reparaturen sind komplizierter geworden. Aber es gibt auch Tendenzen bei den Herstellern, nur noch Komplettmodule auszutauschen. Das könnten wir mit unserer Ausstattung problemlos in guter Qualität durchführen.?
Für Händler, die sich im Repair-Bereich selbst engagiert haben, kann der Strategiewechsel der Hersteller problematisch sein. Denn die Umsätze aus den Garantiereparaturen fallen weg und der Zugriff auf Originalteile bleibt meist verwehrt ? obwohl die technische Ausstattung in den Werkstätten vorhanden ist. Einige Händler behelfen sich nun mit dem Kauf von Ersatzteilen auf dem freien Markt. So auch Ludwig Riegenring. ?Auf dem freien Ersatzteilmarkt gibt es viel Schund. Da muss man sehr aufpassen?, stellt er fest. ?Wer Reparaturen durchführt, ohne dass Serviceunterlagen über das Gerät vorliegen, spielt russisches Roulette. Das kann man sich als Firma nicht erlauben?, warnt er darüber hinaus.
?Wir werden alle Händler auch weiterhin im Bereich Customer Care unterstützen?, bezieht Ralf Heptner für den Fachhandel Stellung. ?Unter anderem können über einen speziellen Resell-Partner originale Ersatzteile von Nokia für kostenpflichtige Reparaturen bestellt werden.? Damit stellt die Handy-Schmiede aus Finnland eine Ausnahme dar ? denn so mancher Hersteller nutzt die Ersatzteilfrage, um gegen nicht autorisierte Reparaturstätten vorzugehen. ?Eine Möglichkeit ist hierbei, ausschließlich ­autorisierte Servicebetriebe mit Ori­ginalersatzteilen zu beliefern oder die entsprechenden Dokumentationen und Hilfsmittel nur den zertifizierten Betrieben­ zugänglich zu machen?, argumentiert Torsten Heiner, Customer Service Manager DACH bei HTC. 
Thomas Schreiber, Inhaber von Gerry-­Mobilfunk, dessen Handy-Werkstatt in Duisburg heute ohne Herstellerautorisie­rungen arbeitet, bereitet der Einkauf von Ersatzteilen auf dem freien Markt keine Probleme. ?Was man bei deutschen Repair-Centern nicht mehr bekommt, kann meist über zertifizierte Repair-Center im Ausland bezogen werden?, bekräftigt er. Ein Vorteil freier Werkstätten liegt seiner Meinung nach im größeren Spielraum bei der Preisgestaltung. Auf seiner Homepage hat Schreiber eine Preisliste veröffentlicht: Für den Austausch von Displays oder Akkus berechnet er eine Pauschale von 19,90 Euro; Reparaturen, die Lötarbeiten erfordern,­ kosten 29,90 Euro ? jeweils exklusive Ersatzteile.

Zertifizierung: Segen oder Fluch?

Viele Hersteller wiederum stehen der Arbeit unautorisierter Werkstätten skeptisch gegenüber. ?Solange es sich um werkzeuglose Reparaturen wie den Austausch der Akkudeckel oder Ähnliches handelt, ist dies nicht schlimm. Sollte jedoch ein mechanischer Eingriff vorgenommen worden sein, erlischt bei einer unautorisierten Werkstatt schlimmstenfalls die Garantie?, warnt ­Norbert Grund, Director Customer Service von Sony Mobile.
Einer der Händler, die dennoch erfolgreich ein Repair-Center ohne Zertifizierungen betreiben, ist Christoph Niehof. Der Inhaber der Schrettle & Niehof OHG führt ein weiteres Argument für unautorisierte Handy-Werkstätten ins Feld: ?Wir profitieren von der Politik der Hersteller, Reparaturen über große Repair-Center mit langer Durchlaufzeit abzuwickeln. Dadurch kommen mehr Kunden zu uns, die glücklich sind, ihr Handy schon nach einem Tag zurückzubekommen.? Viel wichtiger für freie Reparaturzentren sei vielmehr die Frage qualitativ hochwertiger Ersatzteile: ?Es kommt immer auf die Ersatzteile an, die man verbaut. Damit steht und fällt das ganze Reparaturgeschäft?, betont er. Denn: Werkstätten müssen sechs Monate Garantie auf Reparatur gewähren. Tritt aufgrund eines minderwertigen Ersatzteils ein neuer Defekt auf, muss der Händler den Schaden auf eigene Kosten beheben.
Einige Hersteller unterstützen ihre Fachhandelspartner mit der Möglichkeit, innerhalb der Garantiezeit defekte Geräte versandkostenfrei an ein Repair-Center weiterzuleiten. So können beispielsweise Händler, die sich im Partnerportal von HTC regis­triert haben, eine kostenlose Abholung anmelden. Handelt es sich jedoch um kostenpflichtige Reparaturen wie Display- oder Wasserschäden, so bleiben die Versandkosten am Händler hängen ? ebenso wie der Personal- und Zeitaufwand. Thorsten Stöttwig von der MobilPunkt GmbH, die neben sechs Filialen im Raum Gütersloh seit zwei Jahren ein Reparatur-Center betreibt, arbeitet mit dem Dienstleister W-Support zusammen und legt die Versandkosten auf seine Kunden um. ?Von Kunden, die keinen Vertrag bei uns abgeschlossen oder ihr Gerät nicht bei uns gekauft haben, verlangen wir eine Pauschale von 3,50 Euro für den versicherten Versand?, sagt er.
Ähnlich handhabt es Ludwig Riegenring von der Eggersdorfer Kommunikationsdienst GmbH. Er hat eine Handlingpauschale von 15 bis 20 Euro eingeführt ? nur für Bestandskunden ist der Service kostenlos. ?Es geht nicht mehr anders. Wir können nicht umsonst arbeiten?, so sein Credo.




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