EU-Kommission 17.07.2019, 14:45 Uhr

Brüssel verdächtigt Amazon zweifelhafter Handelspraktiken

Die EU-Kommission will der Frage nachgehen, ob und wie Amazons Nutzung der Händler-Daten den Wettbewerb einschränkt und ob der Marktplatz sie nutzt, um Händler in lukrativen Geschäftsbereichen zu verdrängen.
(Quelle: shutterstock.com/Eric Broder Van Dyke)
Die EU-Wettbewerbshüter nehmen wegen möglicherweise illegaler Geschäftspraktiken den Umgang von Amazon mit Händlern auf seiner Internetplattform ins Visier. Gegen den US-Online-Händler sei eine offizielle Untersuchung eingeleitet worden, teilte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mit.
Als Plattform habe Amazon eine doppelte Funktion, betonte die Kommission. Zum einen verkauft das Unternehmen selbst als Einzelhändler Produkte auf seiner Internetseite. Zum anderen stellt es einen Online-Marktplatz zur Verfügung, über den andere Händler ihre Waren direkt an Kunden verkaufen können.
Dabei sammele Amazon laufend Daten über diese Händler, ihre Produkte und das Kundenverhalten, erklärten die Wettbewerbshüter weiter. Konkret wollen sie nun der Frage nachgehen, ob und wie die Nutzung dieser Daten den Wettbewerb einschränkt und ob Amazon sie nutzt, um Händler in lukrativen Geschäftsbereichen zu verdrängen. Dazu will die Brüsseler Behörde unter anderem die Standardvereinbarungen zwischen Amazon und den anderen Marktplatzhändlern prüfen.

Im Fokus ist die "Buy Box"

In den Fokus will die EU-Kommission auch die sogenannte Buy Box nehmen. Mit diesem Kaufbutton können Kunden Produkte von Drittanbietern direkt in ihren Amazon-Einkaufswagen befördern. Diese "Buy Box" zu erhalten, sei für die Händler entscheidend, da ein Großteil der Einkäufe über sie getätigt würden, erklärten die Wettbewerbshüter weiter. Händler müssen in der Regel aber eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen, bevor sie diesen Einkaufswagen-Link bekommen. Die Rolle von Daten bei diesem Vergabeverfahren werde ebenfalls untersucht, hieß es.
Die Plattform für Waren von Drittanbietern ist für den US-Konzern immens wichtig. Nach Firmenangaben stammen 58 Prozent des weltweit über Amazon erwirtschafteten Bruttowarenumsatzes von diesen Verkäufern.
"Der elektronische Handel hat den Wettbewerb im Einzelhandel angekurbelt und zu einer größeren Auswahl und günstigeren Preisen geführt", sagte die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager. "Wir müssen sicherstellen, dass große Online-Plattformen diese Vorteile nicht durch wettbewerbswidriges Verhalten aushebeln."

Amazon zeigt sich kooperationsbereit

Für die Untersuchung gibt es keine Frist. Sollte die EU-Kommission letztlich illegales Verhalten feststellen, kann sie Strafen in Milliardenhöhe verhängen und eine Änderung des Geschäftsmodells auferlegen.
Amazon zeigte sich kooperationsbereit. "Wir werden vollumfänglich mit der Europäischen Kommission kooperieren und weiterhin daran arbeiten, Unternehmen jeder Größe in ihrem Wachstum zu unterstützen", sagte ein Firmensprecher.
Amazon ist der weltgrößte Internethändler. Das Unternehmen mit Sitz in Seattle im US-Bundesstaat Washington erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 233 Milliarden US-Dollar, das war ein Zuwachs von 31 Prozent.
Neben dem Handelsgeschäft ist inzwischen die Cloud-Sparte AWS, deren Dienste auch von vielen anderen Tech-Unternehmen genutzt werden, ein lukratives Standbein. Der Konzern rückte auch in das Geschäft mit Musik- und Videostreaming vor und stellt mit der Alexa-Software in seinen vernetzten Echo-Lautsprechern einen der meistgenutzten Sprachassistenten.
Das Unternehmen stand bereits in der Vergangenheit im Visier der Wettbewerbshüter, etwa wegen unzulässiger Steuerdeals in Luxemburg. Im Jahr 2017 erklärte die EU-Kommission eine Regelung Luxemburgs für Amazon für nicht rechtens und forderte die Behörden des Landes auf, rund 250 Millionen Euro plus Zinsen zurückzufordern. Amazon wehrt sich beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen den Beschluss, der Fall könnte sich noch über Jahre hinziehen.




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