Werden Straßenbahnen künftig Pakete transportieren?

Mehrzweckabteil von Regionalzügen

Vor allem das Mehrzweckabteil von Regionalzügen hält Bogdanski für ideal, um dort rollbare Paket-Transporter mit den Standard-Maßen 1,20 Meter mal 0,8 Meter als Grundfläche und etwa 1,50 Meter Höhe abzustellen. Bis zu 100 Kilometer weit könnten Pakete klimaschonend befördert werden - und damit eine Strecke zurücklegen, auf der sonst in der Regel Transporter mit Verbrennungsmotoren fahren, sagt er.
Besagtes Mehrzweckabteil ermöglicht bisher die Mitnahme von Fahrrädern, zudem haben dort Rollstuhlfahrer und Familien mit Kinderwagen genug Platz. Bisher. Was aber, wenn das Abteil schon voll ist mit Paket-Containern? "Menschen sollten immer Vorrang haben", sagt Bogdanski. "Der Pakettransport im Nahverkehr ist kein Allheilmittel für logistische Probleme, aber er kann ein wertvoller Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit sein."
Der Karlsruher Forscher Frey betont: "Die Öffentlichkeit müsste über den Pakettransport gut informiert werden und Verständnis dafür haben." Der Ladungsträger auf drei Rädern, an dem er mit seinem Team forscht und der ab 2023 auf einem Betriebshof erprobt werden soll, soll automatisch in die Straßenbahn fahren. Will zum Beispiel auch ein Vater mit Kind und Kinderwagen einsteigen, soll das Container-Fahrzeug diesem automatisch den Vorrang lassen.
Bisher werden Pakete noch nirgendwo in Deutschland im Regelbetrieb in öffentlichen Nahverkehrsbahnen transportiert. Die Post testet in Schwerin die Nutzung von Straßenbahnen, um Packstationen zu füllen, die an Haltestellen stehen. Die Nutzung des Nahverkehrs betrachte man "grundsätzlich als zusätzliche Möglichkeit, Pakete klimafreundlich zum Empfänger zu bringen und den Straßenverkehr zu entlasten", sagt eine Firmensprecherin. Ähnlich äußert sich Wettbewerber DPD.

Mischbetrieb

Warum müssen die Pakete eigentlich zusammen mit Fahrgästen transportiert werden - geht das nicht in reinen Güterbahnen? Ja, ginge es, sagt der Frankfurter Logistik-Professor Kai-Oliver Schocke. 2019 testeten er und sein Team zusammen mit Hermes die Nutzung einer Straßenbahn für den Pakettransport in Frankfurt. In einer Simulation kamen sie außerdem zu dem Schluss, dass der Einsatz von gut ausgebauten Pakettrams 15 Prozent günstiger wäre als Transporter auf der Straße. Einen "Mischbetrieb" - also Pakete und Fahrgäste in derselben Bahn - sieht Schocke eher skeptisch. Aus seiner Sicht müsste dann ein Logistikmitarbeiter dabei sein, und das wäre teuer.
Und was sagen die Nahverkehrs-Unternehmen? Deren Dachorganisation, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), ist "grundsätzlich offen für Konzepte, die den Stand der Technik abbilden und auch logistische und finanzielle Fragen klären", wie ein Sprecher sagt. Um den Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen zu verringern, sei die Verlagerung von Gütern auf klimafreundliche Verkehrsmittel notwendig. Dafür sollte man "auch auf den ersten Blick ungewöhnliche Ideen durchaus diskutieren und abwägen".

Erster Regelbetrieb in fünf bis zehn Jahren

Der Verband betont aber auch, dass beim Ein- und Ausladen von Paketen "die Kunden nicht behindert und die Leistungsfähigkeit der Strecken durch Haltezeitverlängerungen nicht beeinträchtigt wird". Zudem müsste noch gesetzlich geregelt werden, dass der Gütertransport auch in Straßenbahnen und Nahverkehrszügen möglich sei. So eine gesetzliche Regelung fordert auch der Logistik-Verband Biek ein.
Professor Bogdanski rechnet mit einem ersten Regelbetrieb in fünf bis zehn Jahren. Es sei klar, dass das Paketvolumen weiter Jahr für Jahr stark wachsen werde. "Der Pakettransport im Nahverkehr ist eine sinnvolle Ergänzung zu einem nachhaltigen Verkehr - eigentlich können wir uns gar nicht erlauben, dieses Potenzial ungenutzt zu lassen."




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